Rudolf Anschober u. Petra Ramsauer: Die Klima-Revolution. So retten wir die Welt. Wien 2007. 224 S.
Die programmatische Schrift des oberösterreichischen Umweltlandesrats Anschober und der Journalistin Ramsauer ist durchgängig von einer sympathischen emotionalen Gesamtbewertung getragen und endet optimistisch: "Wir schaffen die Klima-Revolution und damit die Begrenzung des Ausmaßes der Klimaveränderung aus einem sehr einfachen Grund: weil der Mensch kein Verbrecher ist." (222)
Dieses Mensch-Pathos hat seine Berechtigung bei der Beschreibung der vielfältigen klimatisch mitverursachten Anschläge auf Lebensbedingungen von pazifischen Inselbewohnern, denen Wasser und Stürme immer mehr auf den Leib rücken; von Bewohnern der Arktis, die ökosystemarer Nahrungsquellen beraubt werden; von Nomaden und Bauern im Sahel, die in den ökologischen Ausnahmezustand versetzt sind, oder von Europäern, die durch Gletscherschwund, Hitzewellen, Hochwasser und Angst um deren künftige Zunahme geplagt sind. Diese Themen werden in der ersten Hälfte des Buches mit apokalyptischen Perspektiven von um sich greifendem Hungertod (112ff) und einer drohenden "gigantischen Völkerwanderung" (119) verbunden, da anthropogener Klimawandel in vielen Regionen v.a. die landwirtschaftliche Produktion aufgrund von Wassermangel, Bodenerosion usw. untergräbt. An den gesunden Menschenverstand richtet sich die Rede von der "Alarmstufe Rot auf Planet Erde" (121), die zunehmend von Forschungsinstanzen wie dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, dem Klimabeirat der UNO (IPCC) und Ökonomen wie Nicholas Stern ausgerufen wird. Symptome und Trends des Klimawandels werden abgehandelt, wobei nachdrücklich auf die vielfachen Gefahren positiver Rückkopplungseffekte bei steigenden Temperaturen aufmerksam gemacht wird, die sich aus biogeochemischen Zusammenhängen ergeben und für die das schon beginnende Auftauen der Permafrostböden nur ein Beispiel ist.
Ohne gesellschaftsanalytische Klärung der Verursacherfrage geht es dann weiter mit hundert durchaus interessanten Schritten zur "Klimarettung" (157). Vorgeschlagen wird u.a. systematisches Energiesparen (173), die Einleitung der "grünen Wende" (185), sanfte Mobilität (190), das an die Wirtschaft appellierende "Unternehmen Klimarettung" (198) und Lebensstiländerungen (203) - alles durch Sachhinweise untermauert. Der Mythos einer Renaissance der Atomenergie wird mit Recht in Schranken gewiesen, da sowieso der Ersatz vieler auslaufender Meiler anstünde und Investitionen eher auf Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energieträger konzentriert werden sollten (186f). Schließlich folgen zehn Thesen dazu, warum das Klima noch zu retten sei, die von der Betroffenheit aller (209) bis zur Hoffnung reichen, die (re-)aktive Revolution sei nicht mehr zu stoppen (221f). Dabei wird vorschnell behauptet, über den Ernst der Lage herrsche wissenschaftlicher Konsens (210f) - was jedoch nicht der Fall ist, wie z.B. Lomborgs Cool it! zeigt (vgl. Das Argument 276, 2008). Ohne Zweifel aber ist Klimaschutz zum Politiktest geworden und "illustriert die Schwächen des gesellschaftlichen Systems" (211). Die EU ist dabei auf Programmebene durchaus zum Schrittmacher geworden (212ff), besonders - was Verf. nicht erwähnen - durch das sog. Zwei-Grad-Ziel. Wenig überzeugend ist die Begründung des Eintretens der Klimarevolution damit, dass Öl, Gas und Kohle aufgrund ihrer endlichen Vorkommen "Geschichte werden müssen" und dass die "grüne industrielle Revolution zum Beschäftigungswunder und Friedensgarant wird" (214ff). Politisch offene Fragen wie die, ob "der Weltklimavertrag zum Klima-Marshallplan wird" (217), ob "Naturkatastrophen die USA und Australien wachrütteln " (218) oder ob "China immer stärker unter Druck kommt" (220), werden vorschnell bejaht, um eine krampfhaft erscheinende Siegerpose annehmen zu können.
Die zwischen Drohszenarien und Handlungsempfehlungen fehlende Analytik führt zu schwerwiegenden Inkonsistenzen. Über dem Feindbild der fossilen Energieträger entgeht Verf., dass ein us-amerikanischer Anwalt ihrer Sache wie Thomas Friedman "global die Energieversorgung weg von schmutziger Kohle und Öl hin zu erneuerbaren Ressourcen bewegen" will (213), hierbei aber mit Recht vom Erdgas - das sie ebenfalls auf den Müllhaufen der Geschichte werfen wollen - als möglichem Übergangsbrennstoff einer Methan-Ökonomie (mit Biogas) absieht. Ihre kritiklose Empfehlung von Holzbrennstoffen als CO2-neutral (184f) zeigt auch, wie sehr sie selber in politische Vorurteile verstrickt sind. Seit längerem ist bekannt, dass die Verbrennung von Holz mit etwa 20 % der CO2-Gesamtemissionen erheblich zur Treibhausproblematik beiträgt. Da dies nicht nur für tropisches Holz gilt, steht insgesamt ein Übergang zu kohlenstoff-freien Energieträgern auf der Tagesordnung. - Die Energiewende, auf die Verf. ihre Hoffnungen für das 21. Jh. setzen, kann noch immer zu einer verpassten historischen Chance werden. Seit etwa 1980 wurden nicht nur in der BRD umsetzbare Wendeszenarien bereits parlamentarisch diskutiert. Die historische Entscheidung dominierender Kapitalfraktionen und namentlich der Regierungen der USA, lieber die kriegerischen Verwicklungen ums Öl des ›Mittleren Ostens‹ anzufeuern, stellten die friedliche Energiewende aber wieder ins Abseits. So wurde Barry Commoners Rat in den Wind geschlagen, aus ökonomischen (sic!) Gründen von nicht-erneuerbaren auf erneuerbare Energieträger umzusteigen (Making Peace With the Planet, 1990), wodurch die drohende Gefahr der Klimaveränderung sich weiter entfalten konnte.
Rolf Czeskleba-Dupont