Geographische Revuegr2 00g

Jahrgang 2 - 2000 -  Heft 2

Kulturalisierung

 

Essays:

  • Don Mitchell: The End of Culture? Culturalism and Cultural Geography in the Anglo-American "University of Excellence"
  • Wolf-Dietrich Bukow: Plädoyer für eine Neubestimmung von kulturellen Diskursen innerhalb der modernen gesellschaftlichen Entwicklung


Besprechungsaufsatz:

  • Gerhard Hard: Von melancholischer Geographie


Bereichsrezensionen:

  • Hans-Jürgen Hofmann: Geographische Exkursionen - auf neuen Wegen oder ausgetretenen Pfaden?


Einzelrezensionen:

  • Andreas Erhard, Gertraud Meißl: Namibia 1997. Ein Exkursionsbericht. Innsbruck 1997 (inngeo, Innsbrucker Materialien zur Geographie 6). 173 S. (Hans-Jürgen Hofmann)
  • Carsten Felgentreff, Wilfried Heller (Hg.): Neuseeland 1998. Reader zur Exkursion des Instituts für Geographie der Universität Potsdam mit den Schwerpunkten Migration und Restrukturierung/Deregulierung. Potsdam 1999 (Praxis Kultur- und Sozialgeographie 21). 208 S. (Hans-Jürgen Hofmann)
  • Wolfgang Aschauer, Jörg Becker, Carsten Felgentreff (Hg.): Strukturwandel und Regionalbewußtsein. Das Ruhrgebiet als Exkursionsziel. Potsdam 1999 (Praxis Kultur- und Sozialgeographie 20). 108 S. (Hans-Jürgen Hofmann)
  • Axel Borsdorf, Christoph Stadel: Ecuador in Profilen. Landeskundliche Beobachtungen auf einer geographischen Exkursion 1996. Innsbruck 1997 (inngeo, Innsbrucker Materialien zur Geographie 3). 337 S. (Hans-Jürgen Hofmann)
  • Arnold Gurtner-Zimmermann, Paul Messerli (Hg.): Toronto - Calgary - Banff. Bericht der Grossen Kanada-Exkursion vom 30. Juli - 18. August 1995. Bern 1996 (Geographica Bernensia B12). 189 S. (Hans-Jürgen Hofmann)
  • Georg Römhild (Hg.): Mitteldeutschland - zwischen Werra, Saale und Elbe. Exkursionsberichte, Aufsätze und Materialien. Paderborn 1997. (Materialien und Manuskripte 1997). 177 S. (Hans-Jürgen Hofmann)
  • Dieter Stonjek (Hg.): Bericht einer Exkursion in die Tschechische Republik vom 15. bis 29. Juli 1996. Osnabrück 1997. (Materialien zur Schriftenreihe Osnabrücker Studien zur Geographie). 37 S. (Hans-Jürgen Hofmann)
  • Jürgen Hasse: Mediale Räume. Oldenburg 1997 (Wahrnehmungsgeographische Studien zur Regionalentwicklung 16). 208 S. (Gerhard Hard)
  • Martin Heß: Glokalisierung, industrieller Wandel und Standortstruktur. Das Beispiel der EU-Schienenfahrzeugindustrie. München 1998 (Wirtschaft & Raum 2). 203 S. (Hans-Dieter von Frieling)
  • Daniel Göler: Postsozialistische Segregationstendenzen: Sozial- und bevölkerungsgeographische Aspekte von Wanderungen in Mittelstädten der Neuen Länder. Untersucht an den Beispielen Halberstadt und Nordhausen. Bamberg 1999 (Bamberger Geographische Schriften 18). 155 S. (Petra Dassau)
  • Christine Vogt: Guatemalas verbotene Ressourcen. Eine handlungstheoretische Untersuchung. Innsbruck 1999 (Innsbrucker Geographische Studien 29). 174 S. (Holger Gertel)
  • Ulf Matthiesen (Hg.): Die Räume der Milieus. Neue Tendenzen in der sozial- und raumwissenschaftlichen Milieuforschung, in der Stadt- und Raumplanung. Berlin 1998. 371 S. (Rainer Neef)
  • Gerhard Bahrenberg, Nils Mevenkamp, Rolf Monheim: Nutzung und Bewertung von Stadtzentren und Nebenzentren in Bremen. Bayreuth 1998 (Arbeitsmaterialien zur Raumordnung und Raumplanung 180). 219 S. (Hans-Dieter von Frieling)
  • Tim Cresswell: In place/out of place: geography, ideology, and transgression. Minneapolis 1996. 200 S. (Bernd Belina)
  • Hans Dieter Schultz (Hg.): Quodlibet Geographicum - Einblicke in unsere Arbeit. Berlin 1999 (Berliner Geographische Arbeiten 90). 214 S. (Horst Brunner)
  • Norman Backhaus: Zugänge zur Globalisierung. Konzepte, Prozesse, Visionen. Zürich 1999 (Schriftenreihe Anthropogeographie 17). 255 S. (Hans-Dieter von Frieling)
  • Doreen Massey: Power-geometries and the politics of space-time. Hettner-Lecture 1998. Heidelberg 1999 (Hettner-Lectures 2). 112 S. (Wolfgang Aschauer)

