Elisabeth Lichtenberger: Europa. Geographie, Geschichte, Wirtschaft, Politik. Darmstadt 2005. 360. S.
Kann man eine Länderkunde Europas in einem Band (360 S.) schreiben?
Wenn dies überhaupt gelingen kann, dann nur einer Autorin wie Elisabeth Lichtenberger. Konzeptionelle Kreativität, Konzentration auf das Wesentliche, klare Strukturierung, ein flüssiger Sprachstil - und dies alles auf der Grundlage hervorragender Regional- und Literaturkenntnis sind es, die die Autorin schon in früheren Büchern ausgezeichnet haben und die sie in diesem Band wieder inwertsetzen kann. Den Themen Natur, Geschichte, Teilung und Einigung, Wohlfahrt, Stadt, Agrarraum, Wirtschaft und Verkehr, Freizeit sind die Hauptkapitel gewidmet, eingerahmt von zwei Reflexionen: Was ist Europa? und: Quo vadis, Europa? Kurze Zusammenfassungen am Ende einiger Hauptkapitel, die üblichen Verzeichnisse, aber auch drei Register (topographisch, geowissenschaftlich, humanwissenschaftlich) erhöhen den Gebrauchswert des Bandes. Dass ganz Europa sich eben doch nicht auf 360 Seiten unterbringen lässt, merkt man erst am Ende der faszinierenden Lektüre: Das Kapitel "Natur und Gesellschaft" beinhaltet nur die Landesnatur, die im Titel versprochene "Geschichte" wird auf 30 Seiten als "historischer Sonderweg" zusammengefasst (vom Eingangskapitel, das ebenfalls z.T. historisch konzipiert ist, einmal abgesehen), von den europäischen Sprachen, Kulturen und eigentlich auch den Gesellschaften ist nicht die Rede, und schließlich kommt auch der Raum zu kurz: weder die großen Naturräume des Kontinents, noch die Kulturlandschaften werden im Text dargestellt. Diesen Part übernehmen die vielen Farbfotos, mit denen der Band überreich ausgestattet ist. Wären sie mit erklärenden Texten versehen worden, so wäre dies dem regionalen Interesse der Leser sicher entgegen gekommen. Diese Kritik wiegt freilich gering, wirft man den Mut und die Gesamtleistung der Autorin in die andere Waagschale. Nach der Fischer Länderkunde Europa (1978) liegt nun endlich auch in deutscher Sprache eine Länderkunde für Europa vor, die die Situation des Kontinents zu Beginn des 21. Jahrhunderts darstellt.
Autor: Axel Borsdorf