Alf Hornborg, John R. McNeill u. Joan Martinez-Alier (Hg.): Rethinking Environmental History. World-System History and Global Environmental Change. Lanham/MD 2007. 408 S.

Alf Hornborg u. Carole Crumley (Hg.), The World System and the Earth System. Global Socioenvironmental Change and Sustainability Since the Neolithic. Walnut Creek/CA 2006. 395 S.

Beide Sammelbände sind aus einer Konferenz in Lund/Schweden (2003) hervorgegangen, deren innovatives Anliegen es war, Ideen der Weltsystem-Analyse mit ökologischen Fragestellungen zusammenzudenken. Die 20 Aufsätze in Rethinking Environmental History rücken die asymmetrischen Austausch- und Machtverhältnisse in hierarchischen Systemen interdependenter Staaten (bzw. politischer Einheiten) in den Mittelpunkt und fragen nach deren ökologischer Dimension.

Sie lehnen die in der Umweltgeschichtsschreibung dominierende Perspektive ab, wonach Bevölkerungswachstum und fortschreitende technologische Naturaneignung unausweichlich zu negativen ökologischen Folgen führten, denen ein globales ›Wir‹ undifferenziert ausgesetzt sei. Stattdessen gehen sie davon aus, dass die Menschheit in Bezug auf "Nutzen" und "Lasten von Entwicklung [...] zutiefst gespalten" war und ist und dass sich dies gerade auch in der "ungleichen Verteilung von Umweltproblemen" äußert (1). Zur Prüfung dieser These wird die Weltsystem-Analyse durch Ansätze der ›ecological economics‹ ergänzt, um neben den monetären auch die "physischen Eigenschaften der ausgetauschten Waren" und die "materiellen Konsequenzen von deren Produktion, Transport und Konsum" zu berücksichtigen (2). Dabei werden auch Konzepte der Politischen Ökologie wie "environmental injustice" und "ecological distribution conflicts" für Umweltgeschichte und Gegenwart fruchtbar gemacht (3).
Der erste Teil enthält eindrucksvolle historische Fallstudien. J. Donald Hughes etwa schildert die massiven Umweltprobleme im Römischen Reich (v.a. Bodendegradation und Verschmutzung von Luft und Trinkwasser), die Nahrungsmittelknappheit und Gesundheitsschäden und damit phasenweise einen Rückgang der Bevölkerung zur Folge hatten. Ökologische Verteilungsfragen führt u.a. der enorme Smog durch Holzverbrennung in großen Städten wie Rom plastisch vor Augen, denn nur die Reicheren konnten es sich leisten, regelmäßig zur Erholung ins Umland zu fahren (38). Janken Myrdal sieht die schwedische Expansion im Ostseeraum im 16. und 17. Jh. nicht nur wie üblich durch den Wunsch nach Kontrolle des Seehandels motiviert, entscheidend sei auch die Notwendigkeit von Getreidezufuhr gewesen, weil Schweden allein seine Bevölkerung nicht ernähren konnte, da viele Arbeitskräfte in nicht-agrarischen Sektoren (u.a. Bergbau, Militär) gebunden waren; eine zusätzliche Ursache für die Ernährungskrise sei die staatlich angeordnete Verwendung von Stallmist zur Schießpulverproduktion anstatt zur Düngung gewesen (91), so dass Schweden noch stärker auf Nährstoffströme aus den damals peripheren Regionen (v.a. Pommern, Polen) angewiesen war. Jason W. Moore zeichnet nach, wie die bis dahin boomende frühkapitalistische Metallindustrie in Zentraleuropa Ende des 15. Jh. in ökologische Krisen geriet (weiträumige Entwaldung, Schwermetalle in Luft und Flüssen). Die Verlagerung der Silberproduktion ins koloniale Lateinamerika seit dem 16. Jh. ermöglichte folglich nicht nur die Ausbeutung der dortigen metallreichen Erze und billigen Arbeitskräfte, sondern auf diese Weise ›exportierten‹ die Europäer auch die zugehörigen Umweltprobleme. McNeill arbeitet überzeugend heraus, wie ökologische Eingriffe der Europäer militärische Auseinandersetzungen in den tropischen Kolonien in Lateinamerika beeinflussten. Mit den Sklaven wurden auch Gelbfieber übertragende Mücken aus Afrika in die neu angelegten Zuckerrohrgebiete gebracht, die dort besonders günstige Vermehrungsbedingungen vorfanden. Aufgrund der differenziellen Immunität gegen Gelbfieber (Sklaven waren überwiegend immun, ortsansässige Spanier waren mäßig gefährdet, das größte Risiko bestand für frisch ins Land kommende, rein europäische Gruppen) wurde so einerseits die spanische Herrschaft stabilisiert gegenüber britischen und französischen Angriffen im 17. und 18. Jh. (ein Großteil der Angreifer erlag meist innerhalb weniger Wochen dem Gelbfieber). Andererseits brachte das Gelbfieber später Vorteile für die antikolonialen Bewegungen (z.B. Haiti, Venezuela), so dass die ökologischen Eingriffe der Europäer letztlich zu ihrem eigenen Niedergang beitrugen (213).