 

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Kulturalisierung

 

 

 

Diskussionsbeiträge zu Gerhard Hard:Von melancholischer Geographie

 

 

Von fairer Geographie
Abgeschickt von Detlef Kanwischer am 16. November, 2000 um 11:01:03


Von fairer Geographie
Anlaß dieses Diskussionsbeitrages ist nicht die geographisch-inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Text von G. Hard, sondern die menschliche Perspektive dieser Buchbesprechung.

Was denken Studenten und wissenschaftliche Nachwuchskräfte, die sich noch in einer Phase befinden, in der sie sich in der "Community" orientieren, wenn sie solch eine Mischform von theoretisch begründeter Kritik - wie immer elegant - und personenbezogener Wertung lesen? Ich für meinen Teil empfinde diese Machart, für die G.Hard ja auch gefürchtet ist, als Irritation. Sie vernebelt mir den Weg zu einer intersubjektiven Auseinandersetzung über die Sache, nämlich ein Buch. Wird hier konstruktive wissenschaftliche Kritik betrieben, oder soll eine Person, aus welchen Gründen auch immer (wissenschaftlich oder persönlich), demontiert werden?

Wenn solche Formen von Buchbesprechungen gängig werden oder unwidersprochen bleiben, bin ich mal gespannt, ob überhaupt noch jemand in der Geographie "Abweichendes" veröffentlicht. Abschließend möchte ich auf den Fairplay-Gedanken des Sports verweisen, der es möglich macht, daß sich Widersacher nach einer Auseinandersetzung noch die Hand geben oder sogar noch bei einem Bier zusammensitzen.
Dipl.-Geogr. Detlef Kanwischer
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Institut für Geographie

 


Antworten:


Diskussionsbeitrag "Von fairer Geographie"
Abgeschickt von Dipl.-Geogr. Georg Menting am 10 Dezember, 2000 um 12:38:42


Salopp formuliert handelt es sich bei dem Diskussionsbeitrag "Von fairer Geographie" von Detlef Kanwischer zum Aufsatz "Von melancholischer Geographie" von Gerhard Hard wohl um einen klassischen Fall von moralisch getarntem 'Weichei'. Etwas anders formuliert: Das 'Weichei' als Menschenfreund.
Georg Menting

 


Moralische Betroffenheitsliteratur und/als Gutmensch-Rhetorik
Abgeschickt von Dipl.-Ing. Sabine Thabe am 11 Dezember, 2000 um 12:55:15


Als "Nicht-Geographin" erlaube ich mir aufgrund der bislang eingegangenen Diskussionsbeiträge folgende Anmerkungen:

In seiner rührigen Kritik bemerkt Detlef Kanwischer eine (merkwürdige) Problematik zwischen "geographisch-inhaltlichen Auseinandersetzungen" und der "menschlichen Perspektive" der Buchbesprechung Gerhard Hards. "Elegante" Kritik (seitens Hards) sei aufzuwiegen gegen eine "personenbezogene Wertung". Hards "Machart", die zumindest bei den Warmduschern unter den Geographen "gefürchtet" sei, solle "Irritation" bei Studenten und im wissenschaftlichen "Nachwuchs" verbreiten. Kritik erscheint aus dieser Warte "vernebelt", will sagen, "die Sache", "ein Buch", nicht angemessen dargestellt.

