Simone Rettberg: Das Risiko der Afar. Existenzsicherung äthiopischer Nomaden im Kontext von Hungerkrisen, Konflikten und Entwicklungsinterventionen. Saarbrücken (Studien zur Geographischen Entwicklungsforschung 35) 2009. 317. S.

Das Werk behandelt die Lebensbedingungen und die Entwicklung von Handlungsstrategien im
Umgang mit krisenhaften Veränderungen in der Lebenswelt der Afar im ariden bis semi-ariden Tieland Nordost-Äthiopiens.

Die Lebenswelt der Afrar-Region ist unterschiedlichen, in Wirkungsweise und Intensität stets wechselnden Einlussfaktoren ausgesetzt, wobei Naturgefahren, inneren Konlikten und externen Interventionen eine zentrale Bedeutung zukommt. Afar leben heute in den Staaten Äthiopien, Eritrea sowie Dschibuti und bilden in allen drei Ländern ethnische Minderheiten. Das wirtschaftliche Wohlergehen der überwiegend nomadischen Afar (85%) in Äthiopien wird im Wesentlichen bestimmt durch die Verfügbarkeit und den Zugang zu Weiden und Wasser. Seit Mitte der 80er Jahre haben Dürren und  konliktbedingte Restriktionen der traditionellen Wanderrouten zu irreversiblen Degradationen der Lebensgrundlagen der Afar geführt. Durch die Abtrennung Eritreas von Äthiopien und den Konlikt mit somalischen Bevölkerungsgruppen wurde ihre Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt. Dabei kommt dem traditionellen Konlikt der Afar mit ihrem somalischen Nachbarvolk, den Issa, mittlerweile nur noch eine untergeordnete Rolle im Vergleich zu den Auseinandersetzungen mit dem äthiopischen Staat zu. Die Autorin macht auf beeindruckende Weise klar, dass dort, wo tragfähige Strategien des Umgangs mit  Naturkatastrophen sowie internen und externen Konlikten entwickelt wurden, teilweise im Ansatz eigentlich wohl gemeinte Entwicklungsprojekte ihrerseits zum Desaster wurden und die Situation der Afrar nachhaltig verschlechterten. Die Ergebnisindung auf unterschiedlichen Maßstabsebenen belegt die Autorin mit umfangreichem Primärdatenmaterial und einem ausführlichen Interviewdokumentationsanhang. Reichhaltige Übersichts- und Detailkarten runden den kompetenten Gesamteindruck des Afar- Buches ab. Das Werk gehört – um dies deutlich zu betonen – zum Besten, was in den letzten Jahren an Monographien über Äthiopien produziert wurde. Dabei drückt sich der Wert des Afar-Werkes vor allem in seiner gelungenen Verknüpfung aktueller wissenschaftstheoretischer Ansätze mit sorgfältig vor Ort  recherchierten Feldforschungsergebnissen aus, die durch eine beeindruckende  Detailgenauigkeit und Regionalkompetenz charakterisiert sind. Neben dem klar zu prognostizierenden Langzeitwert als Lokalstudie und richtungweisendes Werk im Schnittfeld zwischen geographischer Entwicklungsforschung und angewandter Entwicklungszusammenarbeit liegt der Wert des Afar-Werkes vor allem auch in seinem konzeptionellen Vorbildcharakter, der es zur Richtschnur für vergleichbare Anliegen anderer Arbeiten werden lässt.
Andreas Dittmann

 

Quelle: Erdkunde, 63. Jahrgang, 2009, Heft 3, S. 283-284