Christian Kohrs: Einflussfaktoren und Erfolgsbedingungen demokratischer Konsolidierungsprozesse im subsaharischen Afrika. Eine kritische Literaturanalyse. Heidelberg: Books on African Studies 2014. 660 S.


Bei der vorliegenden Veröffentlichung handelt es sich um die Dissertation des Autors. Ihr Ausgangspunkt ist die These, dass der Themenkomplex der demokratischen Konsolidierung in den letzten zwei Jahrzehnten in den internationalen politikwissenschaftlichen Diskussionen vernachlässigt wurde. Es erscheint in der Argumentation der Studie einleuchtend, das Vier-Ebenen-Modell von Wolfgang Merkel, welches auf der Konzeption von Juan J. Linz & Alfred Stepan aufbaut, zum theoretischen Ausgangspunkt zu nehmen. Das Modell vermittelt über die vier Ebenen demokratischer Konsolidierungen schon zum überwiegenden Teil die Teilregimes und Einflussfaktoren, die beim derzeitigen wissenschaftlichen Stand wohl als wesentlich erachtet werden können. Die Intention der Arbeit ist es aber nicht, lediglich die Konzeption von Merkel auf den afrikanischen Kontext zu übertragen, sondern eine kritische Diskussion darüber zu führen, ob dieses Konzept auf den Kontinent übertragbar ist bzw. wie es ggf. modifiziert werden muss. Dies trifft nach Auffassung des Autors insbesondere auf unseren Nachbarkontinent Afrika zu. Seit Beginn der letzten großen Demokratisierungsphase im subsaharischen Afrika Ende der 1980er Jahre waren nach einer kurzen Phase der Euphorie über ihr Tempo und ihr Ausmaß zunehmend skeptische Stimmen zu vernehmen, die auf die Defizite der demokratischen Regimes oder das Ausbleiben einer weitergehenden Demokratisierung hingewiesen haben. Allerdings habe sich auch erst in den letzten Jahren ein Kreis von acht bis zehn Staaten im subsaharischen Afrika herauskristallisiert, für den eine legitime Diskussion ihrer demokratischen Niveaus, im Sinne der internationalen Konsolidierungsdefinitionen, sinnvoll erscheine. Eine solchermaßen notwendige Diskussion, so die These des Autors, ist bisher aber nur unzureichend und zu unstrukturiert geführt worden.

Ziel und Leistung des Buches ist es eindeutig, das zuvor angedeutete Defizit der internationalen Konsolidierungsforschung zu relativieren. Anhand einer kritischen Analyse der rezenten Literatur zum Thema versucht Christian Kohrs, ein für den afrikanischen Kontext angemessenes Konsolidierungsverständnis zu entwickeln. Als größter Erkenntnisgewinn ist folglich anzusehen, dass der Autor Merkels Modell einer kritischen Revision unterzieht, um es den Strukturmerkmalen afrikanischer Politikgestaltungen anzupassen und es auf diese Weise empirisch gewinnbringend anwenden zu können.

Kohrs untermauert seine Argumentation über das demokratische Niveau der afrikanischen Staaten durch die Daten dreier Indizes: Freedom House, Bertelsmann Transformation Index und Afrobarometer. Er kommt so zu begründeten Annahmen über das Konsolidierungsniveau der folgenden acht Staaten im subsaharischen Afrika: Mauritius, Botswana, Ghana, die Kapverden, Südafrika, Namibia, Benin sowie São Tomé und Príncipe. Der Ansatz ist in seiner Differenziertheit sicherlich der bisher am meisten versprechende Versuch einer qualitativen Erfassung und Bewertung der subsaharischen Konsolidierungsprozesse. Denn um Afrika und die „neuen“ Demokratien generell in die Konzeptionen von Konsolidierung zu integrieren, bemüht sich Kohrs, Konsolidierung in ein Dreiphasenmodell zu unterteilen: Eine erste Phase der Etablierung; eine zweite der Intensivierung und eine dritte der Persistenz. So ist es möglich, die sogenannten „neuen Demokratien“ in die internationale Konsolidierungsdiskussion zu integrieren. Dabei gelten Kohrs Mauritius, Botswana, Ghana und die Kapverden als sich intensivierende Demokratien; Südafrika, Namibia, Benin sowie São Tomé und Príncipe verortet er zwischen defekter und sich konsolidierender Demokratie.

Kohrs diskutiert im Anschluss die als wesentlich erachteten Teilregimes demokratischer Konsolidierung bezogen auf Afrika. Er unternimmt dies anhand von sechs strukturierenden Ebenen: den Prerequisiten oder Vorabbedingungen, der konstitutionellen Ebene, der repräsentativen Ebene, der Verhaltenskonsolidierung, der Konsolidierung der Bürgergesellschaft und den externen Konsolidierungseinflüssen. Dieser die Studie dominierende Teil zeigt zum einen deutlich ihre Relevanz und ihr Erkenntnispotenzial. Gleichzeitig wird hier aber auch ein intrinsisches Defizit deutlich. Denn Kohrs diskutiert die relevante afrikabezogene Literatur zwar sehr detailliert und treffend, aber es ist ihm nicht möglich, die acht Staaten exakter zu untersuchen bzw. eigene empirische Forschungen zur argumentativen Untermauerung seiner Thesen heranzuziehen.

Als Fazit lässt sich konstatieren, dass das Buch sprachlich ansprechend formuliert und für alle Afrikainteressierten lesenswert ist.

Die wesentliche Leistung der Arbeit liegt darin, die Thematik demokratischer Konsolidierung zu revitalisieren und stimulieren. Das Bild von Afrika als Kontinent der Despoten und gescheiterten Demokratien erscheint nach der Lektüre als einseitig und verzerrt. Es bedarf jedoch weiterer Forschungen, um den Erfolgsbedingungen demokratischer Konsolidierungsprozesse auf den Grund zu gehen. Dies ist gerade für die internationale Entwicklungszusammenarbeit und Demokratiehilfe von Bedeutung, da nur in sich konsolidierenden Demokratien weitergehende Entwicklungsprozesse zu erwarten sind, sowohl ökonomischer, kultureller wie gesellschaftlicher Natur.
Hanno Schombacher

PERIPHERIE Nr. 140, 35. Jg. 2015, S. 523-524

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