Um der geistigen Vernebelung des Gutmenschen Kanwischer ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, sollte er sich mal fragen: 1. Was "Kritik" mit "Moral" zu tun hat? Und diesen Zusammenhang mal LOGISCH durchdeklinieren, auf die Ableitung bin ich wirklich gespannt. 2. Was soll denn nun das grandios "Abweichende" an J. Hasses Buch darstellen? 3. Ob seine biedere Fairplay-Philosophie ("die Hand geben", "bei einem Bier zusammensitzen") und Schmusekurs-Logik nicht die alte These stützt, wonach "Sport" mit "Geist" nur bedingt zu tun hat. Wissenschaft findet zum Glück nicht auf dem Fußballfeld statt!
Dr. rer. pol. Sabine Thabe
Fachgebiet Soziologische Grundlagen der Raumplanung
Fakultät Raumplanung
Universität Dortmund

 


Re: Von fairer Geographie
Abgeschickt von Elisabeth Binder am 13 Dezember, 2000 um 22:39:23:
Antwort auf: Von fairer Geographie von Detlef Kanwischer am 16 November, 2000
um 11:01:03:


Eigentümlich, so weit ich mich an meine Studienzeit erinnern kann (80er Jahre), hatten wir eigentlich keine Bedenken gegen "personenbezogenen Wertungen". Zur Illustration siehe Kneisle 1983.

Was das "Fair-Play" und das "Bier danach" betrifft, so war ich schon immer der Meinung, daß nicht die besseren Argumente sondern die widerstandsfähigere Leber ein wesentliches Merkmal geographischer Karrieren ist.
Elisabeth Binder
studierte Geogräphin und verwundert

 


Re: Von fairer Geographie
Abgeschickt von H.D. von Frieling am 08 Januar, 2001 um 15:50:21
Antwort auf: Von fairer Geographie von Detlef Kanwischer am 16 November, 2000
um 11:01:03:


Lieber Herr Kanwischer,
Sie "empfinden" Hards Kritik an Hasse als eine "Machart", durch die eine Person "demontiert" werden soll (oder kann), und halten das ethisch für nicht korrekt. Ist diese Ihre Kritik an Hard fair? An welcher Stelle ist Hards scharfzüngige und wortgewaltige Kritik unsachlich? Solch ein argumentativer Hinweis wäre hilfreich und konstruktiv, statt in Sorge um die nachwachsende geographiewissenschaftliche "community" pauschalisierende Nebelkerzen zu werfen.

Denn ohne eine konkrete sachliche Kritik an Hards Kritik wird nicht nur der "Weg zu" sondern auch die "intersubjektive Auseinandersetzung über die Sache" - nämlich die Gedanken von Hard und Hasse - abgewürgt zugunsten von Unterstellungen über persönliche Interessen und psychische Konstellationen.

Was soll faire Geographie bzw. faire wissenschaftliche Diskussion sein? Jede ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung setzt doch voraus, die Argumente, Urteile, Theorien eines anderen zur Kenntnis zu nehmen, sie zu erkennen, sie ernst zu nehmen, um sie dann zu beurteilen. Was verlangt das Anstands-Adjektiv "fair" zusätzlich und getrennt davon? Eine grundlose An-Erkennung der Urteile vorab, vor ihrer inhaltlichen Zur-Kentnisnahme? Oder eine prinzipielle Anerkennung der Person, des Wissenschaftlers? Wenn Letzteres gemeint ist, will und soll offenbar jede sachliche Kritik (der Gedanken) als Kritik d.h. Nicht-Respektierung der Person verstanden werden. Wenn in theoretischer Kritik gleich ein Angriff auf die Person gesehen wird, geht argumentative Klärung und Kritik den Bach hinunter, bleibt nur belanglos-unverbildlicher Austausch von Meinungen oder "intersubjektive" Brutalität. Beides scheint wenig hilfreich und wünschenswert. Eine sachliche Nachfrage verbunden mit herzlichen Grüßen
H.D. von Frieling
Abteilung Wirtschaftsgeographie, Georg-August-Universität Göttingen
Goldschmidtstr. 5 , D-37077 Göttingen

 


Methodisch durchgebrannte Sicherungen
Abgeschickt von Werner Sperschneider am 12 Januar, 2001 um 09:01:13


Der Artikel vom Hard ist ja wirklich köstlich. Ein Dank an Gerhard Hard und die Macher der GeoRev für diesen wichtigen Diskussionsbeitrag. Gigantisch. Im Gegensatz zu einigen Diskutanten im Forum der GeoRev bin ich der Meinung, dass Hard seine Kritik stringent an der Sache ausrichtet. Empfundene 'persönliche Anfeindungen', wie die über "Hasses Phänomenologie, der alle methodischen Sicherungen durchgebrannt sind" machen das notwendige Salz aus in einer notwendigen Häresie gegen einen Autor, der wie ein Grossteil aller Apologeten postmodernen Blablablas, einen hervorragenden Platz im Genre akademisch verbrämter Literatur einnehmen sollte. Hasse macht sense im Mikrokosmos eines elitären Cirkels von Non-sense Theoretikern denen der Bezug zur Alltagswirklichkeit von desperat Nischen der Selbstverwirklichung und Identitätsstiftung suchender marginalisierter Menschen abhanden gekommen ist.
Werner Sperschneider
Geograph und Ethnologe
Danfoss A/S, User Centred Design
Sønderborg, Dänemark

