Theo Rauch: Entwicklungspolitik. Braunschweig 2009. 383 S.

Über Konzepte und Maßnahmen der internationalen Entwicklungspolitik wird seit ihrem Beginn in den 50er Jahren gestritten. Während Kritiker sie als korrumpierend verwerfen und sie möglichst abschaffen wollen, fordern Befürworter, die Entwicklungshilfe kräftig aufzustocken. Wie schon mehrmals in den vergangenen Jahrzehnten ist die Entwicklungspolitik in jüngster Zeit dabei, sich erneut zu reformieren - diese Mal begründet durch die zunehmende Globalisierung und den Klimawandel.

Der Autor (Jg. 1945) hat über vier Jahrzehnte wie kaum ein anderer die Gestaltung und Umsetzung von Entwicklungspolitik kritisch verfolgt und kommentiert sowie als Entwicklungshelfer und Regierungsberater aktiv in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) mitgewirkt. Als Ergebnis seiner langjährigen theoretischen Überlegungen und praktischen Erfahrungen plädiert er in dem vorliegenden Buch für eine verstärkte Professionalisierung der Entwicklungspolitik, wozu er die erforderlichen analytischen, strategischen und methodischen Grundlagen beisteuert. Der Fokus liegt ganz bewusst auf der (theoriegeleiteten) Praxis, d.h. auf der Umsetzbarkeit und der Wirksamkeit von Strategien und Instrumenten unter verschiedenen wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und politischen Rahmenbedingungen.
Das Buch besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil geht es dem Autor darum, ein Grundverständnis für die aktuelle Entwicklungszusammenarbeit zu entwickeln, d.h. a) hinter der EZ stehende Ziele bzw. Interessen zu analysieren (Kap. 1), b) die Formen der deutschen EZ zu beschrieben (Kap. 2), c) über Umfang und Verteilung der bereitgestellten Mittel zu informieren (Kap. 3), d) einen historischen Überblick über fünf Jahrzehnte EZ zu liefern (Kap. 5), sowie e) die kontroversen Debatten und die damit verbundenen Wandlungsprozesse zu interpretieren (Kap.6).
Im zweiten Teil geht es um die Frage, wie nach alle den Erfahrungen der Vergangenheit eine erfolgreiche Entwicklungspolitik in einer modernen globalisierten Welt aussehen sollte. Der Autor vertritt mit Nachdruck einen "multidimensionalen Mehr-Ebenen-Ansatz" und begründet dies in Kap. 7. Folgerichtig sind die vier folgenden Kapitel jeweils einer von vier Dimensionen von Entwicklung gewidmet, nämlich erstens der ökonomischen Dimension mit der Kernfrage, wie Armut überwunden werden kann (Kap. 8), zweitens der ökologischen Dimension, wie dies mit nachhaltiger Ressourcennutzung zu kombinieren sei (Kap. 9), drittens der politisch-institutionellen Dimension mit dem Problem der Beeinflussung von Machtverhältnissen (Kap. 10), und viertens der sozialen Dimension mit der Forderung nach Stärkung von Fähigkeiten zu gemeinsamem Handeln (Kap. 11). Für jede der genannten Dimensionen bietet der Autor eine einleitende Darstellung und theoretische Einordnung des Problems, gefolgt von einer Übersicht über mögliche Strategien und einem Angebot an Instrumenten zur Umsetzung - das Ganze nochmals differenziert nach unterschiedlichen politischen Handlungsebenen (globaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene) und veranschaulicht durch Fallbeispiele aus der Praxis.
Das Buch besticht durch eine wunderbar klare Struktur, eine bewundernswert gründliche Recherche, eine erfreulich ausgewogene "überparteiliche" Sichtweise und (besonders lobenswert!) die sehr gute Allgemeinverständlichkeit. Aus jeder Zeile spricht die vieljährige Erfahrung des Autors. Das Werk richtet sich insbesondere an Studierende und Fachleute, die eine Tätigkeit in der Entwicklungshilfe anstreben oder bereits ausüben, und solchen, die sich an Schulen, Universitäten, in der Öffentlichkeitsarbeit oder in der Politik mit entwicklungspolitischen Fragen auseinandersetzen. Aber auch allen anderen, die sich für Entwicklungspolitik interessieren, ist die Lektüre nachdrücklich zu empfehlen.
Ulrich Scholz

Quelle: Erdkunde, 64. Jahrgang, 2010, Heft 1, S. 88