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Kategorie: Rezensionen

Reiner Braun, Fritz Brickwedde, Thomas Held, Eberhard Neugebohrn und Ole von Uexküll (Hg.): Kriege um Ressourcen. Herausforderungen für das 21. Jahrhundert. München 2009. 261 S.

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die Deutsche Stiftung Friedensforschung, die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen und die Right Livelihood Award Foundation, die jährlich den Alternativen Nobelpreis vergibt, führten im September 2007 die Veranstaltungsreihe "Energie, Ressourcen und Frieden" durch. In diesem Zusammenhang entstand der vorliegende Sammelband, der von den Geschäftsführern der vier Stiftungen und dem Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler Reiner Braun herausgegeben wurde.

Der Band enthält 30 Beiträge zu den thematischen Blöcken "Grundlagen", "Konfliktlinien", "Brennpunkte" und "Lösungen". Die Autor_innen, darunter acht Frauen, sind überwiegend prominente Persönlichkeiten aus (Umwelt-)Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft: der ehemalige Präsident des Wuppertal-Instituts Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ex-Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, der norwegische Friedensforscher Johan Galtung, der Parlamentarier und EUROSOLAR-Präsident Hermann Scheer, die kenianische Trägerin des Friedensnobelpreises Wangari Maathai, die SPD-Politikerin Monika Griefahn und viele mehr. Unter ihnen sind zahlreiche Träger_innen des Alternativen Nobelpreises.

Ressourcenkonflikte sind keine Frage der Knappheit, sondern der Verteilung, stellt der südafrikanische Bürgerrechtler und ehemalige Repräsentant des ANC bei den Vereinten Nationen Denis Goldberg fest. "Eben jene Leute, die die Ressourcen kontrollieren" (44), behaupteten deren Knappheit. "Knappheit bedeutet höhere Preise, höhere Preise wiederum bedeuten höhere Gewinne." (ebd.) Knappheit ist menschlich gemacht - und das heißt vor allem politisch geschaffen, um die Macht der Mächtigen zu erhalten und die Profite der Konzerne zu mehren. Dies gelte für Wasser und Land ebenso wie für Öl, so der langjährige Sonderberater des südafrikanischen Wasser- und Forstministeriums.

Die Beiträge im Teil "Konfliktlinien" widmen sich Fragen der Energiesicherheit, dem Klimawandel als möglicher Sicherheitsbedrohung und Kriegen umÖl. Der Politologe Matthias Basedau vom German Institute of Global and Area Studies hält vor allem bewaffnete Auseinandersetzungen innerhalb der erdölexportierenden Länder für wahrscheinlich. Chiapas sei ein Beispiel dafür. Michael Brzoska, Direktor des Instituts für Friedens- und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, fasst die Erkenntnisse der Friedens- und Konfliktforschung zum Zusammenhang von Ressourcen und Konflikten zusammen. Auch er betont, dass Konflikte entstehen oder verschärft werden, "wenn die Verteilung der Erträge aus der Vermarktung von relevanten Akteuren als ungerecht angesehen wird" (83). Anschließend berichtet er über die Ergebnisse eines Forschungsprojekts, das sich mit dem Einfluss externer wirtschaftlicher Akteure in Krisenregionen befasste. Er kommt zu dem Schluss, dass diese Akteure unter bestimmten Bedingungen zur Entschärfung oder sogar zur Beendigung von gewaltsamen Konflikten beitragen könnten. Als Beispiele nennt er Liberia und Angola. Wichtig sei dabei ein koordiniertes Vorgehen verschiedener staatlicher und nichtstaatlicher Akteure, das etwa ein Waffenembargo mit Importverboten für bestimmte Rohstoffe sowie mit zivilgesellschaftlicher Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit verbinde. Verbindliche Normen des privatwirtschaftlichen Umgangs mit Ressourcen aus Konfliktländern bestehen bislang jedoch nur für Diamanten. Inwiefern externe wirtschaftliche Akteure zur Verschärfung oder Verlängerung von bewaffneten Konflikten beitragen können, bleibt in dem Beitrag offen.

Nach Auffassung von Janos J. Bogardi von der United Nations University in Bonn gibt es "eigentlich nur einen einzigen Grund", welcher Ressourcenkonflikte begründe, "und das ist das Eigentum" (146). In vielen Fällen wie etwa im Israel-Palästina-Konflikt würden jedoch genuin politische Konflikte als Ressourcenkonflikte etikettiert. Der Professor für Wasserwirtschaft und ehemalige Leiter der UNESCO-Sektion für nachhaltige Wasserwirtschaft ist davon überzeugt, dass es trotz einer wahrscheinlichen Verstärkung von Konflikten infolge des Klimawandels auch zukünftig nicht zu "Wasserkriegen" kommen werde. Denn die große Mehrheit der Konflikte um Wasser würde kooperativ gelöst. Mit Blick auf zukünftige Ressourcenkonflikte setzt er nicht auf eine Transformation der Eigentumsverhältnisse, sondern auf den Ausbau von Konfliktlösungsmechanismen und -institutionen. So sei etwa Landnutzungskonflikten um die Produktion von Biokraftstoffen gegenüber dem Nahrungsmittelanbau "durch gemeinsames Lehren und Lernen" (150) zu begegnen.

Der Band zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er eine Vielzahl und Vielfalt von Autor_innen einbezieht: aus unterschiedlichen Weltregionen, verschiedenen disziplinären Perspektiven (sozialwissenschaftlich ebenso wie technisch und naturwissenschaftlich). Es kommen Vertreter_innen von NGOs ebenso wie von Unternehmensverbänden zu Wort, etwa die stellvertretende VENRO-Vorsitzende Christa Randzio-Plath und der Geschäftsführer des Verbands der chemischen Industrie Utz Tillmann. Dass die Beiträge sich dabei teils widersprechen, ist unvermeidlich und durchaus gewollt, wie Reiner Braun in der Einleitung betont. Die Texte sind kurz und verständlich geschrieben, sie stellen weniger wissenschaftliche Artikel dar als politische Essays und Diskussionsbeiträge.

Die politische und akademische Debatte spiegelt das Buch insofern wider, als es drei Themen aufgreift, deren Bedeutung für friedensgefährdende Konflikte derzeit diskutiert werden: die Energieversorgung und insbesondere die Konkurrenz um geringer werdende Öl- und Gasvorkommen, der Klimawandel und damit zusammenhängende Kon?ikte um Wasser und Land sowie die Bedeutung von wertvollen Rohstoffen wie Diamanten und Coltan für die Entstehung und das Andauern bewaffneter Konflikte. Bislang stehen diese drei Diskussionslinien meist unverbunden nebeneinander. Auch der vorliegende Sammelband vermag die Brücke zwischen ihnen kaum zu schlagen. Jedoch ermöglicht er einen Überblick über das komplexe Themenfeld. So ist er weniger als eine abgeschlossene Studie zu lesen denn als ein Anstoß zur Diskussion.
Bettina Engels


PERIPHERIE Nr. 124, 31. Jg. 2011, S. 511-513