Jonas Rest: Grüner Kapitalismus? Klimawandel, globale Staatenkonkurrenz und die Verhinderung der Energiewende.  Wiesbaden (Reihe VS Research »Energiepolitik und Klimaschutz«) 2011. 252 S.

Kritisch soll die viel diskutierte These geprüft werden, ob sich im Zuge der gegenwärtigen Krise ein ›Grüner Kapitalismus‹ durchsetzen kann. Dieser umfasst insbesondere einen grundlegenden Umbau des weltweiten Energiesystems durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Auf Grundlage seiner Untersuchung der internationalen Klimapolitik und zentraler Kapitalgruppen und Staaten der Weltwirtschaft findet Verf. seine Gegenthese bestätigt, »dass die bisherigen politischen und ökonomischen Entwicklungen nicht darauf hindeuten, dass sich eine Transformation zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft abzeichnet« (15).

Die internationale Klimapolitik etwa erreicht die notwendigen Reduktionen von CO2-Emissionen nicht, da »die ›Klimakrise‹ in ihrer marktförmigen Bearbeitung ›prozessierbar‹ gemacht wird, ohne dass es zu einer materiellen Lösung, also effektiven Emissionsreduktionen, kommt« (196). Statt zentrale Problembereiche wie den Energiesektor zu adressieren, werde nur auf die flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls gesetzt.

Auch von Konzernen seien keine effektiven klimapolitischen Anstrengungen zu erwarten, weil zentrale Kapitalgruppen dafür weitgehenden Veränderungen unterzogen werden müssten. Besonders die mächtigen und stark konzentrierten Unternehmen der Energiewirtschaft tendierten aufgrund der großen Bestände an fixem Kapital und hoher Profite in ihren Strategien zu Pfadabhängigkeiten, die eine weitgehende Veränderung extrem unwahrscheinlich machten. Obwohl grüne Industrien, die von einer anspruchsvollen Klimapolitik profitieren, ökonomisch und politisch an Bedeutung gewinnen, seien sie im Vergleich zu den oben genannten Kapitalgruppen noch zu schwach und fragmentiert, um sich gegen diese durchzusetzen.

Die staatliche Energie- und Klimapolitik setzt ebenso wenig eine grüne Transformation durch. Zwar fördern alle Staaten massiv erneuerbare Energien, um ihre Energiequellen zu diversifizieren, stabile Energiepreise zu gewährleisten und vom wachsenden Weltmarkt für grüne Technologien zu profitieren. Allerdings arbeitet Verf. heraus, »dass die Beförderung kohlenstoffarmer Technologien und Branchen einhergeht mit der gleichzeitigen Verteidigung der eigenen fossilen Absatzmärkte und daher die Ausrichtung auf Emissionsreduktionen stets inkohärent zu bleiben droht« (186). Ferner bleibe der Kreis der Staaten, die von einer Konkurrenz um Green-Tech-Exporte profitieren können, notwendigerweise begrenzt.

Aufgrund der Beharrlichkeit der dargestellten Strukturen müssten soziale Bewegungen und progressive Nichtregierungsorganisationen eine sozial-ökologische Transformation durch die tiefgreifende Veränderung der gegenwärtigen Kräfteverhältnisse erstreiten. Weil dies mit einer Entmachtung zentraler Kapitalgruppen verbunden sein müsse, seien solche Prozesse nur als heftige gesellschaftliche Konflikte denkbar. – Verf. liefert einen unverzichtbaren Beitrag zur Debatte um einen grünen Kapitalismus, indem er systematisch nach empirischen Hinweisen auf eine Transformation zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft sucht. Mit umfangreichem Material belegt er seine These, dass die Etablierung eines grünen Kapitalismus unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen höchst unwahrscheinlich erscheint. Damit stellt Verf. manche voreiligen Einschätzungen auch aus den kritischen Gesellschaftswissenschaften in Frage.

Dennoch sind einige konzeptionelle und empirische Elemente der Studie kritisch zu diskutieren. So fällt Verf. entgegen seiner angestrebten Vermittlung von Akteurs- und Strukturebene tendenziell in eine Konzeption des Staats als Subjekt mit einheitlichem Interesse zurück, das nur von außen von gesellschaftlichen Kräften beeinflusst werden könne, statt systematisch den Staat als ein gesellschaftliches Verhältnis zu begreifen. Ferner ist seine Analyse der Beharrlichkeit gesellschaftlicher Strukturen relativ statisch und wenig offen für die Eigenlogik und Kontingenz von Akteurshandeln unter sich dynamisch verändernden politischen Bedingungen. Ereignisse wie Fukushima und die Vervielfachung von Energiekämpfen deuten auf wachsende Probleme und Widerstände gegen fossilistische Strategien. Zweifellos trifft Verf. mit der Persistenz der fossil-nuklearen Strukturen und der Ineffektivität der dominanten Klimapolitik zentrale Punkte. Doch zum einen müsste eine kritische Analyse des grünen Kapitalismus vor allem interessieren, welche Bedeutung ein solches Modell für die Erneuerung kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse haben könnte, gerade wenn die strukturellen Krisen nicht gelöst werden. Keinesfalls sollte ein grüner Kapitalismus mit der Lösung der ökologischen Krisen verwechselt werden. Zum anderen könnten in der von Verf. angeregten detaillierten Untersuchung einzelner Fälle, wie der deutschen Energiepolitik, durchaus qualitativ neue Entwicklungen in Richtung eines grünen Kapitalismus festgestellt werden, die unter Umständen eine übergreifende Wirkung entfalten könnten.
Hendrik Sander (Berlin)

Quelle: Das Argument, 54. Jahrgang, 2012, S. 295-296