Drucken
Kategorie: Rezensionen

Matthias Gather und Andreas Kagermeier (Hg.): Freizeitverkehr. Hintergründe, Probleme, Perspektiven. Mannheim 2002 (Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung 1). 140 S.

Verkehrsgeographische Arbeiten und Forschungsansätze hatten in der jüngeren Vergangenheit innerhalb der Geographie keinen zentralen Stellenwert, vergleicht man dies beispielsweise mit stadt- oder wirtschaftsgeographischen Aktivitäten. Seit Ende der 90er Jahre erfolgt jedoch wieder ein organisierter verkehrswissenschaftlicher Austausch in der Geographie, der seinen Ausgangspunkt in der Neugründung eines DGfG-Arbeitskreises Verkehr auf dem Geographentag 1997 fand. Seither werden regelmäßige Jahrestagungen und Fachsitzungen zu diesem Themenfeld durchgeführt, an denen sich eine größere Zahl von Forschenden und Lehrenden aus verschiedenen disziplinären Kontexten beteiligt. Zur Dokumentation dieser Aktivitäten wurde mittlerweile eine eigene Schriftenreihe eingerichtet, deren erster Band zum Thema "Freizeitverkehr" nunmehr vorliegt. Er dokumentiert die Beiträge von zwei Fach- bzw. AK-Sitzungen des Leipziger Geographentages 2001.

Mit diesem Band wird ein Teilgebiet des Verkehrs behandelt, dem der Ruf vorauseilt, dass es sowohl komplex zusammengesetzt ist als auch seit geraumer Zeit sehr dynamisch wächst. Dieses Wachstum findet vor allem im privaten Kfz-Verkehr statt, nicht zuletzt weil der klassische öffentliche Nahverkehr an die hier zugrunde liegenden, mutmaßlich "flexiblen" Mobilitätsformen kaum hinreichend angepasst ist. Aus diesem Grund stellt dieser Bereich auch eine große Herausforderung an die Verkehrsgestaltung. Die Schrift reagiert auf das bisher nur rudimentär vorliegende Wissen zum Freizeitverkehr in sehr angemessener Weise, in dem einige grundlegende empirische Studien zur regionalen (räumlichen) oder sozialen Differenzierung der Freizeitmobilität versammelt sind. Indem diese Beiträge vom Charakter her stark interdisziplinär angelegt sind, spiegeln sie auch die Zusammensetzung des Arbeitskreises wider. Neben einer kurzen Einführung der Reihenherausgeber enthält der Band eine Fallstudie zur Freizeitmobilität in vier Kölner Stadtvierteln (LANZENDORF), die dieses Thema erstmalig aus Sicht der geographischen Forschung grundlegend behandelt. Beiträge zu Freizeitmobilität und Wohnen (BLINDE, SCHLICH) bzw. zum Freizeitverkehr älterer Menschen (SCHEINER) sowie zu den Folgen von Freizeitgroßeinrichtungen (KAGERMEIER,
u. a. am Beispiel des Centro Oberhausen) runden die empirischen Studien ab. Eine Konzeptskizze zur Modellierung der freizeitrelevanten Verkehrsnachfrage (BRIEGEL) sowie ein stärker sozialwissenschaftlich ausgerichteter Beitrag zu einer Freizeitmobilitätsstilforschung (GRONAU) sind demgegenüber eher theoretisch fokussiert. Ein Aufsatz stellt schließlich Strategien einer umweltverträglichen Gestaltung des Freizeitverkehrs in den Mittelpunkt (DALKMANN). Bei aller Verschiedenheit der einzelnen Texte lässt sich eine gemeinsame Grundbotschaft dergestalt herauslesen, dass die Realität der Freizeitmobilität komplexer ist, als dies die bisherige Behandlung dieses Teilthemas durch die Verkehrswissenschaften nahe legen könnte. Während die offizielle Statistik diesen Verkehrszweck quasi als Residualkategorie behandelt, eröffnet die Lektüre dieses Bandes ein viel facettenreicheres Bild - angesiedelt zwischen Feierabenderholung, Verwandtschaftsbesuchen und sozialer Teilhabe, einem post-modernen Mix aus "Shopping & Leisure" sowie "Fahren just-for-fun". Dem insgesamt noch spärlichen Wissen über den Freizeitverkehr entspricht, dass hier nicht handlungsleitende Überlegungen im Mittelpunkt stehen, sondern der weiteren Definition und empirischen Grundierung des Gegenstandes Freizeitverkehr viel Platz eingeräumt wird. Man kann aber davon ausgehen, dass dieses von der Forschung zunehmend "entdeckte" Problemfeld individueller Mobilität mit konventionellen Konzepten gewiss nicht befriedigend zu lösen sein wird. Die eher knapp gehaltenen Einzelbeiträge repräsentieren ein breites Spektrum von Zugängen zu diesem Thema, das kompetent aufbereitet wird und ohne jeden Zweifel Lücken schließt. Das Konzept der Reihe lässt für die Folgebände Vielversprechendes erwarten.    
Autor: Markus Hesse

Quelle: Erdkunde, 57. Jahrgang, 2003, Heft 2, S. 148