Der zweite Teil umfasst quantitative Analysen zur Gegenwart und konzeptionelle Aufsätze. Er ist geleitet von der empirischen Frage nach der global ungleichen Verteilung von Umweltdegradation und der theoretischen Frage nach den strukturellen Ursachen dafür. Helga Weisz will mit Hilfe von Stoffstromanalysen der Importe und Exporte Dänemarks (1990) empirisch nachweisen, dass der nationale Konsum erheblich auf importierte Rohstoffe angewiesen ist und erkennt darin Hinweise auf "ökologisch ungleichen Handel" (302f). Roldan Muradian und Stefan Giljum stützen mit Stoffstromanalysen der internationalen Handelsstatistik 1978-96 die "pollution haven"-Hypothese, gemäß der ›schmutzige‹ Industrien zunehmend im globalen Süden angesiedelt werden (307). Die Studien verweisen allerdings auf die noch unzureichende Datenlage und die Vorläufigkeit ihrer Schlussfolgerungen. Joan Martinez-Alier argumentiert aus Sicht der ›ecological economics‹, dass die Peripherien Rohstoffe und Energie für die Entwicklung und Aufrechterhaltung des "sozioökonomischen Metabolismus" der Zentren liefern; folglich müsse das Konzept des "ökonomisch ungleichen Tauschs" (u.a. aufgrund von Lohndifferenzen, vgl. Arghiri Emmanuel) durch das des "ökologisch ungleichen Tauschs" ergänzt werden (233). Stephen G. Bunker versucht ungleiche Entwicklung aus unveränderlichen "physical laws" abzuleiten: erstens sei die räumliche Trennung von Extraktion und Produktion unausweichlich (v.a. da neue Technologien meist spezifischere Ressourcen benötigen, die an immer weniger Orten vorkommen), zweitens seien extraktive Sektoren durch fallende, produktive hingegen durch steigende Skalenerträge gekennzeichnet (239ff), so dass extraktive Sektoren ökonomisch und ökologisch gegenüber produktiven strukturell benachteiligt seien. Allerdings lehnt er wenig überzeugend die Arbeitswerttheorie ab, indem er von Wert spricht, der "vorwiegend in den Gütern (goods) selbst und nicht in der enthaltenen Arbeit" stecke (251). Hornborg fasst den "industriellen Kapitalismus eher als globales Nullsummenspiel denn als nationales Füllhorn" auf und folgert analog zum Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, dass die "lokale Erzeugung von kultureller und technologischer ›Ordnung‹ und Struktur" zwangsläufig "steigende energetische und materielle ›Unordnung‹ " außerhalb dieser Zentren zur Folge habe. Jede "industrielle Infrastruktur" müsse einen "ungleichen Austausch von freier Energie mit ihrem Hinterland aufrechterhalten, um überleben und wachsen zu können", was sich exemplarisch bei den fossilen Energieträgern zeige, deren Energie durch Verbrennung lokal genutzt wird und deren Rückstände sich anschließend gasförmig über den Globus verteilen (259f). Das Grundprinzip der "maschinellen Technologie ist, (lokal) Zeit und Raum zu sparen oder freizusetzen, allerdings auf Kosten von anderswo verbrauchter Zeit und Raum", d.h. Globalisierung dürfe nicht nur als "Raum-Zeit-Kompression" (Harvey), sondern müsse auch als "Raum-Zeit-Aneignung" aufgefasst werden (270). Immanuel Wallerstein sieht das Spezifische des kapitalistischen Naturverhältnisses durch den Zwang zu "endloser Kapitalakkumulation" bedingt, der sich an den "zwei entscheidenden bioökonomischen Momenten" zeige: so wenig wie möglich für natürliche Ressourcen (und deren Erneuerung) und für Abfallbeseitigung zu bezahlen (381). Das kapitalistische Weltsystem befinde sich in seiner "abschließenden strukturellen Krise" und werde innerhalb der nächsten "25 bis 50 Jahre" durch etwas Neues ersetzt; erst dann sei es möglich, die "selbstzerstörerischen Muster globaler Umweltveränderungen zu überwinden" (382).