 


Zu Hard: Es kreisste der Berg...
Abgeschickt von Wolfram Jäckel am 13 Januar, 2001 um 03:44:09


Soweit sie im Diskussionsforum der Revue-Webseite zum Ausdruck kommt, geht die bisherige Diskussion um Hards Besprechungsaufsatz „Von melancholischer Geographie“ eigentümlicherweise gar nicht auf den Inhalt des Beitrags selbst ein, sondern rankt sich um die von Kanwischer geäusserte Befürchtung, daß Hard mit dem besprochenen Buch und seinem Urheber nicht fair umgehe.

Ich finde dagegen die Frage viel interessanter, was von einem auf sage und schreibe 28 Seiten ausgebreiteten Besprechungsaufsatz zu halten ist, der sich auf ein über drei Jahre altes Buch bezieht, das sich offensichtlich mit einem in der Geographie marginalen Thema („mediale Räume“) beschäftigt. Die einzige Erklärung, die ich dafür habe (oder die ich unter allen möglichen Alternativen gelten lassen würde), ist, daß in dem Beitrag etwas ausgedrückt wird, daß a) diese große Form rechtfertigt oder gar erfordert, und zwar b) nach so langer Zeit.

Was könnte das sein? Steht die (deutschsprachige) Geographie etwa vor der Übernahme durch die „Melancholiker“ oder entwickeln sich diese oder verwandte Strömungen zu einer starken Kraft und ist dem in gebührender Weise entgegenzutreten? Obwohl ich seit einigen Jahren kaum noch Gelegenheit habe, mich mit der Geographie zu befassen, und ich, hier in Kambodscha, auch räumlich weitab vom Geschehen lebe, vermute ich, daß eine derartige Entwicklung nicht auszumachen ist (wenn ich mir allerdings Werlens Aufsatz „Die Geographie der Globalisierung“, ebenfalls Geographische Revue, hier Jg. 2, H.1, und die darin vertretenen Vorstellungen (einschließlich der theoretisierenden Aufladung von Erdbeerjoghurts) ansehe, die Nebenthemen („Regionalisierung“ im Werlen-Giddensschen Sinne) zu Hauptthemen der Geographie aufblasen, wären vielleicht doch Zweifel an dieser Vermutung angebracht).

Da eine solche Gefahr also wohl nicht besteht, wird die Rechtfertigung für die epische Breite und die für eine Besprechung enorme Zeitverzögerung des Beitrags wohl eher darin zu suchen sein, daß der besprochene Band nur Anlaß ist, etwas Wichtiges über die Geographie als Disziplin mitzuteilen (es handele sich, wie Hard selbst sagt, um eine „geographiehistorische Studie“, S. 39 – aus Hards Arbeit werde ich im weiteren so zitieren). Was könnte das sein?

Ein kurzer Abriß: Wir lernen zunächst auf 4 ½ Seiten Hasses Beschreibungsschema kennen (Tenor: „Sieht alles ganz schlecht aus und ein Ausweg aus dieser mißlichen Lage ist nicht recht in Sicht.“), das Hard sodann auf weiteren 4 Seiten als „melancholisches Schema“ erkennt, welchem er eine ausführliche historische, literarische und psychologische Verortung angedeihen läßt. Nach kurzer Feststellung (2 Seiten), daß Hasse zwar eine Fülle von theoretischen Ansätzen und großen Namen zitiere, aber keine theoretische Perspektive entwickele, geht es 5 Seiten lang über Phänomenologie, auf die Hasse wohl insbesondere (zumindest verbal) zurückgreift, wobei hier amüsante Beispiele für die Art, wie Hasse mit der Empirie in Kontakt tritt (das Sonnenuntergangserlebnis), geboten werden.

