Rita Schäfer: Frauen und Kriege in Afrika: Ein Beitrag zur Genderforschung. Frankfurt am Main 2008. 520 S.
Angesichts der fortdauernden Bürgerkriege in Afrika ist es ein verdienstvolles Anliegen der Autorin, aus der Sicht der Genderforschung die multiplen Bedeutungsdimensionen von Befreiungs- und Bürgerkriegen speziell für Frauen zu beleuchten. Die weitgehende "Unsichtbarkeit der Frau" fällt auch bei neueren Forschungsarbeiten zum Thema "Neue Kriege" und "Gewaltökonomien in Afrika" ins Auge. Hier füllt das vorliegende umfangreiche Werk eine markante Lücke. Das Buch ist in zwei Teile untergliedert. Im ersten Teil geht es um die Rolle von Frauen und Mädchen sowie die Folgen ihrer Beteiligung am antikolonialen Widerstand in den Ländern des südlichen Afrika. In den Teilen 2 - 4 liegt der Schwerpunkt auf den jüngsten Bürgerkriegen in West-, Zentral- und Nordost-Afrika. Thematisiert werden die unterschiedlichen Rollen von Männern und Frauen sowohl als Kombattantinnen als auch als Gewaltopfer und Flüchtlinge.
Ein besonderer Fokus liegt auf den teilweise grauenhaften Umständen und Hintergründen, die Frauen zu Kriegsopfern und Witwen machen. Den Länderfallstudien ist eine Einleitung (7-11) vorangestellt, in der unter anderem die Gender-Kategorie, verstanden als analytischer Schlüssel für die Fallstudien, präsentiert wird. Diese theoretische Einleitung umfasst sehr knapp nur gut eine Seite (!) und muss als aperçu, bestehend aus aneinander gereihten Schlagworten, bezeichnet werden. Vieles bleibt unausgesprochen und schemenhaft.
Aus ethnologischer Perspektive - und die Autorin ist hier vom Fach - vermisst der Leser eine kurze Reflexion über Unterschiede der Rolle von Frauen in den Sozialsystemen nichtislamischer und islamischer Gesellschaften Subsahara-Afrikas. Viel ist in der "Einleitung" von "Maskulinitätskonzepten" die Rede, ohne dass dieser Begriff auch nur im Ansatz ernsthaft aufgearbeitet wird. Verwendet die Autorin diesen Begriff, müsste sie eigentlich nach Maßgabe der Genderforschung auch die Prinzipien und Konstrukte afrikanischer Feminität oder afrikanische Konzepte von Kindheit und Adoleszenz (Altersklassen, Männer- und Frauenbünde, rites de passages) ansprechen. Unklar ist die Bedeutung des doppelt adjektivischen Ausdrucks "gewaltgeprägtes maskulines Machthandeln". Ist maskulines Machthandeln etwa testosteronbedingt a priori "gewaltgeprägt"? Wodurch, durch welche Umstände, wird Machthandeln von Männern gewaltgeprägt? Spielen hinsichtlich gewaltgeprägtem Machthandeln nicht auch die politisch-ökonomischen Determinanten in Staaten und Gesellschaftssystemen eine Rolle, die am Rande ihrer volkswirtschaftlichen Existenzmöglichkeit als Folge globalisierungsbedingter Deformation und Marginalität leben? Zum Problem der fortdauernden politischen Deformation (Rentierstaaten, Selbstprivilegierungen durch die Staatsklasse) und zu den neuen Dependenzen Afrikas, immer stärker auch von der Supermacht China, findet man in der Einleitung kein Wort. Dies wäre zum kontextuellen Verständnis der anhaltenden afrikanischen Misere und der sozialen Deformationen wichtig.
Der Rezensent würde dem Werk mit dem Herausstellen allein der Fehlstellen in der Einleitung aber sicher nicht gerecht. Informativ und akribisch recherchiert sind eigentlich alle länderspezifischen Fallstudien zum Themenkomplex Gender und Bürgerkrieg. Mehr noch: Es gibt kaum ein neueres Buch, in dem so klar und komprimiert die jüngere Zeitgeschichte einzelner Krisenstaaten Afrikas dargestellt wurde. Vieles, was in der Einleitung unverständlich bleibt, wird dem Leser in den Länderstudien deutlich. So beispielsweise die Ausbreitung geschlechtsspezifischer Gewalt im gesellschaftlichen Chaos der Kriegs- und Nachkriegssituation von Liberia oder Sierra Leone und vieler ost- und südafrikanischer Staaten. Erschreckend ist als Kriegsfolge die Zunahme der Ökonomisierung sexueller und selbst partnerschaftlicher Beziehungen. Gerade Kombattantinnen und Kämpferinnen von Bürgerkriegsparteien mussten vielfach eine verabscheuungswürdige Kommodifizierung ihres Körpers in den Schreckensregimen der Warlords und ihren Söldnern erfahren oder gerieten gewollt oder ungewollt nicht selten in die Rolle skurriler hochsexualisierter Leibgarden von brutalisierten Kriegsherren. Es ist das Verdienst der Autorin, eine Vielzahl von im deutschen Sprachraum bislang unbekannter Quellen von kanadischen und afrikanischen Forscherinnen ausgewertet zu haben, die einen neuen Blick auf die tiefen sozialen Verwerfungen und psychischen Traumata ermöglichen, die die blutigen Kriege in Afrika gerade bei Frauen und Mädchen hinterlassen haben. Das 520 Seiten Umfassende Werk, das über fast alle Krisenherde Afrikas berichtet, ist somit auch als Kompendium und Nachschlagewerk geeignet.
Autor: Thomas Krings