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Kategorie: Rezensionen

Helga Dickow, Eldred Masunungure and Beatrice Schlee: Zimbabwe: A case of resilient authoritarianism, Citizens' attitudes, leaders' opinions, and conjectures on a democratic transition. Byblos 2007 (Letters from Byblos, Nr. 15). 143 S.

Der politische und wirtschaftliche Niedergang Simbabwes gerät immer wieder in die Schlagzeilen. Seit den Besetzungen und Enteignungen weißer Farmen, die im Jahr 2000 nach einer erfolglosen Volksbefragung über einen neuen Verfassungsentwurf begannen, nimmt die Entwicklung immer dramatischere Formen an. Wiederholt gingen Polizei und Geheimdienst mit aller Härte gegen die Demokratiebewegung vor und räumten im Jahr 2005 kurzerhand ganze Wohngebiete. Systematisch höhlen neue Gesetze die Versammlungs-, Presse- und Meinungsfreiheit aus. Zudem behindern und kriminalisieren sie gezielt Nicht-Regierungsorganisationen, die für Menschenrechte eintreten. Eine galoppierende Hyperinflation, massive Korruption, sehr hohe Arbeitslosigkeit und gravierende Versorgungsengpässe bringen große Bevölkerungsgruppen in Existenznot; deren Problemlage durch die sich rasant ausweitende HIV/AIDSPandemie verstärkt wird.

In diese Kontexte ist die vorliegende Publikation einzuordnen, die aus ganz unterschiedlichen Perspektiven die Hintergründe der komplexen Problemlage beleuchtet. Helga Dickow, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arnold Bergstraesser Institut, Freiburg, präsentiert in einem Beitrag Ergebnisse ihrer Interviews mit politischen Entscheidungsträgern, Oppositionellen und Intellektuellen. Mehrheitlich werden sie nicht namentlich genannt, um sie vor Verfolgungen zu schützen. Indem die Autorin mit ausführlichen Zitaten die Positionen ihrer Interviewpartner dokumentiert, illustriert sie eindrücklich, wie differenziert und mit welcher analytischen Schärfe diese die Problemlage des Landes einschätzen. Ansatzweise kommen dabei auch gravierende Machtkämpfe innerhalb der Regierungspartei sowie strukturelle Konflikte in der gespaltenen Opposition zur Sprache.
In einem zweiten Artikel stellt die Freiburger Politologin Ergebnisse einer Meinungsumfrage vor, die das in Harare ansässige Mass Public Opinion Institute Ende 2005 in verschiedenen Landesteilen durchführte. Hierbei wurden 1012 Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft nach ihrer politischen Meinung, ihren Erfahrungen mit staatlichen Institutionen, ihrer Einstellung zu Religion und Ethnizität, ihrer Wahrnehmung der sozio-ökonomischen Entwicklung und ihren Zukunftsperspektiven befragt. Die Ergebnisse spiegeln Grundstrukturen der simbabwischen Gesellschaft, wie die hohe Toleranz trotz ethnischer und religiöser Unterschiede, die Wertschätzung der gesellschaftlichen Pluralität, Solidarität und die tiefe Verankerung demokratischer Werte wider.
Das Festhalten an diesen Grundwerten ist beachtlich, denn gleichzeitig wird deutlich, dass die systematische Durchsetzung der simbabwischen Zivilgesellschaft mit Spitzeln sowie die massive Repression während der letzten Jahre Ohnmacht und Angst schürten. Mugabe hat also sein Ziel erreicht, nicht nur seine Kritiker zu terrorisieren, sondern große Teile seiner eigenen Bevölkerung so zu verunsichern, dass viele, die zuvor mit Tatkraft an der Entwicklung des Landes mitwirkten, sich eingeschüchtert und resigniert zurückziehen. Immer mehr Menschen fühlen sich machtlos, ihre Situation zu verbessern und sind mit dem mühsamen alltäglichen Überlebenskampf beschäftigt. Auch Vertreter der gut ausgebildeten und kritischen Mittelschicht geraten nun in die lähmende Armutsfalle. Um so beachtlicher ist die Hoffnung, dass ein friedlicher Wechsel auch das ökonomische Desaster beenden wird.
Die Zukunftsperspektiven und die politischen Strukturen seines Landes stehen auch im Mittelpunkt des Aufsatzes von Eldred Masunungure, dem Direktor des Mass Opinion Institutes. Er kritisiert den pan-afrikanistischen und anti-imperialistischen Diskurs, den die Regierung zur Unterbindung jeglicher Kritik instrumentalisiert. Gleichzeitig prangert er das Lagerdenken in der gespaltenen Opposition an. Seine Analyse zeigt die Strukturen der gegenwärtigen verfahrenen Problemlage auf, dazu zählt er insbesondere den Aufbau eines Einparteienstaates unter Mugabe und die absolute Dominanz der ZANU/PF in allen politischen Gremien. Daneben listet er viele außen- und innenpolitische Entscheidungen auf, die allein dem Machterhalt bzw. der Machterweiterung des autokratischen Präsidenten dienten. Politische Gewalt kommt demnach keineswegs nur im Vorfeld von Wahlen zum Einsatz, sondern ist vielmehr ein zentrales Element zur Kontrolle über Ressourcen und deren Verteilung. Zudem habe Mugabe immer versucht, die Gesellschaft zu spalten, wobei er Ethnizität zum Exklusionsfaktor erkor. Masunungure gibt zu bedenken, dass diese Politisierung von Ethnizität hoch problematisch sei, wenngleich die Opposition keineswegs entlang ethnischer Einteilungen agiere. Auch den Nachfolgestreit und Fraktionskämpfe innerhalb der Regierungspartei bezieht er in seine Analyse ein. Masunungure gibt zu bedenken, dass die Frustration der Bevölkerung über die Versorgungsnot, die Misswirtschaft und Willkürherrschaft ein Gefahrenpotential für den sozialen Frieden darstellt. Seine eher skeptischen Prognosen für die weitere Entwicklung des Landes konzentrieren sich auf innerstaatliche Prozesse, beziehen aber auch die Rolle der südafrikanischen Regierung und der SADC ein.
Noch stärker akzentuiert Beatrice Schlee, die knapp drei Jahre lang das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Harare leitete, die Rolle der Regionalmächte: Zimbabwe sei ein Testfall für Forderungen und Selbstverpflichtungen nach einer guten Regierungsführung. Solange diese äußeren Kräfte zögerten, könnte man von der Bevölkerung des Landes keine Massenproteste erwarten. Zivilgesellschaftliches Engagement sei gefährlich, sogar kirchliche Gruppen würden infiltriert, um Spaltungen herbeizuführen. Schlee betont, dass man im Fall Simbabwes keineswegs von einem schwachen Staat sprechen könne. Vielmehr sichere der Präsident mit seiner ausgeklügelten klientelistischen Politik seine Alleinherrschaft.
Auch wenn die Autoren aus ganz unterschiedlichen Positionen die Probleme betrachten, ist ihre differenzierte Analyse von der gemeinsamen Sorge um die Entwicklung des Landes getragen. Eldred Masunungure gibt zu bedenken, dass sein Land sich in einer dramatischen Umbruchphase befinde. Ob und wie die Entwicklung weiter geht, hängt insbesondere von den simbabwischen Machthabern ab.
Rita Schäfer

Quelle: Peripherie, 28. Jahrgang, 2008, Heft 112, S. 506-508