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Grenzziehungen städtischer Nachbarschaften in Siena1
Kurzdarstellung:
In aktuellen Debatten um städtische Vielfalt liegt der Diskussionsfokus auf Prozessen der Grenzziehung zwischen Personengruppen, die sich über Merkmale, wie beispielsweise Herkunft oder ökonomische Indikatoren, voneinander differenzieren. Nachbarschaften, die aus gemeinsamen Aktivitäten wie Festen entstehen, bleiben unberücksichtigt. Der Artikel zeigt, dass sich eine kulturgeographische Perspektive auf Spiele und Feste für die Erforschung von Grenzziehungsprozessen städtischer Nachbarschaften anbietet.
Ausgehend vom Konzept „tiefes Spiel“ von Clifford Geertz (1973/1983b) wird am Beispiel der Stadtnachbarschaften Sienas gezeigt, dass innerhalb der Festlichkeiten um ein jährlich stattfindendes Pferderennen, den sogenannten Palio, herum, die Gemeinschaftsgrenzen der Nachbarschaften in verschieden Dimensionen – sozial, kulturell, emotional und materiell – dargestellt und verhandelt werden. Diese Dimensionen werden durch Repräsentationen während der Festlichkeiten miteinander verschränkt. Die Repräsentationen sind dabei als performative Praktiken der Herstellung kollektiver Identitäten zu verstehen, die zu spezifischen Organisationsmustern der Stadt führen. Das Konzept „tiefes Spiel“ stellt für die Geographie das Analysewerkzeug bereit, mit dem die multidimensionalen Prozesse der Grenzziehung erforscht werden können. Die Ausführungen basieren auf Interviews und Beobachtungen, die während Aufenthalten in Siena 2014 und 2015 gemacht wurden.
Weiterlesen: Tobias Boos: Das „tiefe Spiel“ und städtische Vielfalt
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Wolfgang Aschauer: Theorie und Elend
Anmerkungen zu:
[1] Pascal Goeke, Roland Lippuner, Johannes Wirths (Hg.) 2015: Konstruktion und Kontrolle. Zur Raumordnung sozialer Systeme. Wiesbaden: Springer. 347 S.
[2] Helmut Klüter 2014: Konstruktionen ohne Kontrolle?
[3] Roland Lippuner, Johannes Wirths und Pascal Goeke 2015: Das Anthropozän – eine epistemische Herausforderung für die spätmoderne Sozialgeographie
Eigentlich sollte ich enttäuscht sein. Üblicherweise resultieren Enttäuschungen aus Erwartungen, die sich nicht erfüllen (etwa: zu geringe Gehaltserhöhung, gebrochene Wahlversprechen, schlechter Sex usw.); manchmal treten Enttäuschungen aber auch dann auf, wenn man sich eines Sachverhalts sehr sicher ist, dann aber lernen muss, dass dieser offensichtlich nicht zutrifft. So ging es mir zunächst auch bei der Lektüre des vorliegenden Sammelbandes [1], weil er mir mitzuteilen schien, dass der Kernbestand dessen, was ich an der Systemtheorie Luhmannscher Prägung verstanden zu haben glaubte, unsinnig und unzeitgemäß ist. Es ist auf alle Fälle nicht zu übersehen, dass die Stellungnahme der Herausgeber [3] den (vorläufigen) Endpunkt einer Diskursverschiebung markiert, die für mich so nicht absehbar war.
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Stadtfotografie und Partizipation
Interview mit Martin Kohler, HafenCity Universität Hamburg
raumnachrichten.de: Herr Kohler, Sie arbeiten seit Jahren im Bereich Stadtplanung an der HafenCity Universität Hamburg und sind dort Dozent für Stadtfotografie. Können Sie uns beschreiben was das ist: Stadtfotografie? Womit beschäftigt sie sich, welchen Stellenwert nimmt sie in Städtebau und Quartiersplanung ein?
Die Stadtfotografie ist viel weniger eindeutig definiert als bspw. Architekturfotografie. Tatsächlich ist es stilistisch ein hybrides Feld, welches Mittel und Arbeitsweisen aus unterschiedlichen fotografischen Genres nutzt, hauptsächlich aus Architekturfotografie, Streetphotographie und dem Bildjournalismus. Im Mittelpunkt steht die Darstellung einer Stadt oder eines Teils von Stadt als sozial-räumliches System. Also als holistische Einheit aus Menschen und Räumen. Dies beinhaltet das Straßenleben, Rituale und Bedeutungszuschreibungen genauso wie Gebäude, Parks und Straßenräume dazugehören um eine Stadt im Sinne eines Portraits darzustellen.
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Ein Essay über gesellschaftliche Differenzierung, Entwicklungspotenziale und erstaunliche Bildungsblockaden
Summary
This essay takes the opportunity of the authors’ experiences of otherness and ruptures in the expectancy of normality to analyse the primary societal differentiation and the practices of societal causation in Carinthia, inspired by social geographical interest and a system theoretical perspective.