Die 21 Beiträge in The World System and the Earth System fokussieren weniger auf globale Asymmetrien und Verteilungsfragen. Sie sind stärker von der Anwendung naturwissenschaftlicher Methoden und Konzepte, v.a. aus der Theorie komplexer Systeme, auf Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung geprägt. Viele Beiträge zielen auf die dynamische Modellierung der langfristigen Wechselwirkungen sozio-ökonomischer und ökologischer Systeme über Jahrhunderte bis Jahrtausende ab. Mehrere Aufsätze befassen sich mit dem demographischen und ökonomischen "Pulsieren von Weltsystemen" (4), etwa dem Aufstieg und Niedergang von Hochkulturen und der Abfolge sich ablösender Hegemonialmächte. So detektieren Christopher Chase-Dunn, Thomas D. Hall und Peter Turchin synchrone Schwankungen der Bevölkerungszahl in Europa, West- und Ostasien seit der Eisenzeit, während Südasien eher davon entkoppelt pulsiere (143); Hall und Turchin diskutieren - inspiriert von der Populationsökologie - als mögliche Ursachen für solche Synchronizitäten "weak links" wie Handel mit Luxusgütern, geringfügige Migration oder Verbreitung von Krankheiten, aber auch global wirkende Faktoren wie Klimawandel (90). George Modelski versucht mit einer Zeitreihe der weltweiten Städteanzahl die These zu stützen, dass globale "darkages", d.h. Phasen der Reorganisation, die durch Bevölkerungsstagnation, ökonomische Umverteilung und Erholung der natürlichen Umwelt gekennzeichnet sind, etwa alle zwei Jahrtausende auftreten (z.B. im 2. Jt. v.u.Z. und im 1. Jt.), u.a. aufgrund der Erschöpfung natürlicher und menschlicher Ressourcen (188f). Angesichts der derzeitigen globalen Entwicklung wenig überzeugend ist allerdings seine Diagnose, dass sich das Weltsystem seit etwa 1850 erneut in einer solchen Phase befinde, und auch, dass diese Phase aufgrund von Demokratisierung und Informationstechnologien in eine "›nicer‹ world" führe (191).
Historisch-empirische Fallstudien untersuchen den Zusammenhang von natürlichem Klimawandel und gesellschaftlicher Entwicklung. Für Björn E. Berglund spielten Klimaveränderungen eine "große Rolle" bei landwirtschaftlicher Expansion und Regression in Nordwest-Europa in den letzten Jahrtausenden (120). So fällt etwa die Besiedlung Grönlands durch die Wikinger um 800 in die mittelalterliche Warmzeit, während um 1400, zu Beginn der ›Kleinen Eiszeit‹, das Land wieder verlassen wurde (117). Auch William R. Thompson bringt den - trotz ihrer beträchtlichen politischen und kulturellen Differenzen - gemeinsamen "politisch-ökonomischen Rhythmus" von Ägypten und Mesopotamien zwischen 4000 und 1000 v.u.Z. mit klimatischen Fluktuationen in Verbindung, die v.a. aufgrund von Wasserknappheit zu Konflikten führten. Klimawandel habe "zunächst zur Entstehung der alten Zivilisationen beigetragen und später eine Schlüsselrolle bei ihrem Niedergang gespielt" (164). Obwohl beide Klima als wichtigen Faktor ansehen, lehnen sie Klimadeterminismus ab: Es hänge entscheidend von der jeweiligen Gesellschaft ab, ob Klimawandel etwa zu kultureller oder politischer Innovation oder zum Zusammenbruch führe. Ein Mangel ihrer Konzeptualisierung des Verhältnisses von Klima und Gesellschaft ist allerdings, dass die Möglichkeit von anthropogenem Klimawandel, der auch schon lange vor der industriellen Revolution zumindest auf lokaler bis regionaler Skala stattfand, nicht diskutiert wird. Thomas Malm