Rainer Krüger: Spur der Freiheit. Menschen im Wohnmobil. Stuttgart 2002. 336 S.
"Nomaden der Freizeitgesellschaft - auch ich gehöre dazu." So beschreibt der Autor seine Beziehung zum Untersuchungsobjekt - und auf gleiche Weise könnte sich auch der Rezensent positionieren. Der Subjektivitätsvorwurf trifft sowohl auf Autor wie Kritiker zu, beide sind in ihrer Argumentation demnach der hermeneutischen Logik verpflichtet. Dies vorweg. Der Rezensent bekennt freimütig, dass er selten ein Buch eines Fachkollegen mit so viel Leidenschaft und Spannung gelesen hat. In Krügers Buch kommen sich Forscher und Beforschte näher, ja es verschwimmt oft sogar der Unterschied.
Dabei entsteht ein faszinierendes Bild einer Verhaltensgruppe, die in sich außerordentlich differenziert ist. So wie es im Siedlungsmuster offenbar "Zwischenstädte" gibt, so erscheinen Menschen im Wohnmobil irgendwie "dazwischen", zwischen Weg und Ziel, Camping und "freiem Stehen", Individualität und Geselligkeit, Natur und Kultur, Umweltsünde und Umweltverträglichkeit, Geiz und Freizügigkeit, sozioökonomischer Determiniertheit und freiem Lebensstil. In seinen Kapiteln, die auf narrativen Interviews mit 77 Paaren und Einzelpersonen zwischen Nordkap und Südspanien beruhen, entwirft der Autor ein facettenreiches Bild eines Reisestils, der immer mehr Menschen in seinen Bann zieht. Ganz nebenbei lernt der Leser dabei auch den Erkenntniswert qualitativer, akteursorientierter Sozialforschung kennen. Und wie bei allen hermeneutischen Ansätzen kann man dem Autor über mehr als 300 Seiten leidenschaftlich folgen oder ihn ebenso leidenschaftlich ablehnen. Hier schließt sich der hermeneutische Zirkel der Rezension: Der Rezensent gehört zu den leidenschaftlich positiven Lesern und empfiehlt das Buch daher zunächst einmal allen Wohnmobilisten, aber nicht nur diesen, sondern unbedingt allen neunmalklugen Tourismusfachleuten, Fremdenverkehrsgeographen, Mobilitätsforschern, qualitativ arbeitenden Sozialwissenschaftlern, Soziologen und vor allem auch Nationalökonomen, und möglicherweise auch Betriebswirtschaftlern. Wieviel stumpfsinnige Hotelarchitektur bliebe uns erspart, wenn mehr Menschen nur nachts und ganz kurzfristig Fläche beanspruchen und die Umwelt um den Aufwand für Infrastruktur und Unterhalt nicht ausgelasteter Einrichtungen entlasten würden!