Zusammenfassung
Das Essay nimmt Fremdheitserfahrungen und Normalitätsbrüche der aus beruflichen Gründen nach Kärnten zugereisten Autorin zum Anlass und beobachtet sozialgeographisch interessiert und systemtheoretisch informiert die Form der primären gesellschaftlichen Differenzierung sowie die Praxis der gesellschaftlichen Kausalität in Österreichs südlichstem Bundesland.
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Roland Lippuner, Johannes Wirths und Pascal Goeke: Das Anthropozän - eine epistemische Herausforderung für die spätmoderne Sozialgeographie
1 Konstruktion und Kontrolle von Grenzen
Für unterscheidungsabhängige Beobachter sind Grenzziehungen essenziell. Sie sind zum Beispiel Bedingungen für die Möglichkeit des Denkens und Imaginierens und damit zugleich Bedingungen dafür, die beim Denken und Imaginieren entstehenden Objekte und die korrespondierenden Subjekte zueinander in Beziehung zu setzen oder solche Beziehungen wieder aufzulösen. So betrachtet wirken Grenzen nicht nur begrenzend, sondern auch als Grundlage für kognitive und emotionale Freiheiten. Grenzziehungen eröffnen Spielräume in denen Möglichkeiten erprobt und ergriffen werden können. All dies bedeutet, dass es bei Grenzziehungen um Konstruktionen geht, die kollektiv wie individuell Arbeit erfordern. Bedenkt man zudem, dass jede Grenzveränderung eine Umweltveränderung für andere bedeutet und diese vielen anderen ihrerseits auf Variationsmöglichkeiten und Freiheitsgrade achten, dann ist Grenzarbeit ein unendlicher und offener Prozess, bei dem es immer auch um Versuche der selektiven Passung zu anderen und um Kontrolle geht.
Weiterlesen: Roland Lippuner, Johannes Wirths und Pascal Goeke: Das Anthropozän
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Helmut Klüter: Konstruktionen ohne Kontrolle?
Rezension über:
Pascal Goeke, Roland Lippuner, Johannes Wirths (Hg.): Konstruktion und Kontrolle. Zur Raumordnung sozialer Systeme. Wiesbaden 2015.
Umfassende Sammelbände zur geographischen Theorie sind so selten geworden, dass hin und wieder die Nachbarwissenschaften in die Bresche springen (z.B. Döring, Thielmann 2008, 2009) – mit teilweise recht eigenartigen Ergebnissen. Daher ist es äußerst verdienstvoll, dass Pascal Goeke, Roland Lippuner und Johannes Wirths einige Ergebnisse des Netzwerks „Systemtheoretische Geographie“ gesammelt und publiziert haben.
Der Titel „Konstruktion und Kontrolle – Zur Raumordnung sozialer Systeme“ weckt die Erwartung, es ginge in diesem Buch um eine Umsetzung systemtheoretischer Leitlinien für Sozialgeographie. Doch schon die von Goeke, Lippuner und Wirths verfasste Danksagung (S. 5-6) verkündet eine andere Richtung: „Der Verlauf dieser Bewegung, die so nicht geplant war, wird nun im Rückblick deutlich. Er ist vielleicht am besten als Loslösung von der Idee einer Geographie sozialer Systeme und als Hinwendung zu einer allgemeinen Ökologie der Gesellschaft zu beschreiben.“(GLW, S. 5) Das wird zum Motto der von denselben Autoren verfassten Einleitung „Von der Geographie sozialer Systeme zu einer allgemeinen Ökologie der Gesellschaft.“ (GLW, S. 9-22)
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Werner Bätzing: Diskussionsbeitrag zum Forschungsprojekt von Philipp Aufenvenne und Malte Steinbrink und zur „Einheit der Geographie“
1 Zur normativen Position dieses Kommentars
Da es nicht möglich bzw. wenig sinnvoll ist, über die Einheit der Geographie wertneutral zu diskutieren, soll zu Beginn die normative Position dieses Kommentars offengelegt werden.
Im Gegensatz zu den allermeisten Geographen meiner Generation (Jahrgang 1949) wurde ich nicht im Geographiestudium automatisch von innen heraus mit der Frage der Einheit der Geographie konfrontiert, sondern ich habe im vorgerückten Alter das Fach Geographie explizit wegen seiner Brückenfunktion für die mir wichtige Alpenforschung gewählt, bin also von außen auf die Geographie gestoßen. In meiner gesamten beruflichen Tätigkeit als Geograph habe ich mich für die Einheit der Geographie engagiert und diese auch wissenschaftlich reflektiert (Bätzing 1991, 2000, 2011), und im Artikel von Aufenvenne/Steinbrink werde ich als der Humangeograph genannt, der von der Physischen Geographie am häufigsten zitiert wird (2014, S. 38-39).