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Kategorie: Rezensionen

Günter Hake, Dietmar Grünreich und Liqiu Meng: Kartographie. Visualisierung raumzeitlicher Informationen. 8., vollständig neu bearb. und erw. Auflage. Berlin, New York 2002. 604 S.

Das bewährte Standardwerk zu den Grundlagen der Kartographie liegt nunmehr in der 8., vollständig neu bearbeiteten und erweiterten Auflage vor. Da der Seitenumfang bei zusätzlich aufgenommenen jüngeren technologischen Entwicklungen der Kartographie nur um rund fünf Textseiten gewachsen ist, sind Auslassungen und Komprimierungen unvermeidlich. Entsprechend dem Untertitel sind insbesondere die Bereiche der (kartographischen) Modellierung und digitalen Datenverarbeitung entweder neu aufgenommen oder gegenüber der 7. Auflage deutlich erweitert worden.

So wurden die Kapitel zu manuellen, mechanischen und photographischen Arbeitstechniken auf nur einer Seite zusammengefasst. Demgegenüber haben beispielsweise die Kapitel zu topographischen und thematischen Karten jeweils ein Kapitel zu den jeweiligen "Informationssystemen" vorangestellt bekommen. In bisherigen Abhandlungen wird dies als Ergebnis des technischen Fortschritts und technologischen Wandels nach der Behandlung der entsprechenden analogen Kartengrundlagen und -informationen aufgegriffen. Die analoge Karte nur als einen Bestandteil entsprechender kartographischer Informationssysteme aufzufassen, ist mittlerweile legitim, dürfte aber tradierte Ansätze und Studienpläne "auf den Kopf stellen". Zumindest bleiben aber die Grundlagen der "analoge[n] und materielle[n] Präsentation in einer nicht mehr veränderbaren Weise zur Veröffentlichung bestimmt[en]" (S. 415) Karten in gewohnter Ausführlichkeit erhalten. Hinsichtlich der bundesdeutschen topographischen Karten fehlt einzig der Hinweis, dass mittlerweile der Aufdruck des UTM-Koordinatennetzes als Regelfall zu werten ist und nicht länger den militärischen Ausgaben vorbehalten bleibt.
Wichtige Ergänzungen sind zudem die separaten Kapitel zu den für die Visualisierung genutzten Medien, wie das Internet oder auch elektronische Atlanten, sowie eine, allerdings knappe Übersicht nützlicher Internetadressen.
Für die Neuauflage wurden einige neue Abbildungen eingefügt sowie zahlreiche Graphiken und Tabellen der früheren Ausgaben ergänzt und graphisch aufgewertet. Bedauerlich ist jedoch, dass die Druckqualität der Fotografien sowie einiger Strichzeichnungen deutlich schlechter als in der früheren Auflage ausgefallen ist. Die Aufnahme der gedruckten Kartenbeilagen der Vorgängerauflage in digitaler Form als beigefügte CD-ROM wird sicherlich sehr unterschiedlich aufgenommen werden, da sie die Verfügbarkeit eines Computers voraussetzt, was sicherlich nicht in allen Institutsbibliotheken in ausreichendem Umfang gegeben sein dürfte. Für die Verwendung im Unterricht ersetzt diese CD-ROM jedoch nicht nur das Scannen der Vorlagen, sondern bietet mit einer Videoanimation auf Basis eines topographischen Landschaftsmodells auch neues Material. In ähnlicher Weise wären auch Animationen etwa zu den geometrischen Grundlagen von Kartennetzentwürfen, zur Wirkung deren unterschiedlichen Abbildungstreuen oder auch zur Generalisierung in der Maßstabsfolge topographischer Karten wünschenswert.
Für Studierende der Geographie oder anderer Fachbereiche, die sich erstmalig die  Grundlagen der Kartographie aneignen müssen, ist die Stoffvermittlung durchaus anspruchsvoll, da die notwendigen geometrischen und mathematischen Grundlagen, wie schon in den früheren Auflagen, mit aufgenommen wurden. Trotzdem bleibt dieses Lehrbuch ein wichtiges Standardwerk auch für die Geographie, insbesondere durch die Anpassung an die neuen Medien und technologischen Entwicklungen. Hierbei ist auch positiv auf die Übernahme der Kapitel zu Gegenwart und Geschichte der Kartographie hinzuweisen. Für ein umfassendes Lehrbuch wären jedoch auch Hinweise auf die zwischenzeitlich auch in der deutschsprachigen Geographie gängigen Dekonstruktion kartographischer Repräsentationen und Weltbilder wünschenswert, da Karten mittlerweile nicht mehr als wahre und objektive Abbilder der Realität bewertet werden können. Dies stellt die geometrisch-technischen Grundlagen nicht in Frage, sollte aber gerade als Ergänzung zur ausführlichen Behandlung der Kartographie in der Informations- oder Kommunikationstheorie bedacht werden.    
Autor: Jürgen Clemens

Quelle: Erdkunde, 58. Jahrgang, 2004, Heft 1