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Kategorie: Rezensionen

Jürgen Bähr: Bevölkerungsgeographie. 4., aktual. und überarb. Aufl. Stuttgart 2004. 399 S.

Das bewährte Studienbuch zur Bevölkerungsgeographie von J. BÄHR liegt nunmehr in der 4. Auflage vor, die sieben Jahre nach der 3. Auflage von 1997 erschienen ist. Dabei wurde der Band eingehend überarbeitet; Daten, Tabellen und Karten sind auf neuen Stand gebracht und das Layout ist deutlich verbessert. Neu und hilfreich für das Studium sind Fragenkataloge am Ende der Hauptkapitel. Die Kapiteleinteilung und der Aufbau des Buches sind unverändert geblieben, mit einer Hauptgliederung nach den Themenbereichen Bevölkerungsverteilung und Bevölkerungsstruktur, natürliche Bevölkerungsbewegung, Wanderungen. Beispiele spielen eine große Rolle, sind nach dem Maßstab angeordnet und reichen von der weltweiten Untersuchungsebene bis zu kleinräumlichen Differenzierungen, etwa auf der Gliederungsebene von Städten.

Die Überarbeitung beschränkt sich nicht nur auf eine Aktualisierung von Daten, die gerade in der Bevölkerungsgeographie bedeutsam ist, sondern erschließt, in gebotener Kürze, den neuen Stand der Forschung. Dank der vorzüglichen Literaturkenntnis des Verfassers wurde eine breite Auswahl jüngerer Arbeiten berücksichtigt und im Text verarbeitet. Von den über 1.200 zitierten Titeln im Literaturverzeichnis (mit Mehrfachnennungen) sind fast ein Drittel seit der 3. Auflage neu hinzugekommen. Das betrifft besonders Teilkapitel über Wanderungen, in denen z.B. neue Themen wie transnationale Migration, internationale Ruhesitzwanderung, Wanderungen von Hochqualifizierten behandelt werden und andere Themen wie Kettenwanderungen und soziale Netze, Suburbanisierung oder innerstädtische Wanderungen in Entwicklungsländern in erweiterter Form dargestellt sind. Entsprechende Erweiterungen gibt es auch in den übrigen Kapiteln, z.B. beim Verhältnis zwischen Fertilität und Heiratsverhalten oder bei den Ausführungen über Counterurbanization und Reurbanisierung, die nun unter den übergreifenden Modellansatz der Differential Urbanization von GEYER und KONTULY eingeordnet werden.
Bei der notwendigen Kürzung anderer Textpassagen sind an wenigen Stellen durch Auslassung Unklarheiten geschaffen worden. So ist die Definition der COALEschen Indizes der Fertilität und der Heiratshäufigkeit gestrichen, geblieben ist aber eine zusammenfassende Gleichung, die jedoch nun keineswegs mehr "einfach nachvollziehbar" (S. 161) ist. Merkwürdig bleibt, dass der zweite demographische Übergang (S. 203) vor dem ersten (S. 219ff.) abgehandelt wird, ohne dass im letztgenannten Unterkapitel auf den zweiten Übergang verwiesen wird. Bisweilen gibt es bei der Feinabstimmung zwischen den allgemeinen und den raumbezogenen Abschnitten Koordinationsprobleme. So ist das Diffusionsmodell des Fertilitätsrückgangs von WOODS zweimal dargestellt (S. 192, 207), aber mit vertauschter x-Achse (schon in 3. Auflage). Allgemein kann man sich fragen, inwiefern die konsequente Gliederung der Beispiele nach Maßstabsebenen im Zeitalter der Globalisierung, in dem sich lokale und globale Prozesse verschränken, noch angemessen ist. In pragmatischer Hinsicht lässt sich dieser Aufbau gleichwohl rechtfertigen.
Auch wenn wenige, kleinere Unstimmigkeiten übrig geblieben sind, ist der Text mit großer Sorgfalt überarbeitet und aktualisiert worden, so dass das ausgezeichnete Studienbuch weiterhin uneingeschränkt empfohlen werden kann.
Autor: Franz-Josef Kemper

Quelle: Erdkunde, 60. Jahrgang, 2006, Heft 1, S. 71