Globale Vernetzung und regionale Entwicklung verstehen
Den Schwerpunkt meiner wissenschaftlichen Arbeit bildet die konzeptionelle Weiterentwicklung und empirische Analyse globaler Produktionsnetzwerke (GPN) und deren Auswirkungen auf Regionalentwicklung. Mein Hauptinteresse gilt der Zusammenführung von wirtschaftsgeographischen, kulturwissenschaftlichen und soziologischen Perspektiven. Hierbei geht es nicht nur um die maßstabsübergreifende Vernetzung ökonomischer Aktivitäten von Unternehmen, sondern auch die um integrale Rolle anderer kollektiver Akteure wie Staat, Nichtregierungsorganisationen und Zivilgesellschaft, welche die räumliche und organisatorische Entwicklung von GPN maßgeblich beeinflussen.
Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus, wie und unter welchen Bedingungen globale Produktionsnetzwerke zu wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung insbesondere in den Ländern des globalen Südens beitragen können. Dies ist auch das zentrale Thema eines internationalen Forschungsnetzwerkes, an welchem ich beteiligt bin und das unter anderen vom Britischen Entwicklungshilfeministerium unterstützt wird (siehe www.capturingthegains.org). In dem hier skizzierten Forschungskontext von GPN und Regionalentwicklung beschäftige ich mich gegenwärtig mit drei Projekten, die ich über die nächsten Jahre weiterverfolgen möchte.
Auf konzeptioneller Ebene arbeite ich an der Entwicklung einer kulturellen politischen Ökonomie von GPN und Regionalentwicklung. Bisher haben die beteiligten wissenschaftlichen Disziplinen das Zusammenspiel von klassischen polit-ökonomischen Analysen einerseits und Einsichten in die kulturelle und soziale Produktion ökonomischer Systeme andererseits nur unzureichend thematisiert. Anders formuliert, ich versuche Regionalentwicklung und GPN zu verstehen indem ich die materielle Dimension (Wertschöpfung, Beschäftigung etc.), die soziale und kulturelle Konstruktion (gesellschaftliche Einbettung ökonomischen Handelns) und die semiotische Produktion der Bedeutungen von Wirtschaft und Entwicklung (durch Ideen, Ideologien und dominierende Diskurse wie z. B. die ‚Wissensgesellschaft', ‚High-Tech Cluster' etc.) berücksichtige und kombiniere. Mein Ziel ist es, einen tragfähigen und in sich stimmigen Analyserahmen für empirische wirtschaftsgeographische Arbeiten zu entwickeln, der die jüngsten Ansätze einer kulturellen politischen Ökonomie zusammenführt und mit den bisherigen Arbeiten meiner Kollegen und mir zum Konzept globaler Produktionsnetzwerke verbindet.
Ein zweites Projekt beschäftigt sich mit Wachstum und Internationalisierung der Logistikindustrie und deren Rolle für soziale und wirtschaftliche Entwicklung insbesondere in Ländern des globalen Südens. Mit zunehemender Komplexität globaler Produktionsnetzwerke (u.a. durch Standortverlagerungen und sich ausweitende zwischenbetriebliche Arbeitsteilung) hat sich der Logistiksektor zu einem Wirtschaftszweig entwickelt, der nicht nur Millionen von Arbeitsplätzen bietet sondern in zunehmendem Masse auch die geographische und organisatorische Struktur von Produktion und Konsum beeinflusst. Die globale Expansion führender Logistikanbieter - sogenannte third party logistics providers oder 3pl wie z. B. DHL, Kühne & Nagel oder UPS - ist aus wirtschaftsgeographischer Perspektive bisher relativ wenig untersucht. Darüber hinaus fehlt es an empirischer Forschung über die Entwicklungsfolgen, die durch die Präsenz dieser globalen Firmen und ihre Vernetzung mit lokalen Produzenten und Konsumenten potentiell entstehen können. Eine Analyse der weltweit führenden Logistikfirmen und deren Internationalisierungsprozess wird dabei verknüpft mit regionalen Fallstudien in Entwicklungs- und Schwellenländern Ost- und Südostasiens, basierend auf einer Dokumentenanalyse und halbstrukturierten Interviews.
Das dritte Projekt schliesslich focussiert auf die räumliche und organisatorische Entwicklung von GPN in der Mobilkommunikationsindustrie. Dieser Bereich hat in den letzten zwei Jahrzehnten eine enorme technologische Entwicklung durchlaufen und verbindet in einzigartiger Weise die Produktion von Gütern mit der Produktion von Software und Dienstleistungen. Mobile Kommunikation und mobiler Datenaustausch gehören zu den Wachstumsbereichen der Weltwirtschaft und haben einen wesentlichen Einfluss auf wirtschaftliche und soziale Entwicklung in allen Regionen der Welt. Dieses Projekt versucht eine systematische Analyse der Entwicklung dieses Sektors und seiner Implikationen für Beschäftigung und wirtschaftsräumliche Entwicklung. Im Vordergrund der empirischen Forschung steht dabei die Untersuchung von Mobilfunkanbietern sowie Software- und Applikationsentwicklung in europäischen und asiatischen Industrie- und Entwicklungsländern.
Zu meiner Person:
1986-1988 Studium der Geographie, Statistik und Bevölkerungswissenschaft an der Universität Bamberg,
1988-1992 Studium der Wirtschaftsgeographie, Soziologie und Raumplanung an der LMU München,
1998 Promotion an der LMU München,
1992-2004 Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Assistent am Institut für Wirtschaftsgeographie der LMU München (Lehrstuhl Prof. Dr. H.-D. Haas),
2000-2003 Research Fellow, School of Geography und Manchester Business School, University of Manchester,
2001-2002 Visiting Scholar, Centre of Asian Studies, University of Hong Kong,
seit 2004 Lecturer / Senior Lecturer in Human Geography, School of Environment and Development, University of Manchester.
Links:
* Weitere Informationen zu meiner Person finden sich unter
http://staffprofiles.humanities.manchester.ac.uk/Profile.aspx?Id=Martin.Hess
* Mehr zu einem internationalen Forschungsnetzwerk über globale Produktionsnetzwerke, soziale und wirtschaftliche Entwicklung unter
www.capturingthegains.org
* Ein Internet-Forum für Wirtschaftsgeographie ist unter folgender Adresse zu finden
www.egrg.org.uk
* Critical Perspectives on International Business ist eine Zeitschrift, die sich kritisch mit Internationalisierungsprozessen der Wirtschaft auseinandersetzt
http://www.emeraldinsight.com/products/journals/journals.htm?id=CPOIB