Ich frage mich: Wofür wird dieser immense Aufwand getrieben? Zur Erbauung der Leser? Soll ein Lesespaß geboten werden? Will sich der Autor darstellen (was er nun wirklich nicht nötig hätte)? Soll die Dummheit der Geographen exemplarisch vorgeführt werden? Hard wirft Hasse „Theorieverschleifung“ und Phrasendreschen vor und stellt fest, „... es gibt [bei Hasse] keine durchgehende gedankliche Struktur jenseits der beschriebenen Melancholie-Kommunikation im Rahmen des ‚melancholischen Schemas’ “ (S. 51), so daß das Fazit (das eigentlich schon die ganze Zeit mitschwingt), die „... Arbeit scheint mir also metatheoretisch, theoretisch, methodisch und von ihren anderen Ergebnissen her bemerkenswert wenig herzugeben“ (S. 56), nicht mehr überrascht.

Wenn dem so ist, warum dann die große Aufmerksamkeit diesem Text gegenüber? War dieses Resultat nicht einfacher zu haben, wo sich die grundtiefen Mängel in solcher Häufung zeigen? Und: Was kann eigentlich eine Besprechung hergeben, wenn der besprochene Gegenstand schon nichts hergibt? Bis zum vorletzten Abschnitt („Vorschläge für alternative Lesarten“, S.56), also auf 18 von 23 Seiten des Haupttextes, hat man außer etwas über Melancholie und Andeutungen, wie Phänomeneologie zu treiben und nicht zu treiben sei, eigentlich gar nichts gehört, von dem man sagen könnte, dies führe über Hasses Text hinaus und rechtfertige damit das späte Erscheinen der Besprechung und den getriebenen Aufwand.

Das wird erst in den „alternativen Lesarten“ angedeutet, eine Übung, die, so Hard, die „Regeln des hermeneutischen Wohlwollens“ (S.56) nahelägen (also doch Fairness, Herr Kanwischer?). Dabei besteht die Haupterkenntnis darin, dass man Hasses Text als eine innergeographische Spur „außergeographischer Zeitgeist- Trends“ (S.57) lesen könne, und zwar insbesondere der Trends hin zu einem „quasiliterarischen Theoretisieren“ und damit zur Abschwächung des Erklärungsbegriffs sowie hin zum subjektzentrierten Beschreiben und Erklären gesellschaftlicher Sachverhalte.

Nun gut. Damit hat man zwar Themen, die beides, den zeitlichen Abstand und den Umfang der Besprechung, rechtfertigen würden, aber das Ganze wirkt doch ziemlich angeklatscht an die eigentliche Textinterpretation (man erinnere sich: wir sprechen über einen in jeder Hinsicht unergiebigen Text!) und ließe sich, was das zweite Thema betrifft, meines Erachtens viel schöner beispielsweise an Werlen zeigen, auf den Hard dann ja auch zurückgreift. Hier suggeriert Hards Darstellung allerdings, daß handlungstheoretische Ansätze grundsätzlich abzulehnen seien (auch mit dem hier eigentümlicherweise negativ ausgelegten Argument, daß sie sich gut mit dem Landschaftskonzept vertrügen), obwohl eigentlich nur von Werlens Handlungsbegriff und Handlungstheorie die Rede ist. So verweist Hard nicht etwa auf bessere handlungstheoretische Ansätze, sondern auf Luhmanns Funktionalismus als Alternative für ein „leistungsfähigeres Theoriedesign“ (S. 64). Gesellschaftsanalyse auf den Begriff „soziales Handeln“ zu gründen, hat eine lange und empirisch fruchtbare Tradition und impliziert keineswegs, wie Hard zu unterstellen scheint, daß das Subjekt „ ... (auch als ‚Individuum’) ein Eigenleben zu entwickeln...“ pflegt (S. 58) oder man in eine bewußtseinsphilosophische Grundstimmung verfallen muß. Es wäre lächerlich, wegen Werlens Verständnis von Handlungstheorie Hard in seiner Vorliebe für Luhmann zu folgen.

Anders als frühere Beiträge Hards sehe in diesem Artikel trotz netter Details eher eine folgenlose Fingerübung, ein „Sturm im Wasserglas“, um einen (freilich in ganz anderem Kontext gebrauchten) Ausdruck Wittgensteins zu benutzen.

Im übrigen möchte ich abschließend betonen, daß mir das Konzept der Geographischen Revue außerordentlich gut gefällt. Ich kann mir vorstellen, wie schwierig es ist, relevante theoretische Diskussionen in der (deutschsprachigen) Geographie auszumachen. Dennoch wünsche ich den Herausgebern, auch bei großen Namen den Mut zum Rotstift eines guten Lektors zu haben.

Wolfram Jäckel