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Kategorie: Rezensionen

Werner Bätzing: Bildatlas Alpen. Eine Kulturlandschaft im Portrait. Darmstadt 2005. 192 S.

Werner Bätzing ist derzeit wohl der beste Kenner der Alpen und zugleich auch der am besten ausgewiesene Autor, hat er doch im Laufe von 20 Jahren zahlreiche Artikel und Bücher zum Thema verfasst und sich dabei auch mehrfach an Gesamtdarstellungen gewagt. Zu letzteren gehört das vorliegende Buch - ein wunderschöner Bildband mit ausführlichen Texten, der sich vor allem an Laien richtet, aber auch das fachwissenschaftliche Publikum anspricht.

Das Jahr 2002, von der UNESCO zum "Jahr der Berge" ausgerufen, verstrich, und von den zahlreichen Tagungen und Symposia, die seinerzeit stattfanden, redet niemand mehr. Zu den Wenigen, die immer wieder am Thema Alpenproblematik dran bleiben, gehört der Autor, der sich die Alpen auf zahlreichen Begehungen zu Eigen gemacht hat. Dieses "Aneignen" spricht auch aus dem vorliegenden Band - die meisten der qualitativ hervorragenden Bilder stammen vom Autor selber. Alle werden von einem ausführlichen, kenntnisreichen Kommentar begleitet und stehen in engem Verbund mit den Texten, die untereinander durch Querverweise verknüpft sind und die sorgfältig ausgewählten Bilder immer wieder miteinbeziehen. Die Alpen sind inzwischen, und zwar bis in höchste Höhen, eine Kulturlandschaft. Das dokumentiert auch der Band, auch wenn hier und da "reine" Natur vorgeführt wird, die auch im Text Würdigung erfährt. Insofern trifft der Untertitel den Nagel auf den Kopf. In der Einleitung verweist der Autor auf den Beginn des Wandels nach 1880. Aber erst nach 1965 wurde das Gebirge flächendeckend zum Wirtschafts-, Wohn-, Freizeit- und vor allem Transitraum, wie man ihn heute erleben kann. Dieser Wandel findet in der Geschichte kaum Parallelen und auch was seine Intensität in Fläche und Funktion angeht, lässt sich europaweit kaum Vergleichbares finden. Das Buch gliedert sich in die Kapitel "Was sind die Alpen?" (S. 9ff.), "Naturlandschaften der Alpen" (S. 26ff.), "Traditionelle Kulturlandschaften" (S. 64ff.), "Die Modernisierung der Alpen" (S. 116ff.), "Vom Verschwinden der Alpen als menschlicher Lebensraum" (S. 150ff.). Der Anhang (S. 118ff.) stellt Bildnachweise und Literatur zusammen und enthält eine Karte der Gliederung der Alpen in Gebirgsgruppen. Abschließend werden der Autor und das Konzept des Buches vorgestellt, wobei neben wenigen technischen Angaben auch wieder der Bogen zur "Philosophie" geschlagen wird, die sich in der "Einleitung" (S. 7-8) findet. Letztlich geht es in dem Buch um das Abwägen der Frage, was von den traditionellen Alpenbildern heute noch wahrgenommen wird und welche Wirklichkeit die Alpen tatsächlich repräsentieren. Diesem Ansatz wird in den jeweils fünf bis sieben Unterkapiteln der o.a. Hauptkapitel Rechnung getragen. Dies geschieht durch äußerst dichte, inhaltsreiche Texte, deren klare Sprache auch der Nichtfachperson verständlich ist. Sie belegen intime Kenntnis mit dem jeweiligen Thema und beziehen die (zusätzlich ausführlich erläuterten) Bilder mit ein oder nehmen diese als Ausgangspunkt der Betrachtung. Die Texte sind spannend zu lesen und viele Einzelheiten, die man beim Wandern oder Reisen gesehen und aufgenommen hat, erhalten Rahmen und Hintergrund - dies alles, ohne dass es belehrend wirkt. Fazit: Das Buch ist eine Landeskunde mit Bildern - und dies im allerbesten Sinne. Man kann das Werk nur loben, was Text, Bilder und Gestaltungsqualität angeht. Diesem schönen und recht preiswerten Band ist ein möglichst weiter Leserkreis zu wünschen. Praktisch zu nutzen ist er zur Reisevorbereitung, zum Aussuchen von Reisezielen sowie zum nachträglichen Vertiefen. Auch für den Schulunterricht eignet sich diese bestens dokumentierte, verständliche und zugleich systematische Darstellung der Alpen und ihrer Kulturlandschaften. Dem Autor ist es jedenfalls hervorragend gelungen, Verständnis für die Alpen zu wecken und vor allem die alten und neuen Probleme dieser Gebirgslandschaft zu verdeutlichen.

Autor: Hartmut Leser

Quelle: Die Erde, 137. Jahrgang, 2006, Heft 3, S. 180