Sebastian Lentz und Ferjan Ormeling (Hg.): Die Verräumlichung des Welt-Bildes. Petermanns Geographische Mitteilungen zwischen „explorativer Geographie“ und der „Vermessenheit“ europäischer Raumphantasien. Beiträge der Internationalen Konferenz auf Schloss Friedenstein Gotha, 9.–11. Oktober 2005. Stuttgart 2008. 267 S.

 

Die 150. Jährung der ersten Ausgabe der Zeitschrift Petermanns Geographischen Mitteilungen (kurz PGM, Einstellung des Erscheinens in 2004 nach mehrmaliger Titeländerung) wurde zum Anlass genommen, sich im Rahmen einer Konferenz mit der Wirkung dieser Zeitschrift im Besonderen bzw. mit europäischen Raumphantasien allgemein auseinander zu setzen.

Die Ergebnisse liegen in dieser vielschichtigen und interdisziplinären (Geographen, Kartographen, Historiker, Literaturwissenschaftler, Ethnologen, Soziologen) Monographie mit 17 Beiträgen (14 deutsch-, 3 englischsprachige) von Autoren aus Deutschland, den Niederlanden und Israel – sowie einer Einleitung der Herausgeber vor. Die Herausgeber fassen die Beiträge nach wissenschaftsgeschichtlichen Gesichtspunkten (2), der kartographiehistorischen Perspektive (4), nach raumbezogenen Konstruktionen (9) sowie unter dem Wissen-Macht-Aspekt (2) zusammen und stellen die einzelnen Beiträge kurz vor (das Inhaltsverzeichnis kann unter hier abgerufen werden).
In den meisten Aufsätzen wird zu den PGM und dessen Wirkung Bezug genommen. Mit einem geographiegeschichtlichen Schwerpunkt sind die Beiträge von H. P. Brogiato, U. Wardenga und I. J. Demhardt zu nennen. P. van den Brink und F. Ormeling richten den Blick aus den Niederlanden auf die Zeitschrift. Verschiedene Autoren setzen sich unter einem regionalen Aspekt mit den PGM auseinander: Gotha (H. P. Brogiato), Niederlande inkl. seiner Kolonien (P. van den Brink), Nordpol (T. Nanz), Südostasien (F. Ormeling), Palästina (H. Goren), Afrika (I. J. Demhardt), Simbabwe (M. C. Frank), Südwestafrika ( J. Moser) sowie Argentinien (C. Wertz). Keinen Bezug zu den PGM weisen die Artikel von F. Torma, G. Glasze, H. Wolter und R. Zöllner auf: In ihnen liegt der Schwerpunkt auf den Raumphantasien, wie beispielsweise auf einen Sprachraum (G. Glasze zur Frankophonie) oder den „Lebensraum“ (H. Wolter). Dass durch die Manifestation von unbekannten Gebieten auf Karten zum einen kartographische Tatsachen geschaffen bzw. zum anderen mittels Forschungsreisen zum Füllen dieser „blinden“ oder „weißen Flecken“ angeregt wurde, wird in mehreren Aufsätzen behandelt (T. Nanz, J. Moser, F. Torma). Nicht weit ist es davon zu einer politischen Instrumentalisierung von Karten, wie sie bei J. Moser oder C. Wertz (von  Raumimagination zu Raumokkupation) bzw. zur Geopolitik, die von G. Wolkersdorfer, H. Wolter, R. Zöllner und G. Glasze thematisiert wird. Die Beilage „Militärgeographie“ der PGM wird von U. Best aufgegriffen. Von einer kritischen Perspektive aus wurde der Eurozentrismus (M. C. Frank am Beispiel von Simbabwe sowie F. Torma am Pamir) hinterfragt. Aufgrund der Interdisziplinärität der Autoren werden auch verschiedene Theorieansätze und Methoden mit eingebracht (T. Nanz: Semiotik der Karte, M. C. Frank und G. Glasze: Diskursanalyse, R. Zöllner: Zeitschriftenanalyse, F. Torma: mental maps). Der Beitrag von R. Zuch hebt sich von den anderen Aufsätzen ab: Er beschäftigt sich mit der Verwendung der Kartographie in der phantastischen Literatur.
Das Werk ist mit verschiedenen Abbildungen und Farbtafeln versehen: Manche Abbildung ist leider so klein geraten, dass man kaum etwas darauf erkennen kann (z. B. Abb. 1 und 2 des Beitrags von G. Glasze). Die Farbtafeln sind aufwendig auf Glanzpapier gestaltet: Sie sind geeignet, um einen bildlichen Eindruck von der Arbeitsweise A. Petermanns zu erhalten, jedoch teilweise zu stark verkleinert, um Details erkennen zu können (auch fehlt der Verkleinerungsfaktor). Andere Tafeln hätten als Abbildung völlig ausgereicht (z. B. im Artikel R. Zöllner die Farbtafeln 21–23). Ansonsten könnte man noch ein paar orthographische und Interpunktionsfehler anmerken.


Wenn es bereits jetzt so viele interessante Beiträge zur Geschichte der Zeitschrift gibt, obwohl die Sammlung Perthes mit rd. 800 laufenden Metern Archivalien z. Zt. wegen Verzeichnungsarbeiten nicht zur Verfügung steht, so dass sie bis auf die Artikel von H. Goren und C. Wertz nicht als Quelle herangezogen wurde, dann kann man gespannt sein, was nach Bereitstellung der Quellen noch erforscht und veröffentlicht werden wird.
Sabine Richter

Quelle: Erdkunde, 63. Jahrgang, 2009, Heft 3, S. 397-398