Holger Magel (Hg.): Von Konkurrenz und Konfrontation zur Kommunikation und Kooperation - ländlicher Raum neu entdeckt. München (Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung, Materialiensammlung Heft 37) 2007. 185 S.
Während in der Schweiz die Verstädterung dominiert und das wissenschaftliche und politische Interesse am ländlichen Raum zurückgeht, wendet man sich in Deutschland mit Innovationsanspruch erneut diesem Gebiet zu. Der Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung, Prof. Holger Magel, der Technischen Universität München lässt nicht locker. Er insistiert auf dem Befassen mit dem ländlichen Raum und verpflichtet Wissenschaftsvertreter aller relevanten Fachgebiete in gleichem Masse wie landesseitige wie auch kommunale Politiker aus Stadt und Land.
Bayerns Landschaft lädt in jeder Hinsicht dazu ein.
Über die gross angelegte Tagung vom März 2007 liegt nun ein Materialienband vor, der die Aufmerksamkeit der schweizerischen Raumplaner, Regionalökonomen, Bergebietsspezialisten, der Forschenden usw. verdient. Sicherlich, in Deutschland, wo von Bevölkerungsrückgang, Rückbau der Städte und Bedenken wegen der Abwanderung aus dem ländlichen Raum sowie von Sorge um die dortigen wirtschaftlichen Strukturen die Rede ist, liegen die Probleme mindestens akzentuiert anders als in der Schweiz. Hier zu Lande wächst die Bevölkerung - niedergelassen in Städten und Agglomerationen - nach wie vor, und zwar massiv. Sie hat in der Zwischenzeit bei hoher Zuwanderungsrate 7,6 Mio. erreicht. Die Personenfreizügigkeit mit der EU zeitigt Auswirkungen, und zwar für Menschen mehrheitlich mit hohen Ansprüchen an Arbeitsplätze, Wohnraum, Versorgung, Freizeiteinrichtungen sowie Mobilität. Der ländliche Raum wird davon, abgesehen vom Wachstum der Agglomerationen am Rande, kaum berührt, doch bildet er den Kern der offenen Landschaft, die das Bild der Schweiz nicht minder prägt als die urbanen Siedlungsgebiete. Deshalb gilt es, der planerischen Vernachlässigung des Nicht-Siedlungsgebietes und damit des ländlichen Raumes zu wehren.
Die Schrift aus Bayern wendet sich gegen den künstlichen Gegensatz von Stadt und Land, betont neben den denkbaren Chancen die Gefahren der Metropolitanräume, unterstreicht die Vielfalt des ländlichen Raumes, erkennt die Synergien in den Regionen, mahnt zur besseren Koordination der sektoralen landesweiten Politikbereiche, sorgt sich um die finanziellen Ressourcen und das Ausbalancieren der Verantwortungsgemeinschaften zwischen Bürgern untereinander, zwischen Bürgern und Kommunen, zwischen Kommunen sowie zwischen Kommunen und Land. Es gehe immer um das konstruktive Teilen im Gemeinsamen. Dabei wird auf OECD-Berichte verwiesen und schlussfolgernd gefordert, dass bei den Menschen und nicht bei den Institutionen zu beginnen sei. Nach Good Governance im und für den ländlichen Raum wird gesucht.
Für die Raumplaner besonders lesenswert ist der Aufsatz von Manfred Sinz vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Berlin. Er befasst sich mit dem diskutierten Gegenstand aus der Sicht der Raumplanung. Er wendet sich gegen die herkömmlich Negativdefinition zur Abgrenzung des Ländlichen Raumes, er fragt vielmehr nach den Erreichbarkeiten städtischer Zentren und nach dem korrelierenden (langfristig wohl irgendwie auszugleichenden) Wohlstandsgefälle. Sinz folgert, der ländliche Raum habe als homogenes, eigenständiges Gebiet ausgedient und tendiert in Richtung einer Partnerschaft von Stadt und Land. Konkret befürwortet er integrierte Konzepte für Stadtregionen und ländliche Räume. Somit finden sich an diesem Punkt übereinstimmende Elemente mit Ansätzen, welche auch im Kontext der schweizerischen Diskussion der Regionalpolitik in den Vordergrund gerückt worden sind. Wenn ich recht sehe, fand die gewichtige Argumentationskette von Raumplaner Sinz (noch) keinen grossen Widerhall. Eine gewisse Abneigung gegenüber raumplanerischen Leitbildern schwang dabei mit. Doch ändert dies nichts daran, dass die Überlegungen dieses Autors hoher Aufmerksamkeit wert sind.
Bei dieser Gelegenheit darf Herrn Dr. Horst Karmann vom organisierenden Lehrstuhl - den Herausgeber Prof. Holger Magel schätze ich einverstanden - ein Kränzchen gewidmet werden. Leider tritt er wegen Erreichens der Altersgrenze zurück. Er hat die Anliegen, die in dieser Tagung zum Ausdruck kamen, während vieler Jahre mit menschlicher Wärme begleitet und unterstützt - notabene mit Aufmerksamkeit gegenüber der Schweiz und mit besonderem Interesse für ethische Grundsatzfragen.
Martin Lendi