Bastian Lange: Die Räume der Kreativszenen. Culturepreneurs und ihre Orte in Berlin. Bielefeld 2007. 339 S.
Mit "Räume der Kreativszenen" greift Lange ein in vielen wissenschaftlichen Disziplinen, aber auch in planerischen und politischen Diskursen zu wenig beachtetes Thema auf. UnternehmerInnen in Szenen. Der Szenebezug ist ein Schlüsselkriterium für das Verständnis von Funktionieren und Überleben innovativer Köpfe in einer flexibilisierten urbanen Ökonomie und zunehmend individualisierten Gesellschaft.
Im Zentrum der Publikation stehen die sogenannten Culturepreneurs und ihre Raumbezüge, sei dies die Aneignung von Räumen oder die Umformung und die Interpretation von Räumen durch Imagebildung. Culturepreneurs sind jene neueren UnternehmerInnen, die seit Beginn der 1990er Jahre im weiten Feld der Kulturwirtschaft aktiv geworden sind, wie DesignerInnen, Trendmodeläden, Clubbetreiber etc. Ihnen gemeinsam ist ein Mitwirken an der Gestaltung neuer Formen, Symbole und Codes, die sich in Szenen entwickeln. Lange fragt nach den "subjektiven Bedeutungszusammenhängen zwischen Symbolproduzenten und ihren Vergemeinschaftungsformen in Berlin".
Berlin wird in der Fragestellung als besonderes Gefäss für die Entwicklung einer reichen kulturwirtschaftlichen Entwicklung dargestellt, was nicht zuletzt mit dem Label Berlin Designstadt belegt wird. Die Culturepreneurs arbeiten an neuen Formen der Repräsentation des Städtischen: "Durch die Programmierung von Orten bzw. deren gezielte Ausformung mit Atmosphären erweisen sich die Akteure der Kreativwirtschaft als Raumproduzenten und soziale Architekten des Post-Urbanen" (S. 15). Die neue Formensprache aus Räumen und Szenen heraus ist eng mit dem Auftauchen von Technomusik und der entsprechenden Clubszene verwoben. Mit dem Mauerfall haben sich hierfür sehr günstige Rahmenbedingungen ergeben, sei dies in den neuen zentralen Lagen, wo zuvor die Berliner Mauer stand, oder in den Stadtteilen im Osten, wo Räume in Industriearealen frei wurden und die Mieten äusserst günstig waren. Berlin wird auch als City of Talents beschrieben, was man der Stadt nicht absprechen mag, und doch bleibt anzufügen, dass ähnliche Entwicklungen in vielen Städten weltweit stattgefunden haben, sei dies in Amsterdam, Barcelona, London oder Zürich. Partyszenen gemischt mit dem neuen urbanen Lifestyle haben sich vielerorts aus Club- und Politsubkulturen herausgebildet.
Die Publikation zeichnet sich durch sehr intensive Auseinandersetzungen mit verschiedenen Diskursen wie mit Raumkonzepten der neueren (sozial-)geographischen Forschung, den Konzepten des Unternehmertums, den verschiedenen kulturwirtschaftlichen Debatten, den Theorien zu Szenen und Vergemeinschaftung und der Entwicklung von Berlin selber aus. Damit wird die Grundlage gelegt für eine empirische Auseinandersetzung mit vier Beispielen von Culturepreneurs. Es werden die Raumstrategien, Vernetzungen in der Szene, unternehmerischen Rahmenbedingungen und Praktiken untersucht. Es zeigt sich bei allen Fällen neben einem hohen Selbstorganisationspotenzial (was von Unternehmern auch erwartet werden darf) eine starke Experimentieridentität, die mit lebensweltlichen Erfahrungen durch die Zugehörigkeit zu und das Mitprägen von Szenen gemischt wird und auch mit politischer Einmischung in lokalen Aktionen erarbeitet wird. Es zeigt sich aber auch, dass "die der berufsbedingten Expressivität nahe liegende Selbstcharismatisierung als Künstler [...] sich nicht in allen Fällen" vollzieht.
Lange konstatiert als Ergebnis der Raumaneignungs- und Codierungsprozesse der Culturepreneurs einen "flexiblen und einen situativen Urbanismus". Flexibel bezieht er dabei auf die ökonomischen Rahmenbedingungen hochgradig flexibel agierender UnternehmerInnen sowie die flexiblen Raumaneignungen nach der Wende. Situativer Urbanismus ist zu verstehen als "Körperraum ", welcher durch soziale Ereignisse, also Erlebnisse wie Parties an bestimmten Orten geschaffen wird.
Es wird von berlinspezifischen Regeln, Prozessen, Narrativen, atmosphärischen und symbolischen Aufladungen gesprochen. Wer aber nie in Berlin war und nicht in Clubs und Szenen verkehrte, wird Mühe haben, diese Dispositionen, in denen sich die Akteure bewegen und mit denen sie arbeiten, zu verstehen. Langes Sprache hat etwas Barockes und vermag gewisse Prozesse oder Lebenslagen zum Teil sehr präzis zu beschreiben. Sehr oft verlieren sich die Sätze aber in komplexen Verschachtelungen mit immer neu eingeführten Begriffen. Dies gipfelt im Schlusskapitel im Beizug von neuen Diskursen und konzeptionellen Neufassungen oder in neuen Thesen, um die dem Werk zugrunde liegenden Thesen zu belegen. Insgesamt handelt es sich aber um ein reiches Werk, das zu hochaktuellen Themen der neueren Wirtschafts- und Sozialgeographie tiefgreifende Auseinandersetzungen und Erkenntnisse bietet.
Philipp Klaus