Nachruf
- Kategorie: Raumnachrichten
Mit großer Bestürzung und tiefer Trauer erfuhren wir vom unzeitigen Tod unseres Gründungsmitglieds Jörg Becker am 15.8.2017.
Jörg Becker absolvierte sein Geographiestudium in Göttingen und widmete sich in seiner Potsdamer Promotion der räumlich-sozialen Segregation von Zuwanderern in Ostdeutschland (1996). Ebenfalls mit einem Thema der Migrationsforschung, der Frage nach der Reichweite sozialwissenschaftlicher Migrationstheorien, habilitierte er sich in Potsdam (2007). Seit 2011 lehrte er als Privatdozent an der Universität Osnabrück.
PD Dr. Jörg Becker hat nicht nur wichtige Beiträge zur Migrationsforschung veröffentlicht, sondern mit großem Engagement und ausgeprägter Beharrlichkeit seine Vision eines umfassenden Monitorings der Entwicklungen in der Geographie verfolgt. Zu diesem Zweck hat er die Zeitschrift „geographische revue“ und die Webseite „raumnachrichten.de“ aufgebaut und redaktionell betreut. Die deutschsprachige Geographie verdankt Jörg Becker in diesem Zusammenhang einzigartige innovative Impulse. Besonderen Wert legte er bei der Entwicklung des Rezensionswesens auf die Kommunikation mit unseren Autoren und war so ein geschätzter Diskussionspartner.
Sein Verlust bedeutet für unsere Aktivitäten einen tiefen Einschnitt, dessen Auswirkungen wir heute noch nicht abschätzen können. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Wir werden seiner in Freundschaft und Anerkennung für seine wissenschaftliche und redaktionelle Tätigkeit immer erinnern.
Geographische Revue e.V. - der Vorstand
Horst Lang
- Kategorie: Pixelprojekt Ruhrgebiet
Als der Pott noch kochte
Horst Lang, 1950 - 1970
In Kooperation mit Pixelprojekt Ruhrgebiet werden hier auf raumnachrichten.de Fotoprojekte der Initiative vorgestellt. Pixelprojekt Ruhrgebiet ist eine sich fortlaufend erweiternde digitale Sammlung fotografischer Positionen zur Region. Sie versteht sich als das regionale Gedächtnis des Ruhrgebiets.
Pixelprojekt Ruhrgebiet ist ein Projekt freier Fotografen und Fotografinnen. Wir danken Pixelprojekt Ruhrgebiet für die Zusammenarbeit.
www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de
Sabine Preuß: Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (Hg.): „Ohne Toleranz funktioniert nichts“.
- Kategorie: Rezensionen
Sabine Preuß: Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (Hg.): „Ohne Toleranz funktioniert nichts“. Indisch-deutsche Technische Zusammenarbeit: Berufsbildung, Hochschule, ländliche Entwicklung (1958-2010). Reportagen, Interviews, Portraits. Frankfurt a.M. Brandes & Apsel 2013. 185 S.
Berufsbildung, Hochschulkooperation und ländliche Entwicklung waren in den ersten fünfzig Jahren der deutschen Technischen Zusammenarbeit mit Indien die zentralen Felder, die in diesem Band im historischen Rückblick beschrieben und in den politischen und kulturellen Kontext eingeordnet werden. Sabine Preuß, selbst langjährige Mitarbeiterin der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ, heute Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit – GIZ) in Indien, hat Hintergrundinformationen, Interviews und Zitate aus Gesprächen mit indischen und deutschen Mitarbeitenden in diesen Projekten zusammengestellt und mit historischen sowie im Laufe der Recherche aufgenommenen Fotos illustriert.
Benjamin Etzold: The Politics of Street Food
- Kategorie: Rezensionen
Benjamin Etzold: The Politics of Street Food. Contested Governance and Vulnerabilities in Dhaka’s Field of Street Vending. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2013 (Megacities and Global Change 13). 386 S.
