Sabine Lentz: Rechtspluralismus in den Northern Areas, Pakistan. Köln 2000 (Culture Area Karakorum Scientific Studies 9). 446 S.

Im Spektrum von dynamischem und verortetem Rechtspluralismus spannt Sabine Lentz einen thematischen Bogen auf, der sich zum Ziel setzt, sowohl Kultur als ein System von Regeln zu erfassen als auch den Strategien von Individuen gerecht zu werden.

Worum geht es in der an der Bayreuther Juristischen Fakultät verteidigten Dissertation? In den Nordgebieten Pakistans treffen staatliches und nichtstaatliches, islamisches und indigenes, Gewohnheits- und lokales Recht aufeinander bzw. diese Rechtssysteme finden in unterschiedlichen Kontexten Anwendung. Das hat weitreichende Auswirkungen in allen Lebensbereichen. Beginnend mit dem völkerrechtlichen Status, der Position der Nordgebiete im pakistanischen Staat wird der Rahmen diskutiert, in dem sich Teilrechtssysteme ausbilden konnten. Aus kaschmirischer und britischer Kolonialzeit stammen Institutionen, die nach der Unabhängigkeit überprägt wurden und bis in die Gegenwart wirken. Das islamische Recht - sowohl als staatliche Institutionen prägendes als auch als nicht-staatliches - wird ebenso diskutiert wie das indigene Recht mit seinen tradierten Institutionen. Das Nebeneinander der drei Teilrechtssysteme und ihre Verflechtungen werden nachfolgend auf die Rechtsentwicklung in den Northern Areas projiziert und anhand dreier Rechtsgebiete exemplifiziert: Bodenrecht, Familien- und Erbrecht. Im Schlussteil werden Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren eines pluralen Rechtssystems einer kritischen Würdigung unterzogen. Sabine Lentz widmet sich damit diachron und auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen einem Themenkomplex, der in zahlreichen regionalen Studien häufig ausgeblendet wird bzw. zu kurz kommt. Der Rechtsrahmen, in dem unterschiedliche Rechtssysteme zur Anwendung gelangen, bietet die Bühne, auf der menschliche Handlungen in Beziehung dazu beobachtet werden können. Somit eröffnet diese Arbeit über den konkreten Bezugsrahmen hinaus einen Einblick in komplexe Sachverhalte, die auch andernorts einer Analyse harren, ist eine wahre Fundgrube für Hinweise aus der pakistanischen Rechtspraxis und bietet eine wertvolle Ergänzung der bereits publizierten Sammelbände und Monographien aus dem DFG-Schwerpunktprogramm 'Kulturraum Karakorum'.

Autor: Hermann Kreutzmann

Quelle: Die Erde, 131. Jahrgang, 2000, Heft 2