Was haben Kunstkritik und Wissenschaftskritik ge
meinsam?
Der Bremer Soziologe Uwe Schimank setzt in der neuen Soziologischen Revue den Vergleich als "anregende Erkenntnistechnik" ein und geht der Frage nach, was wissenschaftlicher Rezensent und Kunstkritiker gemeinsam haben und was sie unterscheidet.
Gemeinsam ist beiden das Bemühen die Aufmerksamkeit des Publikums zu lenken. Beide wollen Bestimmtes empfehlen und von Anderem abraten. Damit scheinen auch schon die Gemeinsamkeiten aufgebraucht. Vor allem unterscheiden sie sich in ihren sehr verschiedenen Rollen. Fallen in der Kunstkritik die Rollen von Kunstproduzent, Publikum und Kritiker in der Regel auseinander, treffen wir im Wissenschaftsbetrieb auf eine Konstellation in der Sender, Empfänger und Kommentator wissenschaftlicher Publikationen zwar durchaus unterschiedliche Personen sein können, die aber in der derselben Rolle miteinander in Verbindung stehen: "In der Wissenschaft (...) werden Publikationen nicht nur vorrangig von Wissenschaftlerinnen gelesen und zuallererst für diese geschrieben - auch Rezensionen schreiben Wissenschaftler."
Anders als im Kunstbetrieb, in dem - überspitzt gesagt - Kunst ohne Kunstkritik gar nicht existieren kann, rangiert der Rezensent im Wissenschaftsbetrieb nur unter "ferner liefen". Das liegt nicht zuletzt daran, dass der "impact" der Publikationsform Rezension gen null tendiert.
Uwe Schimank plädiert dennoch für die Rezension als eigenständige Publikationsform. Für ihn ist ein Rezensent eine Person, die "an der Auseinandersetzung in der Sache interessiert ist, nicht an Geländegewinnen von Netzwerken und Schulen", die "den Duktus der Nachdenklichkeit, nicht den des Auftrumpfens bevorzugt", die "den 'zwanglosen Zwang des besseren Arguments' ausprobiert und auch bereit ist, sich diesem, in allen Ehren, zu beugen, und" die "bei all dem darauf pfeift, wie sich das im eigenen Publikationsverzeichnis dokumentiert." Sie "schreibt Rezensionen, die sich zu lesen lohnen, und die dann auch im Gedächtnis bleiben". - Das ist ein sehr, sehr sympathischer Standpunkt, aber ist er auch realistisch?
Was meinen Sie? Warum lesen Sie Rezensionen? Was erwarten Sie von einer Buchbesprechung?