Bjørn Lomborg: Cool it! Warum wir trotz Klimawandels einen kühlen Kopf bewahren sollten. München 2008. 272 S.
Der mediengewandte Verf. wird heute als Politologe präsentiert, vermutlich auch weil die Selbstbeschreibung als Statistiker in seinem Bestseller Apocalypse No! (Orig. 1998, dt. 2002) unhaltbar war. Während der selbsternannte "skeptische Umweltschützer" damals den menschlichen Anteil an globaler Erwärmung noch in Frage stellte, beschränkt sich seine Kritik des Kyoto-Protokolls zur UN-Klimarahmenkonvention im vorliegenden Buch auf die Kostenfrage. Nach Medienschelte z.B. wegen der verwendeten Eisbärsymbolik und dem Nicht-Thematisieren von Kälte- gegenüber Hitzetoten sowie von Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel erklärt er das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Durchsetzung der Kyoto-Ziele für völlig unangemessen, nicht zuletzt da er die Kosten der möglichen Folgen des Klimawandels, wie sie etwa vom Delegationsleiter der USA in Kyoto, Al Gore, heute dargestellt werden, für dramatisch überhöht hält. Im Kapitel "Globale Erwärmung: Unsere zahlreichen Sorgen" verschiebt er den Fokus vom Klimawandel auf andere, wenn auch dringliche, Probleme wie Aids, Unterernährung und Malaria. Mit Hilfe seines ›Copenhagen Consensus‹ genannten Projekts, bei dem Ökonomen auf der Basis von Kosten-Nutzen-Analysen Prioritäten bei Ausgaben zur Bekämpfung von etwa 15 globalen Problemen vorschlagen, will er schließlich demonstrieren, dass Investitionen zur Reduktion von Treibhausgasen an die letzte Stelle gehören (194).Verf. meint auf diese Weise zu beweisen, dass in anderen Bereichen als Klimaschutz, etwa bei der Bekämpfung von Krankheiten und Unterernährung, viel mehr mit weniger Geld zu erreichen wäre. Der Klimaproblematik solle vorwiegend mit nachträglichen Ausgaben für Anpassung begegnet werden, während im problemerzeugenden Energiebereich Subventionen für Forschung und Entwicklung ausreichten (145ff, 182f). Verfehlt sei dagegen, wie etwa die EU im Frühjahr 2007, gar ein schnelleres Tempo bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen zu fordern. Das heiße, Geld aus dem Fenster zu werfen, obwohl es doch - im Gegensatz zur Anpassung - eine kausale Therapie gegen die globale Erwärmung darstellt.
Ohne diesen Unterschied zu nennen, vertraut Verf. blind dem makro- und klima-ökonomischen "Spielzeugmodell" DICE (Jesper Gundermann 1999) des Umweltökonomen William D. Nordhaus. Dieses kennt nur eine Produktionsfunktion für die ganze Welt, beruht auf ausschließlicher Monetarisierung insbesondere aller Klimafolgen (inklusive Verlust von Menschenleben) und tut darüber hinaus so, als ob diese vollständig bekannt wären. Es wertet durch hohe Diskontsätze zukünftigen ›Nutzen‹ stark ab, wodurch langfristige Vorteile einer kausalen Therapie nicht angemessen ins Gewicht fallen. Entsprechend wiederholt Verf. auch seine Absage ans Vorsorge-Prinzip der Umweltpolitik (189f). Diese passt zu Nordhaus' Illusion, schärfere Emissionsreduktionen könne man ungestraft auf später verschieben. Nicholas Sterns Klimabericht von 2006, der das Gegenteil behauptet, qualifiziert Verf. als Auftragsarbeit der englischen Regierung ab (165), wie er überhaupt von historisch-irreversibler Zeit und irreversiblen Schäden absieht.
Ein Schein von Wissenschaftlichkeit wird durch viele Hinweise auf Printmedien, Webseiten, Rundfunk und Fernsehen erzeugt. So referiert Verf. zustimmend eine auf jene Wissenschaftler bezogene Rüge, die in "Verzweifl ung über das Scheitern des Kyoto-Protokolls [bei ihren] Vorbereitungen auf die Verhandlungen zu einem künftigen Abkommen zur Inszenierung einer neuartigen Katastrophensprache" griffen, wie der Direktor des Tyndall Centre for Climate Change Research Mike Hulme diagnostizierte. Die "Sprache der Katastrophe " sei aber "nicht die Sprache der Wissenschaft", heißt es engstirnig (155). Dies passt zu Verf. fortschrittsgläubiger Grundhaltung, der anders als Walter Benjamin Fortschritt nicht als ein Sich-Herausarbeiten aus Katastrophen begreift (vgl. Argument 230/1999, "Den Fortschritt neu denken"), sondern als gegeben ansieht. Verf. beurteilt nicht nur die Klimaproblematik hinhaltend, sondern hält implizit an seiner zweifelhaften These von 1998/2002 fest, dass wegen technologischem Fortschritt global stets ausreichend abbaubare Rohstoffe vorhanden seien, darunter auch Erdöl und Erdgas, deren absolute Knappheit er leugnet.