Der Verkauf von auf der Straße zubereiteten Lebensmitteln in mobilen, semi-mobilen und weitgehend stationären Ständen ist ein typisches Merkmal vieler Städte im Globalen Süden. In Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, ernährt sich rund jeder zweite der 15 Millionen Einwohner täglich von sogenanntem „street food“. Auf Straßen, Gehwegen und Märkten sowie in Parks und an Verkehrsknotenpunkten bieten nach den Schätzungen des Autors der Studie rund 100.000 Straßenhändler Reisgerichte, Snacks, Früchte oder Getränke an. Trotz der großen Bedeutung des Straßenhandels für die Nahrungsmittelversorgung in der Megastadt läuft dieser nicht ohne Konflikte ab. Aus Sicht der Behörden und der städtischen Eliten ist der Straßenhandel unhygienisch und zumindest potenziell gesundheitsgefährdend. Zudem stört er die öffentliche Ordnung, weil die Stände knappen Verkehrsraum blockieren oder Flächen nutzen, die für andere Zwecke vorgesehen sind. Dennoch findet der Straßenhandel von Lebensmitteln in erheblichem Ausmaß statt, mit Kundschaft nicht nur bei den Armen, sondern auch in der urbanen Mittelschicht. Benjamin Etzold beschäftigt sich in seinem Werk, das auf eine Doktorarbeit an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Rahmen des Schwerpunktprogramms 1233 der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Megacities – Megachallenge“ zurückgeht, genau mit diesen Widersprüchen zwischen Verboten, Verstößen, hartem Durchgreifen, Zulassen und bewusstem Wegsehen. Entsprechend versteht er den Straßenhandel mit Lebensmitteln als umkämpfte Regulation bzw. als Makro- und Mikropolitik um „street food“. Außerdem dokumentiert er sehr detailliert die Bedeutung des Straßenhandels für die Ernährungssicherung in der Megastadt und die Lebensführung der Händler.
Konstruktion und Kontrolle. Zur Raumordnung sozialer Systeme
- Kategorie: Rezensionen
Pascal Goeke, Roland Lippuner und Johannes Wirths (Hg.) 2015: Konstruktion und Kontrolle. Zur Raumordnung sozialer Systeme. Wiesbaden: Springer VS. 347 S.
Mit „Systemen“ kommen Geographinnen aller Subdisziplinen im Laufe ihres Studiums und ihrer Forschung in Berührung: Ökosysteme, Systeme der Verarbeitung von Geodaten oder auch räumlich definierte Wirtschafts- oder Gesellschaftssysteme. Typischerweise wird im Zuge dessen Systemdenken mit einer ganzheitlichen, auf Zusammenhänge abstellenden Perspektive verbunden, die letztlich eine Integrationsleistung erbringt. Angesichts dieses weit verbreiteten Verständnisses ist es erst einmal bemerkenswert, dass die für den vorliegenden Sammelband „Konstruktion und Kontrolle“ maßgebliche sozialwissenschaftliche Systemtheorie etwas ganz anderes postuliert – nämlich die Knüpfung des Systembegriffes an die Abgrenzung, Eigenlogik und Autonomie von Systemen.
Weiterlesen: Konstruktion und Kontrolle. Zur Raumordnung sozialer Systeme
Pascal Goeke: Suchbewegungen im Anthropozän
- Kategorie: Rezensionen
Pascal Goeke 2017: Suchbewegungen im Anthropozän
Rezension von: Wolfgang Haber, Martin Held, Markus Vogt (Hg.) 2016: Die Welt im Anthropozän. Erkundungen im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Humanität. München: Oekom. 178 S.
Das Anthropozän – zur Struktur eines Begriffs
Das Anthropozän – ein scheinbar beneidenswert klarer und knapper Begriff. In der logisch einfachen Form einer Realdefinition wird auf nur einer Seite in Nature behauptet (Crutzen 2002), dass die Menschheit der bedeutsamste (geologische) Faktor der allerjüngsten und gegenwärtigen Erd- und Umweltgeschichte sei und zugleich gefordert, dass dieser Sachverhalt auf den Begriff des Anthropozäns zu bringen ist (vgl. zuvor Crutzen/Stoermer 2000; zur Genese siehe auch Crutzen 2013).
