Joachim Radkau (unter Mitarbeit v. Ingrid Schäfer): Holz - Wie ein Naturstoff Geschichte schreibt. München 2007. 344 S.

Das Buch von Radkau, Technik- und Umwelthistoriker an der Uni Bielefeld, und Schäfer ist das reife Produkt von Studien, die 1980 mit der Frage nach den technologischen Auswirkungen von Holzverknappung in der frühen Neuzeit begannen und deren Zwischenresultate 1987 unter dem Titel Holz - Ein Naturstoff in der Technikgeschichte veröffentlicht wurden. In der vorliegenden erweiterten Neuausgabe zeichnen Verf. die historische Entwicklung des Verhältnisses der wirtschaftenden Menschen in Mittel- und Westeuropa zu ihren Waldressourcen seit dem Mittelalter nach und deuten diese im Sinne von Max Webers Rationalisierungsthese. Der "neuerliche Holzboom" habe für ein emotional aufgeheiztes, dramatisches Finale dieser Erzählung gesorgt, das gewiss nicht ihr Ende bedeute (14f).

Verf. gliedern ihre Untersuchung in drei Teile: Mittelalter und frühe Neuzeit, Vorfeld der industriellen Revolution und Zeit der Hochindustrialisierung. Durch umfangreiche Rodungen, die zu Holzverknappung und in der Folge zu Holzhandel v.a. über die Wasserwege führten, stieß die mittelalterliche Gesellschaft an sozial umkämpfte Grenzen der Waldnutzung. Die Holznot der Subsistenzwirtschaft verstärkte sich im ausgehenden Mittelalter aufgrund der expandierenden gewerblichen Nutzung von Brennholz v.a. in Bergbau (Metalle, Salz) und protoindustrieller Produktion. Im Vorfeld der industriellen Revolution erweiterte sich die industrielle Holznutzung vom 16. bis zum Ende des 18. Jh., dem Höhepunkt des europäischen "hölzernen Zeitalters" (133ff). Eingeleitet wurde dieses durch die handelskapitalistische Formierung der Niederlande mit ihrem großen Bedarf an Stammholz für Segelschiffe und Städtebau (und auch für die berühmten Holzschuhe), das sowohl maritim aus Skandinavien als auch auf sog. Holländerflößen vom Oberrhein eingeführt wurde. Im Zuge kapitalisierender Agrarreformen in Westeuropa wurde die gemeinschaftliche Nutzung des Waldes abgeschafft. Dies gab der Waldwirtschaft eine "Chance zur Autonomie" (147), brachte aber bei Dominanz einer modernisierten Landwirtschaft auch weitere Rodungen mit sich. Nicht zuletzt fortdauernde fürstliche Jagdinteressen verunmöglichten Kombinationslösungen einer neuen "Agroforestry" (296), welche die alte bäuerliche Nutzung von Gemeinweiden im Wald kreativ fortgeführt hätten, wie dies in heutigen Entwicklungsländern schon seit langem versucht werde (283).
Als europäische Sonderentwicklung beschreiben Verf. die Verrechtlichung der konfligierenden Interessen bei der Waldnutzung seit dem 16. Jh., leiten diese aber nicht aus der Geschichte der Klassenkämpfe und -kompromisse ab. Sie schließen sich der von Brose 1985 formulierten Antithese gegen die gewöhnliche Erklärung des Übergangs vom Holz zur Kohle an: "Nicht als Reaktion auf Holzmangel, sondern im Rahmen neuer expansiver Strategien, und nicht selten dank staatlicher Förderung, wurde die Steinkohle zur Grundlage des Wirtschaftslebens." (214) Leider erklären Verf. die Stoffgeschichte aber nicht weiter aus Strategien der gesellschaftlichen Arbeit, ihrer Regelung und Steuerung bis hin zur resultierenden Ressourcenwirtschaft. Stattdessen erwähnen sie nur kasuistisch, dass die "Einführung der Kohle in typischen Fällen mit dem Übergang zur hochkapitalistischen Unternehmensform einherging" (ebd.). Daher bleibt der Wandel der arbeits- wie stoffbezogenen gesellschaftlichen Strategien und insbesondere ihrer dominanten Subjekte letztlich unbegriffen. Es ist aber verdienstvoll, auf diese Dynamik aufmerksam gemacht zu haben, statt bei einer stofflichen Mangelthese stehen zu bleiben.