kritisiert die weitverbreitete Ansicht, dass es die begrenzte Tragfähigkeit sei, die zwangsläufig früher oder später zum Niedergang von (vermeintlich isolierten) Inseln führe. Die Bevölkerung der Osterinsel etwa sei erst nach dem europäischen Kontakt durch eingeschleppte Krankheiten und Sklavenhandel fast ausgelöscht worden. Ebenso sei für die heutigen pazifischen Inseln die "Einverleibung ins Weltsystem" eine größere Bedrohung als die Isolation, wie sich z.B. angesichts von Atomwaffentests, Müllproblemen und Ressourcenextraktion zeige (278). André Gunder Franks posthum erschienener Aufsatz - Teil des noch unveröffentlichten Manuskripts "ReOrient the 19th Century" - geht den Ursachen für den Aufstieg Europas und den Niedergang Chinas im 19. Jh. nach, dabei insbesondere den ökologischen Aspekten (303f). Bei der Analyse des ungleichen multilateralen Handels experimentiert er mit dem Konzept der "physical/ecological and social entropy", die vom Zentrum zur Peripherie transferiert werde. Dies erlaube in den "industriellen Kernregionen" mehr "Ordnung und Demokratie", führe in der Peripherie jedoch zu "größerer Unordnung, einschließlich beschleunigtem ökologischem Schaden, Krieg, sozialem Unfrieden und politischem Konflikt" (304). Das "Opiumdreieck zwischen China, Indien und Großbritannien", dessen Etablierung in Indien Anbauflächen verbrauchte, in China gravierende gesundheitliche und soziale Folgen durch Opiumkonsum hatte und die chinesischen Staatsfinanzen durch den Abfluss von Silber nach Großbritannien ruinierte, sei ein Beispiel für die "Verlagerung von Entropie (displacement of entropic costs)" weg von Großbritannien (315).
Das Verdienst beider Bände ist es, die stoffliche Dimension des globalen Austauschs herauszuarbeiten. Eine seit langem gegen die Weltsystem-Analyse vorgebrachte Kritik findet allerdings auch ökologisch ihre Entsprechung: Indem mehr auf die Zirkulation als auf die Produktion abgehoben wird, bleibt die Klassenspezifik ökologischer Ungleichheiten innerhalb der Zentren und Peripherien oft ausgeblendet, d.h. es ist viel von räumlich, aber wenig von sozial ungleicher Verteilung die Rede. Zudem ist fraglich, ob die Vorstellung eines globalen Nullsummenspiels in ökologischer Hinsicht haltbar ist; gerade beim öfter herangezogenen anthropogenen Klimawandel kann es langfristig wohl nur Verlierer geben. Die Anwendung naturwissenschaftlicher Konzepte ist durchaus heuristisch fruchtbar, allerdings scheint es sich zuweilen um direkte Übertragungen zu handeln, die die Grenzen der Anwendbarkeit ignorieren (z.B. Hornborg, Frank). Und auch wenn es nicht das eigentliche Anliegen der Bände war, politische Schlussfolgerungen zu ziehen, bleibt dies doch eine offene Frage. Die wenigen expliziten Aussagen dazu wie die von Emilio F. Moran, der eine durch transparente Produktkennzeichnung geleitete "Kosumentenbewegung" als wichtigste politische Akteurin ansieht (2006, 235), und die von Joseph A. Tainter, der davon ausgeht, dass sich "Politiker, Wirtschaftsführer und Manager" global verantwortungsvoller verhalten, sobald sie von einer durch die "Weltsystem-Theorie" aufgeklärten Bevölkerung dazu angehalten werden (2007, 374), sind bloße Appelle an eine Vernunft, der eine wirkliche Bewegung gegen die auf dem Spiel stehenden Profitinteressen auf die Sprünge helfen muss.
Oliver Walkenhorst

Quelle: Das Argument, 50. Jahrgang, 2008, S. 621-623