Pascal Goeke: 4 zu 2 zu 1 – mehr Konsens als Dissens. Ein kurze und fast uneingeschränkte Zustimmung zur Replik von Felicitas Hillmann

Felicitas Hillmanns Replik auf meine Rezension suggeriert, ganz eindeutig ist das Argument nicht zu erkennen, mehr Dissens als meines Erachtens in der Sache begründet ist. Betrachtet man die sieben Absätze im Einzelnen, so besteht bei der ersten vier Absätzen letztlich Konsens, bei den Absätzen 5 und 6 sind zunächst die Aussagen genauer zu klären und besser aufeinander abzustimmen. Ist das getan, steht es höchstens unentschieden. Lediglich im letzten Absatz sind verschiedene Auffassungen zu erkennen. Es steht also 4 zu 2 zu 1 für Konsens – zu den Absätzen im Detail.

Die ersten vier Absätze der Replik berühren meine Rezension kaum. Gewiss, Hillmann bringt zunächst ihre eigenen Kriterien zur Geltung und rückt das Lehrbuch so in ein leicht differentes Licht: Sie betont die Kompassfunktion des Buches und stellt heraus, dass Migration und nicht Integration im Fokus steht. Das Buch leistet beides: Es orientiert und hat einen leichten Bias zum Thema Migration, das letztlich nicht ohne Inklusion- und Exklusionsverhältnisse gedacht werden kann. Die von mir verwendeten Bewertungskriterien weichen davon kaum ab und stülpen dem Lehrbuch auch keine ganz ungewöhnlichen Kriterien über. Zudem komme ich mit ihnen zu einer mehrheitlich positiven Bewertung. Zu den Themen der zwei folgenden Randnotizen – Aktualität der Flüchtlingsthematik (Abs. 3) und die Bevölkerungsgeographie im Nationalsozialismus (Abs. 4) – habe ich nichts geschrieben. In beiden Fällen hat Hillmann Recht.

Bleiben die Absätze 5, 6 und 7. Bezüglich Absatz 5 habe ich nur Kristevas und mit keinem Wort Bogdals Klassifizierung moniert. Und ich habe auch nicht die Person Kristeva gemeint, sondern ihren psychoanalytischen Beitrag. Hier würde ich noch immer sagen, dass das keine geisteswissenschaftliche Problematisierung ist, sondern eben eine psychoanalytische. Zu Elias/ Scotson sage ich gar nichts. Hätte ich etwas gesagt, so hätte ich das gelobt. In der Tat macht das Duo Inklusions- und Exklusionsprozesse eindrücklich verständlich und ihr Buch könnte mehr Beachtung finden. Ähnliche Passagen von Hillmann habe ich gelobt, weil in ihnen verschiedene Ansätze „bündig und der Sache vollkommen angemessen“ dargestellt werden. Erneut besteht also weniger Dissens als ich aus Hillmanns Zeilen herauszulesen meine.

Zu Absatz 6, der Erwähnung Essers. Ich kann Esser noch immer nicht finden. Die Abwesenheit fiel mir beim Lesen auf. Eine gezielte Suche verlief negativ: Weder ist im Literaturverzeichnis ein Text von ihm zu finden, noch ist er im Personenregister eingetragen. Es kann natürlich sein, dass ich ihn im Text überlesen habe, doch aktuell würde ich sagen, dass er nicht (gebührend) erwähnt wird. Hillmanns Begründung, dass er aufgrund einer fehlenden räumlichen Perspektive nicht behandelt wird, kann ich nur teilweise nachvollziehen. Müsste man dann nicht auch auf Elias/Scotson und andere verzichten? Gleiches gilt übrigens auch, wenn man das von Hillmann betonte Selektionskriterium Migration statt Integration zentral stellt. Und wenn das Buch ein Kompass sein soll, dann fehlt ohne die Beiträge Essers meines Erachtens eine Himmelsrichtung. Zu Bade, Hoerder und anderen sage ich nicht, dass sie nicht in das Lehrbuch gehören. Im Gegenteil, ich begrüße ausdrücklich, dass die Autorin mit „einer weiten Optik“ arbeitet und wiederhole das hier gerne. Aber ich stelle auch fest, dass Texte von einer solchen Qualität leider nicht aus der Geographie kommen und nutze das zur Anmerkungen über den Stand der sozialgeographischen Migrationsforschung insgesamt.

Zuletzt zu Absatz 7 und der Genderfrage. Dass das Thema absichtlich kontinuierlich auftaucht, ist mir bei der ersten Lektüre nicht als Strategie aufgefallen. Aber Hillmann hat natürlich Recht, eine kontinuierliche Darstellungsform ist aus guten Gründen möglich. Allerdings sehe ich das Risiko, dass ein solches Themen-Mainstreaming letztlich dazu führt, dass das unstrittig wichtige Thema so eventuell zu wenig Aufmerksamkeit erregt.

Kurzum, wenn die Replik in Bezug auf meine Rezension den Dissens betonen wollte, dann kann ich das kaum erkennen. Sollten vorranging andere Aspekte des Buches herausgestellt werden, dann ist das möglich und ich stimme mit einigen Einschränkungen zu.

 

Zitierweise:

Pascal Goeke 2016: 4 zu 2 zu 1 – mehr Konsens als Dissens. Ein kurze und fast uneingeschränkte Zustimmung zur Replik von Felicitas Hillmann. In: http://www.raumnachrichten.de/rezensionen/2029-pascal-goeke-mehr-konsens-als-dissens

 

 

Anschrift des Verfassers:

PD Dr. Pascal Goeke
Geschäftsführer
Forum Internationale Wissenschaft
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