Andreas Kraus: Entwicklungspotentiale einer zivilen Luftverkehrsnutzung ehemaliger Militärflughäfen in Deutschland. Köln 2007 (Kölner Forschungen zur Wirtschafts- und Sozialgeographie, Band 58). 303 S.
Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung hat sich die militärische Bedrohungslage der Bundesrepublik Deutschland grundlegend verändert. Die zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung im Jahr 1990 in Betrieb befindlichen 138 Militärflughäfen unterschiedlicher Größenordnung haben überwiegend ihren Ursprungszweck verloren. Für die nicht mehr militärisch genutzten und nicht von Schließung bedrohten Flughäfen stellt sich die Frage einer alternativen zivilen Nutzung. Andreas Kraus macht es sich zur Aufgabe, die Möglichkeiten einer Folgenutzung als Zivilflughafen näher zu untersuchen und insbesondere Erfolgsstrategien und Problemfelder aufzuzeigen.
Angesichts eines ohnehin schon stark verdichteten zivilen Flughafensystems und der Vielzahl potenzieller neuer Standorte - für 54 der langfristig ausscheidenden Militärflughäfen wurde eine zivile Luftverkehrsnutzung als Konversionsziel formuliert, davon sollen 20 für die regelmäßige gewerbliche Luftfahrt entwickelt werden - erscheint eine kritische Bestandsaufnahme und Bewertung der bisherigen Standortentscheidungen dringend geboten.
Die als Diss. entstandene Arbeit ist ihrer anwendungsorientierten Zielsetzung entsprechend gut nachvollziehbar gegliedert: In sechs Kapiteln geht es um die Erfassung, Typisierung und Bewertung der Marktpotenziale von Standorten hinsichtlich ihrer Nutzung als Zivilflughafen - unter Berücksichtigung der prognostizierten Luftverkehrsentwicklung und der Expansionsstrategien der bestehenden Zivilflughäfen sowie der Entscheidungsparameter der Luftverkehrsgesellschaften bei ihrer Flughafenwahl, wobei diese nach Luftverkehrssegmenten differenziert dargestellt werden. Auf der Grundlage ausgewählter Fallbeispiele von im Konversionsprozess bereits fortgeschrittenen Flughäfen (Hahn, Söllingen, Cochstedt, am Rande auch Altenburg/Nobitz und Weeze/Laarbruch) werden regelhafte Markteintrittsstrategien abgeleitet. Der Schlussteil beinhaltet auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen einige Handlungsempfehlungen für eine Neuausrichtung der Konversionspraxis öffentlicher Körperschaften.
Zwar sind die Beschreibungen der Standortentwicklung, der räumlichen Struktur und des Aufbaus des militärischen Flughafensystems in Deutschland (Kap. 3) und die Ausführungen zu den Luftverkehrssegmenten (Kap. 4) etwas langatmig geraten. Die sehr heterogenen Standortcharakteristika werden jedoch sinnvoll durch die Bildung von vier Standorttypen strukturiert - frühere militärische Funktion, Ausstattung, räumliche Anordnung und Ausgestaltung der Einrichtungen sind die dabei zugrunde gelegten Kriterien. Die Darstellung der Marktpotenziale des Luftverkehrs in Deutschland, unter anderem auf der Grundlage von Prognosen und Einschätzungen der Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften, schließt angesichts erwarteter Nachfragezuwächse mit der Feststellung: "Die Nutzung der ehemaligen Militärflughäfen zur Schaffung zusätzlicher ziviler Flughafenkapazitäten stellt ... eine Handlungsoption dar" (143). Diese Handlungsoption weiß der Autor jedoch in den nachfolgenden Kapiteln aufgrund der Vielzahl der bereits getroffenen Konversionsentscheidungen, schwieriger Marktbedingungen und zahlreicher Negativentwicklungen kritisch zu relativieren: "Die zusammenfassende Bewertung möglicher neuer Flughafenfunktionen eröffnet für die zivile Luftverkehrsnutzung der ehemaligen Militärflughäfen derzeit keine tragfähigen Perspektiven" (263). Angesichts der begrenzten Erfolgsaussichten drohen für die Kommunen als Träger hohe, meist uneinbringliche Kosten - "volkswirtschaftliche Verschwendungen", wie der Autor zu Recht formuliert (268) -, zumal private Trägerschaften aufgrund mangelnder Renditeerwartungen in aller Regel nicht in Betracht kommen. Insgesamt kann man die abschließende Forderung des Autors nach einer Überprüfung im Sinne einer Reduzierung der Konversionsprojekte (276) nur nachdrücklich unterstützen - immerhin stehen bereits 19 internationale Verkehrsflughäfen und 15 Regionalflughäfen, die im deutschen Flughafenverband ADV organisiert sind, in einem zum Teil intensiven Wettbewerb.