Politische Ökonomie des Finanzmarktkapitalismus
- Kategorie: Rezensionen
Marcel Heires, Andreas Nölke (Hrsg.):Politische Ökonomie der Finanzialisierung.Wiesbaden: Springer VS (Reihe Globale Politische Ökonomie) 2014. 277 S.
Wolfgang Krumbein, Julian Fricke, Fritz Hellmer, Hauke Oelschlägel: Finanzmarktkapitalismus? Zur Kritik einer gängigen Kriseninterpretation und Zeitdiagnose. Marburg: Metropolis-Verlag 2014. 160 S.
„Finanzialisierung“ und „Finanzmarktkapitalismus“ sind, wie es Hans-Martin Zademach in seinem jüngst erschienenen Lehrbuch „Finanzgeographie“ (Darmstadt 2014) deutlich gemacht hat, mehrdeutige und umstrittene Begriffe. In der Humangeographie wird des Öfteren ihre empirische Tragfähigkeit bezweifelt. Der von Marcel Heires und Andreas Nölke herausgegebene Sammelband „Politische Ökonomie der Finanzialisierung“ legt nun eine Zwischenbilanz von konzeptionellen Überlegungen und empirischen Anwendungen vor. Erfreulicherweise sind humangeographische Aspekte in diesem vornehmlich politikwissenschaftlichen Band thematisch und personell repräsentiert.
Weiterlesen: Politische Ökonomie des Finanzmarktkapitalismus
Interventionen als Kunst des urbanen Handelns?
- Kategorie: Rezensionen
Friederike Landau, Henning Mohr 2015: Interventionen als Kunst des urbanen Handelns?
Rezension zu Judith Laister, Anton Lederer, Margarethe Makovec (Hg.) (2014):Die Kunst des urbanen Handelns / The Art of Urban Intervention. Wien: Löcker.
Kreative und künstlerische Strategien gewinnen in innovations- und effizienzorientierten liberalen Demokratien als ‚alternative‘ Formen der Wissensproduktion sowie der Dynamisierung und potenziellen Demokratisierung von Kommunikations- und Entscheidungsprozessen zunehmend an Bedeutung. Die Anwendung von Kreativitätstechniken befördert die Konzeption des modernen Subjekts, welches Ideale von Selbstentfaltung und (Selbst-)Schöpfung – die maßgeblich der Figur des künstlerischen Genies entliehen sind – in den Kontext von (Selbst-)Optimierung und Ökonomisierung stellt (vgl. Reckwitz 2012: 215 ff.). Kreativität und künstlerische Ausdrucksformen werden als lösungsbringende, über funktionalistisch ausgerichtete Ansätze hinausgehende Herangehensweisen wahrgenommen, die Partizipation und – damit einhergehend – Legitimation begünstigen können. Insbesondere in städtischen Transformationsprozessen scheinen Künstler_innen immer häufiger eine Rolle in der (Oberflächen-)Gestaltung städtischer Räume zu spielen. Sie tun dies sowohl aus eigenem Antrieb, zunehmend jedoch auch im konkreten Auftrag lokaler, Akteur_innen des Stadtteilmanagements oder ähnlicher Programme, die übergeordnet das Thema ‚Soziale Stadt‘ forcieren.
Christian Kohrs: Demokratische Konsolidierungsprozesse im subsaharischen Afrika
- Kategorie: Rezensionen
Christian Kohrs: Einflussfaktoren und Erfolgsbedingungen demokratischer Konsolidierungsprozesse im subsaharischen Afrika. Eine kritische Literaturanalyse. Heidelberg: Books on African Studies 2014. 660 S.
