Elchanan Nathan Adler: Von Ghetto zu Ghetto. Berichte eines jüdischen Reisenden ausgangs des 19. Jahrhunderts. Nachwort und Erläuterungen von Joachim Schlör. Teetz 2001 (Jüdische Memoiren 6). 240 S.
Der englische Jurist ELCHANAN NATHAN ADLER, Zeitgenosse des Geographen Alfred Philippson, aber anders als dieser enger dem jüdischen Glauben und Leben verbunden, bereiste im ausgehenden 19. Jahrhundert in einem Zeitraum von zwanzig Jahren die weltumspannende jüdische Diaspora.
Seine Reiseberichte legte er in einer Geographica Judaica nieder, in der er mit ethnographisch genauem Blick und im Jurastudium geschulter wissenschaftlicher Akuratesse das Leben der jüdischen Gemeinden in den unterschiedlichsten Ländern beobachtete und, dies macht die besondere Stärke des Buches aus, aus der inneren Perspektive des Judentums heraus beschrieb: Adler war stets mehr als der wissenschaftliche Beobachter, da er den soziokulturellen Kontext von innen heraus, als Jude unter Juden lesen konnte.
Aus der akutellen Sicht ist sein Blick auf die jüdischen Gemeinden im Nahen Osten und ihre arabischen Nachbarn von besonderem Interesse. Nicht weniger aufschlussreich sind seine Beschreibungen des jüdischen Lebens in Persien, Russland, Indien und Argentinien. Was ADLERs Werk für den (historischen) Geographen so besonders macht, ist der "sozialgeographische" Blick des Autors. Seine Reisen nutzte der bibliophile ADLER auch zum Sammeln von hebräischen Inkunablen und Altdrucken, die seit 1923 als Sammlung im Jewish Theological Seminary in New York liegen.
ADLERs Werk, 1909 erstmals - im englischen Original unter dem neutraleren Titel "Jews in many Lands" - erschienen, wurde neu aufgelegt und mit einem informativen Nachwort von JOACHIM SCHLÖR versehen, das Wissenslücken schließt, biographische Eckdaten nennt und in einem Glossar weniger zugängliche Begriffe erläutert.
Autorin: Astrid Mehmel