Zwei kritische Anmerkungen seien im Hinblick auf den theoretisch-methodischen Bezugsrahmen der Arbeit gemacht, der sich in sehr traditionellen wirtschafts- und verkehrsgeographischen Denkbahnen bewegt. Distanzüberwindung, Lagebeziehungen, Verkehrserschließungs- und -leistungspotenziale im Raum bilden die Anknüpfungspunkte für die Analyse der Standorteignung. Viel wichtiger für die angesprochenen Themenkreise "Konversionspolitik" und "Flughafenpolitik" sind jedoch die im Schlusskapitel sehr kondensiert angesprochenen Fragen nach Akteuren und Handlungsmotiven, die nicht nur mit regionalwirtschaftlichen Interessen, sondern auch mit grundlegenden Fragen der Flughafenplanung in Deutschland zusammenhängen, insbesondere der Koordinierung von Einzelplanungen aus überregionaler und auch intermodaler Sicht. Eine modernere theoretische Einordnung dieser Aspekte, beispielsweise im Rahmen institutionentheoretischer Ansätze (Neue Politische Ökonomie, Relationale Wirtschaftsgeographie), hätte sich hier angeboten, ebenso wie eine Verknüpfung des Themas mit übergreifenden Zielsetzungen der räumlichen Planung in Deutschland (etwa im Hinblick auf regionale Disparitäten und Leitbilder der Raumordnung) sowie der Frage der Wirksamkeit von Regionalpolitik. Hinsichtlich der methodischen Qualität ist einschränkend anzumerken, dass die angeführten "strukturierten Interviews mit Entscheidungsträgern" im Rahmen der Publikation nicht dokumentiert sind. Lobend zu erwähnen ist der Aufbau einer elektronischen "Datenbank Konversionsflughäfen", in der die standardisierten Datenprofile aller relevanten Flughafenstandorte zusammengefasst wurden. Die Ausstattung der Publikation mit Tabellen und Abbildungen ist angemessen, die wenigen kartographischen Darstellungen sind hingegen enttäuschend.
Angesichts des stark anwendungsorientierten Erkenntnisinteresses des Autors sollten die kritischen Anmerkungen jedoch nicht überbewertet werden. Vor allem für die Praktiker in Politik, Wirtschaft und Planung enthält die Studie viele wertvolle Hinweise, die in einen Katalog von Anforderungen münden, der die Erfolgsaussichten eines Konversionskonzepts zur Errichtung eines Zivilflughafens in einem sehr schwierigen Umfeld zu erhöhen vermag. Die enge Abstimmung zwischen Nutzungskonzept und Definition der Luftverkehrsfunktion sowie ein entsprechender Ausbau der Flughafeneinrichtungen, gegebenenfalls in Kooperation mit bereits am Markt etablierten Flughafenbetreibern, sind wichtige Erfolgsfaktoren - idealerweise im Rahmen eines (derzeit jedoch nicht absehbaren) gemeinsam abgestimmten Vorgehens zwischen den Ländern.
Autor: Thomas Feldhoff