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Kategorie: Rezensionen

Georgij M. Lappo, Fritz W. Hönsch: Urbanisierung Russlands . Berlin, Stuttgart 2000 (Urbanisierung der Erde, Band 9).

Endlich ist eine Stadtgeographie Russlands erschienen! In sowjetischer Zeit dominierte die Wirtschaftsgeographie, den Städten wurde in der Fachliteratur nur wenig Bedeutung eingeräumt. Dabei ist gerade die Betrachtung der russischen Stadtlandschaft von besonderem Interesse, denn Russland ist sowohl ein Land der Großstädte - die Hälfte der Bevölkerung lebt in Städten mit über 100.000 Einwohnern -, wie auch ein Land der neuen Städte: Mehr als die Hälfte der Städte ist erst in den letzten 70 Jahren - mit einem Schwerpunkt in den sechziger Jahren - gegründet worden.

So füllt dieses Buch eine seit langem bestehende Lücke. Es ist das Gemeinschaftswerk zweier Autoren, die aus Moskau bzw. aus Leipzig stammen. Diese Kooperation, die Verbindung russischer und westeuropäischer Betrachtungsweisen, wirkt sich sehr positiv auf die Darstellung aus. In anschaulicher Weise werden die Herausbildung des Städtenetzes bis zum Beginn des 20. Jahrhundert, das Grundgerüst der Siedlungsstruktur, das Verhältnis zwischen Bevölkerungsentwicklung und Siedlungsweise, die Typologie der Städte, die bestehenden regionalen Städtenetze sowie eine vergleichende Städtecharakterisierung behandelt.
Unter dem Gesichtspunkt ‚Regionale Städtenetze' werden die Städte des Europäischen Nordens, die Moskauer Hauptstadtregion, die Wolgastädte und die Städte Sibiriens gegenübergestellt, wobei alle bestimmenden Faktoren, von der Landesnatur bis zu politischen Einflüssen, hervorgehoben werden. In einem eigenen Kapitel wird auch die desolate ökologische Situation der russischen Städte herausgestellt. Besonders interessant und aktuell ist eine Analyse des russischen Städtewesens gerade heute, wo nach dem politischen und wirtschaftlichen Umbruch neue städtische Interaktionen entstehen und es zu einem Wettbewerb zwischen den Städten gekommen ist - eine Entwicklung, die, wie die Autoren im Vorwort schreiben, gegenwärtig nur angedeutet werden kann. Dokumentiert werden die Gegebenheiten in reicher Weise durch Karten, Pläne, historische Stiche, Tabellen, Fotos und Luftbilder, wobei das Din A4-Format der Publikation einer bildhaften Darstellung entgegenkommt. Neben der damit gegebenen Anschaulichkeit trägt auch die flüssige Sprache zu einer guten Lesbarkeit des Buches bei. Beim Lesen eröffnen sich auch dem in der Geographie Russlands Bewanderten immer wieder neue Einsichten und Zusammenhänge. Ein Buch, auf das Stadtgeographen wie auch alle an Russland Interessierten schon lange gewartet haben!
Autor: Norbert Wein

Quelle: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, Jg. 47 (2003) Heft 2, S. 132