Joachim Becker und Rudy Weissenbacher (Hg.): Dollarization, Euroization and Financial Instability. Marburg 2007. 280 S.
Die US-Subprime Krise erschüttert Finanzmärkte im Zentrum. Bislang scheint die Peripherie davon überraschender Weise wenig betroffen. Wird das auch so bleiben? Welche Strategien können dies eventuell verhindern? Warum und wo werden diese durchgesetzt oder auch nicht? Fragen, die der vorliegende Sammelband von Joachim Becker und Rudy Weissenbacher in ungewöhnlicher Weise nachgeht. Das Buch ist damit in dreifacher Hinsicht bemerkenswert: Erstens fokussiert es auf die Zentral- und Südosteuropäische Peripherie, vergleicht die Entwicklungen jedoch mit den Erfahrungen der jüngsten Finanzkrisen in Lateinamerika. Dabei zeigt sich deutlich, dass heute Länder der europäischen Peripherie ähnliche ökonomische und finanzielle Strukturen aufweisen, wie viele lateinamerikanische Länder vor dem Ausbruch der Krise Ende der 1990er Jahre und in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts. Vielfach sind die strukturellen Ungleichgewichte in Osteuropa sogar noch stärker ausgeprägt.
Zweitens überrascht die historische Tiefe. Üblicher Weise beschränkt sich die Diskussion von finanzieller Instabilität in der Peripherie auf die jüngere Vergangenheit. Nicht so in diesem Buch. Weissenbacher spannt in seinem Beitrag einen weiten historischen Bogen. Er weist dabei darauf hin, dass die Unterschiede zwischen Zentrum und Peripherie - und damit auch die unterschiedliche Einbettung in internationale Finanzzusammenhänge - tiefe historische Wurzeln haben. Ein wichtiger Unterschied zeigt sich in einer schon bis ins Mittelalter zurückreichenden Verschiedenheit der soziökonomischen Struktur in Ost und West, die mit einer untergeordneten Einbindung in die westeuropäische Entwicklung einherging. Seit Ende des Realsozialismus haben sich die Zentrum-Peripherie-Beziehungen auf ökonomischer und politischer Ebene wieder verstärkt akzentuiert. Dies manifestiert sich in einer Verschiebung hin zu ausländischem Eigentum im Unternehmenssektor im Allgemeinen und im Finanzsektor im Besonderen. Dies bildet auch die Grundstruktur für sich aufbauende finanzielle Instabilitäten und potenzielle Krisen, deren Kosten wohl primär wieder von den peripheren Staaten getragen werden müssen.
Drittens vereint der Band AutorInnen aus der südosteuropäischen und der lateinamerikanischen Peripherie. Diese Sichtweisen und Einschätzungen "von innen" resultieren in fundierten Einschätzungen darüber, wie Strategien von lokalen und internationalen AkteurInnen aufeinandertreffen und welche Konsequenzen zukünftig zu erwarten sind. László Andor führt etwa deutlich aus, dass die Bestrebungen Ungarns dem Euro-Raum beizutreten nur Lippenbekenntnisse sind. Hinter der Fassade wird versucht den Euro- Beitritt hinauszuzögern und es werden alternative währungspolitische Modelle zum Euro angedacht, da dadurch mehr wirtschaftspolitische Spielräume und Stabilität erhofft werden. Anders ist die Situation in den baltischen Staaten, allen voran Lettland, die sich angesichts spektakulärer Ungleichgewichte in der Zahlungsbilanz durch eine Übernahme des Euros vor einer drohenden Währungskrise retten wollen. Dabei steht die Europäische Zentralbank jedoch auf der Bremse. Den finanziellen Schieflagen wird von internationalen Banken und FinanzinvestorInnen bislang jedoch vergleichsweise wenig Bedeutung beigemessen. Sie hoffen, dass die EU im Krisenfall intervenieren und damit die Auswirkungen abmildern bzw. Verluste sozialisieren würde.
Besonders spannend ist auch die von Becker eingebrachte vergleichende Perspektive und die aus den Beiträgen gezogene Schlussfolgerung. Er erläutert die Probleme der Dollarisierung in Lateinamerika bzw. Euroisierung in Teilen Zentral- und Osteuropas. Werden nämlich im Inland Schulden in Dollar oder Euro indexiert und auch inländische Preise wie etwa Mieten, in ausländischer Währung festgelegt, so kann eine Abwertung im Zuge einer Finanzkrise besonders schwerwiegende Auswirkungen haben. Es geht daher nicht nur um die Frage, ob oder wann der Euro eingeführt wird, sondern inwieweit die Geltung der nationalen Währungsnorm durchgesetzt werden kann. Dies ist für die Frage finanzieller Instabilität und möglicher Gegenstrategien von zentraler Bedeutung.
Johannes Jäger