Bei der vorliegenden Veröffentlichung handelt es sich um die Dissertation des Autors. Ihr Ausgangspunkt ist die These, dass der Themenkomplex der demokratischen Konsolidierung in den letzten zwei Jahrzehnten in den internationalen politikwissenschaftlichen Diskussionen vernachlässigt wurde. Es erscheint in der Argumentation der Studie einleuchtend, das Vier-Ebenen-Modell von Wolfgang Merkel, welches auf der Konzeption von Juan J. Linz & Alfred Stepan aufbaut, zum theoretischen Ausgangspunkt zu nehmen. Das Modell vermittelt über die vier Ebenen demokratischer Konsolidierungen schon zum überwiegenden Teil die Teilregimes und Einflussfaktoren, die beim derzeitigen wissenschaftlichen Stand wohl als wesentlich erachtet werden können. Die Intention der Arbeit ist es aber nicht, lediglich die Konzeption von Merkel auf den afrikanischen Kontext zu übertragen, sondern eine kritische Diskussion darüber zu führen, ob dieses Konzept auf den Kontinent übertragbar ist bzw. wie es ggf. modifiziert werden muss. Dies trifft nach Auffassung des Autors insbesondere auf unseren Nachbarkontinent Afrika zu. Seit Beginn der letzten großen Demokratisierungsphase im subsaharischen Afrika Ende der 1980er Jahre waren nach einer kurzen Phase der Euphorie über ihr Tempo und ihr Ausmaß zunehmend skeptische Stimmen zu vernehmen, die auf die Defizite der demokratischen Regimes oder das Ausbleiben einer weitergehenden Demokratisierung hingewiesen haben. Allerdings habe sich auch erst in den letzten Jahren ein Kreis von acht bis zehn Staaten im subsaharischen Afrika herauskristallisiert, für den eine legitime Diskussion ihrer demokratischen Niveaus, im Sinne der internationalen Konsolidierungsdefinitionen, sinnvoll erscheine. Eine solchermaßen notwendige Diskussion, so die These des Autors, ist bisher aber nur unzureichend und zu unstrukturiert geführt worden.
Weiterlesen: Christian Kohrs: Demokratische Konsolidierungsprozesse im subsaharischen Afrika
Naomi Klein: This Changes Everything: Capitalism vs. the Climate
- Kategorie: Rezensionen
Naomi Klein: This Changes Everything: Capitalism vs. the Climate. New York: Simon & Schuster. 2014. 566 pp.
In her latest book, Naomi Klein, author of global bestsellers The Shock Doctrine and No Logo, looks to tackle the war our economic model is waging against life on earth. Sarah Lester finds that Klein leaves us with the glimmer of hope that climate justice movements and social mobilisation can offer an alternative future.
Naomi Klein in her new book This Changes Everything presents a new way of looking at two major problems: disaster capitalism and climate change. Klein’s argument is that, while the majority of people think climate change is a threat, “we have not done the things that are necessary to lower emissions because those things fundamentally conflict with deregulated capitalism” which is the “reigning ideology” of our time (p.18). At the heart of the book Klein is supplying society with a challenge: are we on the right path, are we doing the right things for ourselves and for the future, and is this the best we can be? Arguably her core message is one of social and environmental justice: “the solution to global warming is not to fix the world, but to fix ourselves” (p.279).
Weiterlesen: Naomi Klein: This Changes Everything: Capitalism vs. the Climate
Bernd Belina: Raum
- Kategorie: Rezensionen
Bernd Belina: Raum. Zu den Grundlagen eines historisch-geographischen Materialismus. Münster: Westfälisches Dampfboot (Einstiege 20) 2013. 172 S.
Bernd Belina widmet sich dem „Raum“ als einem Grundbegriff der Sozialphilosophie und Gesellschaftstheorie innerhalb der Reihe „Einstiege“ des Verlages Westfälisches Dampfboot. Die Reihe – so die Beschreibung des Verlages – richtet sich an ein breites Publikum und will die Lesenden befähigen, eigene Wege zwischen den Felsen der Disziplinen zu finden und zu bestreiten. Das schmale Buch ist konsequent innerhalb einer Perspektive des historisch-geographischen Materialismus (HGM) verfasst, daher stellt es lediglich einen Ausschnitt der aktuellen geographischen Debatten über Raum dar. Die angeführten Debatten und Vorschläge innerhalb des HGM werden umfassend dargelegt, kritisch diskutiert und an zahlreichen Beispielen aus der polit-ökonomischen Praxis anschaulich verdeutlicht. Dem Charakter einer Einführung entsprechend steht die ordnende und am Überblick orientierte Darstellung und Kritik disperser Beiträge im Mittelpunkt, nicht jedoch die Vorstellung einer eigenständigen Raumtheorie innerhalb des HGM.