Gerd Hennings u. Sebastian Müller (Hg.): Kunstwelten. Künstliche Erlebniswelten und Planung. Dortmund 1998. (Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 85). 211 S.
Kino-Paläste, Musical-Halls und Mega-Malls, Urban Entertainment Center, Vergnügungsparks, neue Sportarenen und vieles mehr - die vielfältigen Ingredienzien des freizeitorientierten Umbaus der Stadtlandschaften sind weitgehend bekannt. Während die Liste möglicher Erscheinungs- und Nutzungsformen neuer künstlicher Erlebniswelten in den Städten nahezu endlos erscheint, ist die Zahl der bisher von der Stadt- und Regionalforschung hierzu vorgelegten Analysen leider noch sehr endlich. Zwar ist der Boom der Freizeitimmobilien von Seiten der privaten Investoren längst zur renditeträchtigen Kapitalanlage genutzt worden. Und auch viele Stadtväter haben seit längerem schon den neuen Trend und die Nachfrage nach Freizeitimmobilien in ihren Planungsprojekten schwungvoll aufgegriffen. Jedoch fehlt es bislang noch an einer enstprechend intensiven und originellen wissenschaftlichen Beschäftigung und Analyse der inzwischen weit verbreiteten Phänomene. Um tatsächlich fundierte Aussagen über Ausmaß, Aufbau und Auswirkungen künstlicher Erlebniswelten auf Stadt und Region zu treffen, sind die GeographInnen und PlanerInnen an den Hochschulen noch sehr in der Bringschuld. Aus ebendiesen Gründen ist die von Gerd Hennings und Sebastian Müller herausgegebene Publikation eine willkommene Anregung, um sich dem Phänomen neuer "Kunstwelten" in den Städten planerisch und geographisch zu nähern.Was sind die Ziele der Herausgeber? Gelingt es ihnen im Zusammenwirken mit den Autoren, ein dichtes Bild der wirtschaftlichen und sozialen Realitäten sowie der Planungsprobleme künstlicher Erlebniswelten zu zeichnen? Der Sammelband basiert auf Referaten, die seit 1994 im Rahmen einer Vorlesung an der Fakultät für Raumplanung in Dortmund gehalten wurden. Entsprechend dieser Ausgangsvoraussetzung handelt es sich bei den Beiträgen nicht um ein eng geschnürtes Bündel direkt aufeinander bezogener Texte. Vielmehr haben die Veranstalter die Vorlesungsreihe als Chance genutzt, um in relativ loser Folge Beiträge anzuwerben, die das breite Themenspektrum möglicher künstlicher Erlebniswelten abdecken. Das Buch gibt Aufschluss über die sehr unterschiedlichen Formen neuer Kunstwelten. Die Vergleichbarkeit der Artikel ist nur schwerlich gegeben, legen doch die Autoren sehr unterschiedliche Gewichte und Maßstäbe bei der Beschreibung der von ihnen untersuchten Objekte an. Während zum Beispiel Ulrich Hatzfeld "Malls und Mega-Malls" auf ihre lokale Verträglichkeit hin untersucht, vergleicht Gerda Breuer postmoderne Konsum- und Erlebniswelten mit dem Kaufhaus als Konsumpalast des 19. Jahrhunderts.
Wenn der Sammelband dennoch einen thematisch auf angenehme Weise geschlossenen Eindruck macht, so vielleicht deshalb, weil die meisten AutorInnen selbst Absolventen des Studienganges Raumplanung in Dortmund sind. Eine diffus im Hintergrund wirkende gemeinsame Perspektive, die sich aus der intellektuellen Sozialisation als RaumplanerIn ergibt, prägt den Charakter des Bandes. Daraus folgt dann auch, dass tatsächlich die planerische Perspektive, wie sie im Untertitel angedeutet wird, einen zentralen Fokus vieler Beiträge bildet.
Insgesamt ist der Sammelband jedoch weder ein Plädoyer für oder gegen die neuen Freizeitwelten. Diese werden weder stadtentwicklungspolitisch verteufelt noch als finanzielle Rettung eines jeden Stadtkämmerers in den Himmel gehoben. Obwohl gerade das Thema der Kommerzialisierung von Kultur-, Freizeit- und Konsumwelten ja in anderen Disziplinen zentraler Gegenstand auch durchaus ideologischer Debatten ist - ich erinnere nur an das Stichwort der Kulturindustrie - halten sich sowohl die meisten Autoren wie auch die Herausgeber mit einer abschließenden, pauschalen Beurteilung dieses neuen Trends in der Stadtentwiklung sehr zurück. Vielmehr betonen die beiden Herausgeber in ihrer Einleitung sehr "deutlich, daß alle diese Freizeitzentren erfordern, daß man sich zu jedem gesondert eine Meinung bildet. Jede dieser Einrichtungen hat ihre Spezifika, die im einzelnen untersucht werden müssen, um zu einer fairen Beurteilung durch Planung und Wirtschaftsförderung gelangen zu können" (Hennings/Müller, S. 9). Dieser Aufruf zu einer individuellen Beurteilung einzelner Projekte scheint mir angesichts des Stands der Forschung eine sehr vernünftige Position zu sein. Und genau hierfür bietet der vorliegende Sammelband auch eine gute Grundlage - ist er doch eine interessante Publikation, die die vielfältigen empirischen Formen und konzeptionellen Aspekte neuer Kunstwelten in ihrer schillernden Vielfalt und Individualität darstellt.
Autorin: Ilse Helbrecht