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Kategorie: Rezensionen

Stephan Kaufmann: Investoren als Invasoren. Staatsfonds und die neue Konkurrenz um die Macht auf dem Weltmarkt. Berlin (Texte der RLS, Bd. 51) 2008. 92 S.

Wie attraktiv ist Deutschland für das internationale Finanzkapital? Diese Frage beschäftigt hierzulande zahlreiche Politiker. Die Regierungen senken Steuern, bauen Sozialleistungen ab und drücken das Lohnniveau, damit Deutschland in den weltweiten Standort-Vergleichen nach oben rückt und Investorengelder anzieht. Das ist normal. Weniger normal ist es, wenn hiesige Politiker darüber debattieren, wie Investoren von Deutschland ferngehalten werden können. So geschehen im Falle der so genannten Staatsfonds - milliardenschweren Investmentvehikel unter der Kontrolle der Regierungen von China, Saudi-Arabien, Russland oder Kuwait. Seit einiger Zeit wird gewarnt, Staatsfonds könnten deutsche Unternehmen aufkaufen und den hinter ihnen stehenden Regierungen die Macht verleihen, Druck auf Deutschland auszuüben. Die Bundesregierung wird daher Schutzmechanismen beschließen, um gegebenenfalls unliebsame Investoren abwehren zu können. Verf. wirft einen unideologischen Blick auf die Staatsfonds-Debatte und ihre Hintergründe. Er geht systematisch vor, erklärt die Bedeutung des Auslandskapitals für Deutschland und zeigt, wie stark hiesige Unternehmen sich bereits in "strategische Sektoren" anderer Länder eingekauft haben (11f). Er beschreibt Geschichte und Funktionsweise von Staatsfonds, ihre Macht und ihr Innenleben (20ff). Zurecht hält Kaufmann die regierungsoffizielle Kritik an den Staatsfonds - eben dass sie staatliche Investoren sind - für vorgeschoben. Vielmehr zeigt er, dass der Grund für das Misstrauen weniger in der staatlichen Steuerung dieser Fonds liegt, sondern in der Tatsache, dass sie unter der Kontrolle ganz bestimmter Regierungen stehen, die von der Bundesregierung ohnehin argwöhnisch betrachtet werden: China, Russland, Indien, Brasilien und die nahöstlichen Öl-Exportstaaten sind zu veritablen Konkurrenten um Macht und Einfluss auf dem Weltmarkt aufgestiegen (33f). Aus diesem Grunde werden ihre Investmentvehikel nun als Bedrohung wahrgenommen (55f). Verf. beschreibt den Aufstieg der neuen Konkurrenten von EU und USA und die Mechanismen, mit denen sich die alten Herrscher des Weltmarkts gegen die Emporkömmlinge wehren.
Das Buch stellt die Debatte um die "gefährlichen Staatsfonds" in den Gesamtzusammenhang der aktuell verschärften Weltmarkt-Konkurrenz und klärt nicht nur über Rolle und Funktionsweise von Staatsfonds auf, sondern auch über die aktuellen Konfliktfelder der globalen Ökonomie - vom Kampf um Rohstoffe über den Welthandel, die prekäre Stellung des Dollar bis zum neu entflammten "Wirtschaftspatriotismus" in Europa und den USA (82). Verf. ist dabei weder parteiisch, noch macht er konstruktive Vorschläge zur Lösung der Staatsfonds-Frage. Der eine oder andere könnte sich daran stören, dass Verf. die Gelegenheit verpasst, eine linke Position in dieser Frage zu formulieren. Am Ende ist der Leser/die Leserin etwas alleingelassen, aber immerhin aufgeklärt.
Sabine Nuss

Quelle: Das Argument, 50. Jahrgang, 2008, S. 597