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Kategorie: Rezensionen

Manfred Schulz (Hg.): Entwicklungsträger in der DR Kongo. Entwicklungen in Politik, Wirtschaft, Religion, Zivilgesellschaft und Kultur. Berlin 2008. 754 S.

Gute Bücher über den Kongo sind selten. Zu spärlich sind belastbare Informationen, zu langlebig Stereotype, welche die Wahrnehmung des Landes negativ vorbelasten. Das von Manfred Schulz herausgegebene Sammelwerk bildet hier eine rühmliche Ausnahme. Der Band setzt sich aus  verschiedenen Beiträgen von Autoren aus unterschiedlichen Disziplinen, Tätigkeitsfeldern und Herkunftsländern zusammen, wodurch er nicht nur multidisziplinär, sondern auch ausgesprochen spannend und perspektivenreich wird.

Der besondere Wert des Werkes drückt sich in zwei Hauptmerkmalen aus: Zum einen handelt es sich um  überwiegend aktuelle bis aktuellste Situationsanalysen der gegenwärtigen Lebenssituationen in der Demokratischen Republik Kongo und zum anderen trägt gerade die Zusammensetzung der heterogenen Autorenschaft mit der Verbindung von Beiträgen aus Wissenschaft und angewandter Entwicklungspraxis zu einem ausgesprochen kompetenten Gesamtbild bei.
Der Band ist in insgesamt fünf Hauptkapitel untergliedert. Am Anfang steht eine aktuelle Situationsanalyse, deren Schwerpunkt unter dem Motto „Quo vadis, Kongo?“ auf der Darstellung des Ressourcenreichtums des Landes liegt. Im zweiten Kapitel werden die Entwicklungen in den Funktionsbereichen Politik, Wirtschaft, Religion, Zivilgesellschaft und Kultur behandelt. In diesem Abschnitt kommt die Qualität des breit gefächerten Perspektivenwechsels besonders deutlich zum Tragen, da durchaus nicht alle Autoren immer zu den gleichen Analyseergebnissen kommen. Diese Heterogenität der Meinungen ist – insbesondere im politischen Bereich – durchaus so gewollt und vom Herausgeber intendiert.
Konzeptuelle entwicklungspolitische Ansätze werden im dritten Abschnitt thematisiert und einer kompetenten Diskussion über profundes Hintergrundwissen zugeführt. So dass insgesamt der an Kongo-Themen interessierte in Zukunft weniger auf unseriöse Machwerke angewiesen ist, wie z. B. die des selbsternannten Kongokenners und Medienscharlatans, Peter Scholl-Latour („Mord am großen Fluß“ und „Afrikanische Totenklage“), der schon früh mit der Verbreitung zweifelhafter Halbwahrheiten über den Kongo zum Zwecke der eigenen Selbstdarstellung begann und damit genau in das Bild passt, welches Salua Nour am Anfang des Einleitungskapitels des anzuzeigenden Werkes gibt, indem er den Kongo als ein Land beschreibt, das fast ausschließlich mit Hilfe von Stereotypen wahrgenommen zu werden scheint. Verantwortungslose Journalisten sind daran ganz wesentlich beteiligt. So hatte schon Scholl-Latour über die damaligen sog. Kongo-Wirren berichten wollen, war aber nur bis Bukavu im Osten kurz hinter der ruandisch-zairischen Grenze gelangt, wo sich in Erwartung der aus Katanga heranrückenden Rebellen die dort ansässigen Shi (auch Bashi) in Ermangelung besserer Waffen mit Bögen und Speeren bewaffneten. Zum Teil in traditionelle Kleidung aus Fellen gehüllt, boten die Shi einen martialischen Anblick. Dieser veranlasste Scholl-Latour dazu, von den Shi noch schnell ein Foto zu schießen und sich dann ins sichere Ruanda abzusetzen. In Europa verbreitete er in Fernsehnachrichten dieses Bild von den Shi als eine Aufnahme der Simba-Rebellen (von denen er nie einen zu Gesicht bekommen hatte) und war sich sicher, dass – ob der Wirren und der weiten Entfernung – den Schwindel niemand bemerken würde. Zur Ironie der Kongogeschichte gehört, dass sich etwa gleichzeitig die Shi bei der Verteidigung von Bukavu in Kämpfen gegen die Rebellen aufopferten (auch um den über den Kivu-See evakuierten Europäern den Rückweg zu decken) und ausgerechnet Fotos von ihnen als  Darstellungen wilder, ungezähmter Rebellen in Europa vermarktet wurden. Der Sammelband trägt dazu bei, dass solche Fehltritte zukünftig nur noch schwer verborgen bleiben dürften.

Das vierte Kapitel bietet Perspektiven künftiger politischer Entwicklungen der Demokratischen Republik Kongo vor dem Hintergrund von Berichten und Analysen der letzten Wahlen. Dabei gibt der Beitrag von Iseewanga Indongo-Imbanda einen knappen aber besonders treffenden Ausblick auf die Rolle von Regierung und Opposition.


Der letzte Abschnitt des Sammelbandes widmet sich der Darstellung der deutschen  Entwicklungspolitik. Auch darin stehen sich unterschiedliche Kongo-Konzepte gegenüber, die von verschiedenen Mandatsträgern vorgestellt werden. Der Dialogcharakter des Sammelbandes wird besonders in diesem Abschnitt deutlich. Insgesamt kommen 51 Autoren, darunter 15 Kongolesen, auf über 750 Seiten zu Wort, laden zu einem kompetenten Diskurs über die Entwicklungschancen des Kongo ein und machen damit den Sammelband zu einem Werk, das in keiner Afrikabibliothek fehlen sollte.
Andreas Dittmann

 

Quelle: Erdkunde, 63. Jahrgang, 2009, Heft 3, S. 394-395

 

Das Buch von Manfred Schulz wird auch von Theo Rauch besprochen.