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Kategorie: Rezensionen

H. Magel (Hg.): Für das Land. 20 Jahre Bayerische Akademie Ländlicher Raum, 1988-2008. München 2008. 394 S.

Der Begriff "Ländlicher Raum" ist wenig präzis. Als Raumkategorie weckt er immerhin Vorstellungen, gleichsam das Kontrastbild zu den Städten, Agglomerationen, Ballungsräumen. Als öffentliche Herausforderung erinnert er an ausgedehnte Gebiete, die innerer Strukturierung ermangeln, weitgehend landwirtschaftlich geprägt sind und sich aus sich heraus schwertun, die anstehenden Probleme der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklung zu meistern.  


Wenn ein Land in der Bundesrepublik Deutschland den Akzent zu Recht auf den ländlichen Raum legt, dann ist es der Freistaat Bayern. Es kommt nicht von ungefähr: Bayern verfügt über eine eigene, besondere Akademie, die "Akademie Ländlicher Raum". Ihr Zweck bildet die Förderung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Stärkung des ländlichen Raumes. Seit 20 Jahren besteht sie. Ihr Jubiläum hat sie soeben gefeiert, in Anwesenheit des bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein und des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Horst Seehofer. Ihr ideenreicher und unermüdlicher Präsident ist seit längerer Zeit Prof. Holger Magel, Professor der TU München, Inhaber des Lehrstuhls für Bodenordnung und Landentwicklung.  
Die Akademie hat das Jubiläum mit einer äusserst originellen Festschrift bereichert. Sie hat die kühne Idee verwirklicht, weiterführende Referate aus den vergangenen 20 Jahren neu aufzulegen und dazu niemand anders als deren Autoren kompetent auf die seitherigen Veränderungen hin zu befragen. Dieser Kontrast von Texten aus früheren Zeiten und von sach- sowie selbstkritischen Eigenwürdigungen mobilisiert die Gedankenwelt rund um den ländlichen Raum in wirklich schöpferischer Art: Ausbreitung, Überprüfung und Weiterführung uno actu!  
Gleichzeitig ein Rechenschaftsbericht Wurden die Probleme des ländlichen Raumes mit seiner heiklen Exposition gegenüber demographischen Einbrüchen, sich internationalisierender Wirtschaft, übergeordneter europäischer Landwirtschaftspolitik und gegenüber inneren kulturellen Veränderungen erkannt? Wurden sie rechtzeitig und sachgerecht angegangen? Hat die Akademie mit ihren Anstössen ihren Auftrag erfüllt?  
Als Aussenstehender wage ich, mit einem bewusst formulierten Ja zu antworten. Es ist wirklich erstaunlich - eine relativ kleine Akademie hat den Weg eines grossen Raumes in die Zukunft begleitet und in ausholender Partnerschaft mit den örtlich, regional und landesweit zuständigen Verantwortungsträgern Impulse gesetzt - vorweg geistige der Stärkung der Wahrnehmungskraft und des kreativen Umganges mit erkannten Problemlagen. Das Potential der Akademie liegt nicht in einem grossen Apparat oder einem institutsähnlichen Betrieb, sondern im ideenreichen und herausfordernden Zusammenführen erstrangiger und problembewusster Experten aus Wissenschaft und Praxis. Seine Instrumente sind ebenso klar disponiert: Sachsouveräne Politikberatung sowie kritisch unterlegte Aus- und Weiterbildung. Sie haben sich als Schlüsselelemente erwiesen und bewährt.  
Die dem Jubiläumsband beigefügte Liste der Veröffentlichungen ist eine echte Fundquelle. Beruhigend, an was gedacht wurde, beunruhigend die Summe offener Fragen. Offensichtlich haben wir es beim Ländlichen Raum mit einem andauernden Problemfeld ohne Zusage gültiger Problemlösung zu tun, aber ebenso mit einem Hoffnungsraum der Lebensqualität und der Lebensbewahrung. Den optimalen Endzustand gibt es in einer Welt voll sachlicher Herausforderungen, sich ändernder Ansprüche und tastender Politikbemühungen ohnehin nicht.
Martin Lendi

 


Quelle: disP 174, 3/2008, S. 83-84