Global City Frankfurt - Wem gehört die Stadt?
AK Kritische Geographie (Hg.): Wem gehört Frankfurt? Dokumentation des aktionistischen Kongresses vom März 2012, organisiert aus dem "Wem gehört die Stadt?"-Netzwerk, Frankfurt/M. (= Forum Humangeographie 9) 2012.
Online verfügbar unter:http://www.neuordnungen.info/2012/09/17/neuerscheinung-wem-gehort-frankfurt/.
Die Verschärfung sozialer Ungleichheiten, eine zunehmende Postdemokratisierung der lokalen Politik und eine Ökonomisierung der Stadtentwicklung sind drei Stränge neoliberaler Stadtentwicklung, deren Auswirkungen sich anhand einer Frage erfassen lassen: "Wem gehört die Stadt?" Um diesen Entwicklungen in Frankfurt nachzuspüren und sie gleichermaßen in einen übergreifenden Kontext neoliberaler Stadtentwicklung einzuordnen, fand im März 2012 der aktionistische Kongress "Wem gehört Frankfurt" statt. In der Reihe "Forum Humangeographie" ist im Oktober durch den "AK Kritische Geographie Frankfurt" eine Dokumentation des Kongresses herausgegeben worden.
Der Anspruch, "eine schlaglichtartige Analyse und Kritik urbanen Lebens in und um Frankfurt" zu entwerfen, wurde dabei auf schöne Art und Weise erfüllt. In Form einer thematischen Gliederung in die drei Teile: (I.) "Wem gehört die Stadt?", (II.) "Wem gehört Frankfurt" und (III.) "Wie weiter?", ist es gelungen, eine große Bandbreite zwischen (theoretischer) Analyse und (praktischer) Kritik auf lokaler wie überregionaler Maßstabsebene abzudecken. Die so entstandene Dokumentation führt beispielhaft in verschiedene aktuelle Konflikte und Konfliktsituationen in und um die Stadt Frankfurt ein. Darüber hinaus bietet sie viel Material und fundierte Analysen zu einigen überregionalen Tendenzen neoliberaler Stadtentwicklung - und ermöglicht es so, lokale Erfahrungen auf einer theoretischen wie praktischen Ebene mit den Erfahrungen aus anderen Kontexten vergleichbar zu machen. Auf diese Weise ist ein Band entstanden, der sich an wissenschaftlich Interessierte zu den Themen Neoliberalisierung und (soziale) Konflikte in urbanen Kontexten wendet, sowie an Aktivist_innen in "Recht-auf-Stadt"-Zusammenhängen, die ihre lokalen Erfahrungen mit denen aus anderen Städten vergleichen wollen - um so im besten Fall aus den verschiedenen Situationen und Möglichkeiten der Praxis zu lernen.
Unter den Autor_innen finden sich einige bekannte Namen kritisch-geographischer Stadtforschung, ebenso wie Aktivist_innen verschiedener Initiativen. Anregend ist die Bandbreite der Themen, die neben den "typischen" Recht-auf-Stadt-Themen Wohnraum und Mieten auch die Situation von Migrant_innen, die Frage nach den Arbeitsverhältnissen in der Stadt, die Verbindung von sozialen und ökologischen Fragen und den Diskurs um "Kreativität und Vielfalt" in den Blick nimmt. Eine nahezu ironische Anekdote stellen die Querelen der Stadt Frankfurt mit dem Standort der Frankfurter Börse dar, die deutlich machen, dass "städtische Eliten (...) es nicht in der Hand haben, dass und wie sich ihr 'Unternehmen Stadt' auf dem Weltmarkt schlägt, und zwar u.a. in dem Maße nicht, wie scheinbar ortsgebundene Unternehmen strategisch die Region gegen die Stadt nutzen, um auf dem Weltmarkt zu reüssieren (...)". Eine besonders erschreckendes Beispiel sind dagegen die Auseinandersetzungen um Arbeits- und Gewerkschaftsrechte beim Unternehmen "Maredo", bei der die prekäre Lage Lohnabhängiger deutlich wird, welche sich in der Verschneidung mit Diskriminierungsformen wie "Migrationshintergrund" noch verschärfen kann.
Anspruch des Readers ist es, neben der Analyse problematischer und konflikthafter Entwicklungen auch Möglichkeiten des "wie weiter" aufzuzeigen. Die in diesem Teil versammelten Beiträge sind durchaus spannend (lokales online-Zeitungsprojekt, gemeinschaftliches Wohnen, Vergleichsmieten und der Ansatz des "guten Lebens"), lassen aber mehr Fragen offen, als sie beantworten: inwiefern können diese Ansätze die - in den Analysen zumeist konstatierten - systemimmanenten Ursachen der Probleme überwinden? Stellt nicht z.B. gerade das Vergleichsmietensystem aktuell eine Form der Legitimierung marktangepasster Mieter dar? Inwieweit können gemeinschaftliche Wohnprojekte über ein (Halb-)Insel-Dasein im Kapitalismus eine (soziale) Veränderung bewirken, wo stoßen sie an Grenzen? Wären die unter "wie weiter" aufgeführten Beiträge nicht auch als Analysen des Bestehenden im Abschnitt "Wem gehört Frankfurt?" besser aufgehoben? Oder anders gefragt: könnten und sollten nicht auch grundlegendere Utopien (wieder-)angeeignet werden, um die neoliberale Stadt herauszufordern? Eine interessante Perspektive bietet dabei der, im Beitrag über gemeinschaftliches Wohnen genannte, "Leerstandsmelder", der vielleicht nicht nur zu einer "Leerstandsabgabe" zugunsten kommunaler Haushalte dienen könnte, sondern auch eine Plattform zur ganz praktischen Aneignung von (öffentlichen) Räumen darstellen kann.
Joscha Metzger
Quelle: Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 93, März 2013, S 219-220
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