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Kategorie: Rezensionen

Thorsten Steinrücken: Wirtschaftsförderung und Standortpolitik. Eine Einführung in die Ökonomik unternehmensorientierter Wirtschaftspolitik. Norderstedt 2011. 328 S.

Tätigkeiten in der Wirtschaftsförderung, im Standortmarketing und in der Regionalentwicklung stellen für Geographen beliebte Arbeitsmärkte dar. Jedoch sind Lehrbücher zur Wirtschaftsförderung aus (rein) wirtschaftsgeographischer Perspektive in Deutschland Mangelware. Aus diesem Grund soll hier ein ökonomisches Werk vorgestellt werden, das die geographische Perspektive sinnvoll bereichert. Der Autor richtet das Buch an alle, die sich in Theorie und Praxis mit Wirtschaftsförderung und Standortpolitik beschäftigen. Das Ziel des Buches besteht darin, einen strukturierten Überblick über Zielsetzungen und Begründungen für staatlich initiierte Wirtschaftsförderung zu geben. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Folgen und Wirkungen staatlicher Eingriffe. Die theoretische Denkweise ist in der neoklassischen Ökonomie angesiedelt. Das Buch gliedert sich in vier Kapitel.

 

Im ersten Kapitel wird in die Thematik der Wirtschaftsförderung eingeführt. Neben Begriffsbestimmung, Begründungen für wirtschaftsfördernde Aktivitäten und deren Prinzipien wird gezeigt, dass es sich bei Wirtschaftsförderung um ein Phänomen handelt, dessen erste Ansätze weit in die Geschichte zurückreichen. Die aktuelle Notwendigkeit einer Wirtschaftsförderung wird vor allem mit Bürgerinteresse und Marktversagen begründet. Diese beiden Konzepte werden inder Wirtschaftsgeographie nur selten so systematisch betrachtet wie in dem vorliegenden Band.Ergänzend werden strategische, soziale und verteilungspolitische Gründe vorgestellt. Darauf aufbauend werden Prinzipien der Wirtschaftsförderung erläutert. Auch dieser Themenkomplex ist bisher kaum Thema in gängigen Lehrbüchern zur Wirtschaftsgeographie gewesen.

Das zweite Kapitel widmet sich den Standortfaktoren und dem Standortwettbewerb. Durch die Beschreibung von Standortfaktoren und die Darstellung der Erklärungsmodelle für die räumliche Verteilung wirtschaftlicher Aktivitäten wird eine Brücke in die Wirtschaftsgeographie geschlagen. Anhand der ökonomischen Ansätze wird gezeigt, dass Gebietskörperschaften einen gewissen Spielraum haben, um sich als Standorte für Unternehmen attraktiver zu machen. Dabei wird dem Wettbewerb zwischen Standorten besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Räume können in wettbewerblichen Beziehungen zueinander stehen, und entsprechend sind räumliche Disparitäten und ihre Erklärung häufig Untersuchungsgegenstand in der Wirtschaftsgeographie.

Im dritten Kapitel geht der Autor auf einige Instrumente der Wirtschaftsförderung ein. Dazu wird eine Systematisierung der verschiedenen Instrumente vorangestellt und verdeutlicht, dass klare Abgrenzungen nicht immer möglich sind. Neben bekannten und populären Instrumenten der Wirtschaftsförderung, wie beispielsweise staatliche Bürgschaften, Technologie- und Gründerzentren oder die Förderung von Forschung und Entwicklung, werden aber auch weniger verbreitete Instrumente wie Mietfabriken vorgestellt. Das vierte Kapitel widmet sich den Wirkungen der Maßnahmen von Wirtschaftsförderung. Hier wird in ökonomischer Manier betrachtet, welche mikro- und makroökonomischen Anreizwirkungen und Effekte Wirtschaftsförderung theoretisch haben kann. Es werden aber auch die Gesamtwohlfahrt sowie die Wettbewerbswirkungen der Wirtschaftsförderung betrachtet.

Das Buch ist logisch aufgebaut, die Inhalte sind dank vieler Beispiele leicht nachvollziehbar. Somit eignet sich diese Einführung auch gut für Studierende der Wirtschaftsgeographie, ohne dass sie über eine fundierte wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung verfügen müssen.Die Verständlichkeit des Buches basiert allerdings vor allem auf dem neoklassischen theoretischen Rahmen. Die damit einhergehende Formalisierung ist für die Nachvollziehbarkeit der Inhalte aber nicht zwingend. Die verschiedenen Maßnahmen und Instrumente werden aus didaktischen Gründen isoliert voneinander betrachtet. Auf ihre komplementären Wirkungen wird häufig hingewiesen, aber es werden keine praktischen Strategien oder Maßnahmenbündel in ihrer regionalen Wirkung vorgestellt und untersucht. Damit dient das Buch vor allem dem theoretischen Verständnis und eröffnet dem Leser eine neue Perspektive auf Wirtschaftsförderung und Standortpolitik.

Für Wirtschaftsgeographen spielen üblicherweise regionale Aspekte und Besonderheiten eine große Rolle. Auf sie wird in diesem Buch nur randlich eingegangen. Die Besonderheiten derostdeutschen Bundesländer werden an verschiedenen Stellen thematisiert. Räumlich fokussiert das Buch auf Deutschland, wobei hier und da auch Beispiele aus den europäischen Nachbarländern herangezogen werden. Die Bedeutung der Europäischen Union für die Wirtschafts-, Regional- und Standortpolitik in Deutschland wird angerissen, allerdings nicht vertieft, was auch den Rahmen eines einführenden Lehrbuches sprengen würde. Zusammenfassend kann das Buch Wirtschaftsgeographen bzw. Studierenden der Wirtschaftsgeographie nachdrücklich empfohlen werden. Es verdeutlicht wirtschaftliche Zusammenhänge und Effekte wirtschaftsfördernder Aktivitäten durch öffentliche Akteure. Geographen bietet es neue Einblicke und verlangt gewissenmaßen nach thematischer Ergänzung aus wirtschaftsgeographischer Perspektive.
Christian Kluck, Bremen

Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie Jg.57 (2013) Heft 1-2, S. 96-97