In der bis heute reichenden "Zeit der Hochindustrialisierung" wurde Verf. zufolge Holz zum Rohstoff Industrieholz mit immer elementarerer Aufbereitung in Span- und Faserplatten sowie in der Papierindustrie "denaturiert" (244). Jedoch habe das Holz seine Bedeutung sowohl im Möbel- wie im Hausbau beibehalten. Seine Verdrängung in vielen Anwendungsbereichen durch Eisen und Stahl, Kohle- und Petrochemie habe sich zudem sowohl qualitativ wie quantitativ als problematisch erwiesen, was einer Renaissance des Holzes zugute komme - die Frage sei nur, ob energetisch als Brennholz oder konstruktiv als Nutzholz (293). Da das "Waldsterben" nur ein Horrorszenario gewesen sei - was von den Anrainern der Schwefelschleudern vermutlich anders gesehen wurde und im Weltmaßstab auch aus anderen Gründen durchaus noch immer real ist -, entwickeln Verf. eine eher optimistische Perspektive für die künftige Waldwirtschaft und wünschen sich im Hinblick auf Energiekrise und Klimawandel das Zustandekommen einer "großen grünen Allianz" (273). Dieses Bündnis erfordere allerdings eine "gute Erziehung zum langfristigen und zum bedächtigen Denken", um das "politische Potential des Holzes [...] am besten realisieren " zu können (ebd.). Zu "vorausschauender Sorge" zwänge das "unendlich langsame Wachstum der Bäume", das immer schon in "schreiendem Kontrast [zu] der Schnelle [stand], mit der das Holz im Feuer vergeht" (159). Möge diese Weisheit den Pyromanen aller Schattierungen ins Schulbuch geschrieben werden, die im Namen einer vermeintlichen CO2-Neutralität der Holzfeuerung derzeit eine eher unheilige Allianz mit den Verteilern von CO2-Krediten eingehen.
Da Verf. der arbeitstheoretische und stoffökonomische Zugang einer reproduktionstheoretisch reflektierten kritischen politischen Ökonomie fehlt, bleiben auch ihre Erörterungen zu "Wendezeiten der Wald- und Forstwirtschaft" (34f) polemisch: "Eine konsequent ökonomisch ausgerichtete Waldwirtschaft wurde immer wieder gefordert und proklamiert, aber bis heute nicht verwirklicht" (35). Da ihre Auffassung von Rationalität aufs Kalkulatorisch- Ökonomische beschränkt ist, gerät die Relation von Gesellschaft und Natur zum Dualismus. Nach einem kurzen komparativen Ausblick auf die tropische und plantagenförmige Bewirtschaftung von Wäldern und Feldern gelangen Verf. zwar zur Einsicht, dass "in die Beziehung des Menschen zur Natur Naturgesetze hineinspielen" (294). Es bleibt dann aber ausgeblendet, dass die hochtechnologische Zivilisation wenig auf für die Reproduktion von Waldressourcen zentrale umweltbiologische Gesetze Rücksicht genommen hat - soviel die physik- und chemiebasierten Industrien auch in ›life sciences‹ mutiert sein mögen (vgl. Argument 242/2001: "Geburt des Biokapitalismus"). Die Klimaproblematik wird dazu zwingen, diese reduzierte Komplexität wieder verständlich zu machen und, mit dem Marx des Kapital, den "Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde [...] systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Produktion und in einer der vollen menschlichen Entwicklung adäquaten Form herzustellen" (MEW 23, 528).
Rolf Czeskleba-Dupont

Quelle: Das Argument, 50. Jahrgang, 2008, S. 623-624