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Kategorie: Rezensionen

Noel Castree, David Demeritt, Diana Liverman and Bruce Rhoads (eds.): A Companion to Environmental Geography. Chichester 2009. 588 pp.

Mit A Companion to Environmental Geography ist bereits im Jahr 2009 ein weiterer Band in der an Studierende, Lehrende und interessierte Wissenschaftler gleichermaßen gerichteten fundierten wie auch informativen Companion-Reihe bei Wiley-Blackwell erschienen. Der von Noel Castree, David Demeritt, Diana Liverman und Bruce Rhoads herausgegebene Sammelband führt in die Thematik der Environmental Geography ein, was eher unüblich mit Umweltgeographie, sondern passender mit Geographischer Mensch-Umwelt-Forschung zu übersetzen ist, informiert über zentrale Konzepte und zeigt die breite Palette des Forschungsfeldes auf. Dabei vereinigt der Band Beiträge an der Schnittstelle von Physischer und Humangeographie. Gleichwohl dominieren zahlenmäßig die Vertreter der sozialwissenschaftlichen Richtung, wie das auch in den entsprechenden Diskussionen in der deutschsprachigen Geographie der Fall ist.

 

Neben einem einführenden Aufsatz der Herausgeber über Inhalt und Ziele der Publikation umfasst A Companion to Environmental Geography 32 Einzelbeiträge in vier separaten Teilen. Zunächst werden Termini und die dahinter stehenden Konzepte wie Natur, Nachhaltigkeit, Biodiversität, Komplexität, Unsicherheit und Risiko, Maßstab, Verwundbarkeit und Kommodifizierung auf Basis jüngerer Abhandlungen kritisch reflektiert und können als begriffliches und konzeptionelles Handwerkszeug für Studien im Feld der Mensch-Umwelt-Forschung dienen. Der folgende zweite Teil vereinigt wissenschaftliche Ansätze oder auch – gleichwohl nur selten institutionalisierte – Subdisziplinen wie Erdsystemwissenschaften, Land Cover and Land Use Change, Ökologie, Quartärgeographie, Umweltgeschichte, Landschaft und Regionalstudien, ökologische Modernisierung und industrielle Transformation. Eine Zusammenschau methodischer Ansätze bietet der mit Practices überschriebene dritte Teil, während schließlich im letzten Teil aktuelle und künftige Forschungsfelder aufgezeigt werden wie Ökosystemmanagement, Umwelt und Entwicklung, Natural Hazards, Umweltgovernance, Commons, Wasser, Energie, Ernährung und Landwirtschaft sowie Umwelt und Gesundheit.

Für Kenner der jeweiligen Forschungsbereiche bzw. Subdisziplinen bietet der umfangreiche Band wenig Neues, weil die Kernaussagen von den entsprechenden Autoren bereits in ähnlicher Form an anderer Stelle publiziert wurden. Gleichwohl liefert der Sammelband einen breiten und beeindruckenden Überblick über die Vielfalt von Konzepten, theoretischen Herangehensweisen und Forschungsfeldern im Bereich der Geographischen Mensch-Umwelt-Forschung, die auch gegenwärtig in der deutschsprachigen Geographie, gelegentlich als „Dritte Säule“ tituliert, Konjunktur hat und als zukunftsträchtig gilt. Dies zeigen nicht nur entsprechende Programme der Forschungsförderung, sondern auch zahlreiche Tagungen und Sitzungen der vergangenen Jahre, auf denen vielfach ein angemessener theoretischer und methodischer Zugang zu diesem Feld gesucht oder mit Hilfe solcher Bemühungen um die Einheit der Geographie gerungen wird, bisher leider zumeist noch ohne umfassende, Standard setzende Publikationen oder Lehrbücher. Dagegen stellt A Companion of Environmental Geography eine Art State-of-the-Art dar und reklamiert selbstbewusst ein neues Feld, gleichwohl ohne epistemologische und wissenschaftstheoretische Fundierung oder institutionelle Verankerung, denn die beteiligten Autorinnen und Autoren sind zumeist immer noch als Human- oder Physiogeographen charakterisiert.

Bei der Beschäftigung mit der vorliegenden Publikation schleicht sich jedoch auch der Verdacht ein, dass die Suche nach einer philosophisch begründeten Grand Theory möglicherweise überhaupt nicht die Aufgabe der Stunde ist, sondern die Vielfalt und Relevanz der Mensch-Umwelt-Forschung anerkannt und propagiert werden muss. Es ist wohl weniger die Theorie oder ein gemeinsamer methodischer Ansatz, der die Dritte Säule zu begründen hat, sondern vielmehr sind es die aktuellen und relevanten Fragestellungen, die Pressing Questions, die eine Zusammenarbeit von Natur- und Gesellschaftswissenschaften notwendig machen. Die angeblich immer komplexer werdende Welt, die vielschichtigen aktuellen (Welt-)Probleme erfordern gerade von der Geographie ein solches gemeinsames Agieren, wenn sie nicht gänzlich das Feld anderen überlassen will. Dass die Geographie hier gleichwohl auf Augenhöhe mit anderen Disziplinen agieren kann, demonstriert der viel selbstverständlichere und pragmatischere Umgang der angloamerikanischen Geographinnen und Geographen mit solchen aktuellen Fragen.

Der hohe Preis dieses bisher leider nicht als Paperback erschienenen Werkes wird vermutlich die meisten Studierenden und viele Lehrende von einem Kauf abschrecken, in einer geographischen Institutsbibliothek sollte der Band aber nicht fehlen.
Matthias Schmidt

Quelle: Erdkunde, 66. Jahrgang, 2012, Heft 3, S. 268-269

 

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