Strukturkonservativ warnt Verf. davor, "jahrhundertealte Strukturen der Energieversorgung binnen fünf bis zehn Jahren verändern" zu wollen, wie dies mit dem Kyoto-Protokoll versucht werde (141). Die komparative Statik seines Investitions-Rankings lässt wesentliche dynamische Momente wie die basalen Stoff- und Energieumsätze der gesellschaftlich vermittelten Mensch-Umwelt-Beziehungen außer Acht. In dieser Tabuisierung ist Verf. sich mit seinen Mäzen George W. Bush und dem dänischen Ministerpräsidenten Fogh Rasmussen einig. Nicht zufällig besuchte er Bush, als dieser dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg fernblieb, und machte danach bei Rasmussen seinen staatlich gestützten Einfluss - er leitete von 2002 bis 2004 das hoch dotierte dänische Institut für Umweltbewertung - geltend, als dieser als EU-Ratspräsident progressive Initiativen wie den Vorschlag eines "Global Deal" in Johannesburg abzublocken half.
Für den schon 1999 gegen ihn erhobenen methodologischen Vorwurf eines theorielosen "selektiven Empirismus" (Jesper Jespersen) hat Verf. offenbar taube Ohren. Er will "der Gesellschaft" helfen, "sich gut informiert zwischen verschiedenen Zielen zu entscheiden" (170), nennt aber die in der Energiediskussion gerade hierfür seit den 1970ern entwickelte Szenarienmethode nicht, die deterministische Prozesse bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt, um deren Willkürlichkeit einzuschränken. Stattdessen rätselt er an der Gültigkeit von Prognosen herum, deren Prämissen er wie beim DICE-Modell nicht zur Diskussion stellt. Sein als eine Reihe filmisch anmutender Szenen aufgebautes Buch (vom Eisbären bis zum verantwortlichen Fondsmanager) richtet zwar unsere Aufmerksamkeit auf brisante Probleme und spektakuläre Lösungsvorschläge, kann aber den eigenen Anspruch, zu rationaler Debatte und Argumentation verhelfen zu wollen, nicht einlösen.
Die Absicht des Verf., "Überlegungen zu CO2 und zu wirtschaftlichen Zusammenhängen " zu verknüpfen, und zwar "zum Nutzen der Menschen und der Umwelt" (180), ist löblich, aber mit einem so oberflächlichen Zugang nicht zu realisieren. Verf. ist kein Wissenschaftler, der den ›simplificateurs terribles‹ der herrschenden Politik erklären würde, warum z.B. Verbrennung von Biomasse nur bei kurzen Rotationszeiten, nicht aber bei jahrzehntelanger Reproduktion wie bei den meisten Baumbeständen, ›CO2-neutral‹ sein kann. Im Gegenteil behauptet er schlichtweg: "Biomasse und Sonnenenergie sind zwar noch teurer" als Kohle und Erdgas, "emittieren aber kein CO2" (36). Dass Biomasse CO2 emittiert, und zwar bei atmosphärischer Verbrennung sogar mehr (pro nutzbarer Energieeinheit) als Kohle, Öl und zumal Erdgas, ist aber ein naturwissenschaftliches Faktum. Dieser Schnitzer bestätigt, dass Verf. zuweilen nicht weiß, wovon er spricht, und wissenschaftlicher Unredlichkeit überführt werden müsste. Ein hierzu in Dänemark eingeleitetes Verfahren führte 2003 zum Urteil, seine Veröffentlichungen widersprächen "guter wissenschaftlicher Praxis" und erfüllten die "objektiven Kriterien wissenschaftlicher Unredlichkeit" - allerdings ohne ihn schuldig zu sprechen, da er selber erklärt hatte, dass er kein Experte in Umweltfragen sei.
Rolf Czeskleba-Dupont