Volker Elis und Ralph Lützeler (Hg.): Regionalentwicklung und regionale Disparitäten. München 2008. 395 S.
Der 20. Band der „Japanstudien“ bietet als Jahrbuch des Deutschen Instituts für Japanstudien 2008 neben zwei Varia-Beiträgen eine Sammlung von Aufsätzen zur Thematik „Regionale Disparitäten“, die z. Zt. in Japan Konjunktur hat. In einem einleitenden Beitrag von Volker Elis und Ralph Lützeler wird die zentrale Thematik interessant, spannend und profund in ihren verschiedenen Dimensionen dargelegt und die folgenden Beiträge kurz erläutert.
Thomas Feldhoff diskutiert in seinem Beitrag die Auswirkungen, Probleme und Chancen der aufgrund der demographisch induzierten Veränderungen der japanischen Gesellschaft vorhandenen Schrumpfungs-, Alterungs- und Peripherisierungsprozesse. Insbesondere kumulativzirkulär wirksame Schrumpfungsketten werden überzeugend herauspräpariert und der Reformbedarf der Raumplanungen in Japan charakterisiert. Eine eindrucksvolle Skizze der städtischen Bevölkerungsentwicklung in ihren verschiedenen Facetten bildet der Beitrag von Winfried Flüchter, der darüber hinaus an einem exemplarischen Fall (Stadt Yubari) auch allgemeine Probleme der Raumplanung in Japan akzentuiert herauszustellen vermag. Christoph Brumann analysiert in seinem Beitrag die radikale Kehrtwendung der Stadtentwicklungspolitik in Kyoto, die zu „epochemachenden“ Beschränkungen von Bauvorhaben und Werbetafeln in der Stadt führte. Ein wirklich spannender Artikel. Maren Godzik untersucht in ihrer Studie, inwieweit die Alterswanderung Möglichkeiten für einige Gemeinden eröffnet, Zuwanderer für sich zu gewinnen und welche Chancen und Risiken damit verbunden sind. Das ist ein Themengebiet, das in Zukunft noch wichtiger werden wird. Ein sehr verdienstvoller und sehr erhellender Beitrag, der auch verdeutlichen kann, dass die Verbesserung der statistischen Datengrundlage bezüglich der Alterswanderung dringend erforderlich ist. Cornelia Reiher hinterfragt kritisch die konkreten Auswirkungen der kommunalen Gebietsreformen der letzten Jahre auf die betroffenen Kommunen, wobei die Fragen nach der erhofften Steigerung der Effizienz der kommunalen Verwaltung und der lokalen Autonomie sowie nach den Ängsten bezüglich des Verlustes lokaler Identität auf Seiten der Fusionspartner im Vordergrund stehen. Absolut bemerkenswerte und notwendige Reflexionen, die weitergeführt und intensiviert werden sollten. Dasselbe zeigt sich auch in Carolin Funcks Beitrag zur Frage der Identitätsfindung für Regionalstädte, die im Rahmen der Gebietsreform viele periphere Orte eingemeindet haben und über den Tourismus sehr unterschiedliche Integrationsstrategien nutzen wollen. Sie verbindet geschickt Deindustrialisierung, Bevölkerungsrückgang, Gebietsreform und nationale Tourismuspolitik mit ihrer zentralen Frage nach der Identitätsfindung und ihrer Wirksamkeit und Langfristigkeit. Der ebenfalls auf die Identitätsfindung von Gemeinden – insbesondere im Rahmen der jüngsten Gebietsreform zusammengelegten Gemeinden – fokussierte Beitrag von Anthony Rausch zeigt sehr eindringlich die Schwierigkeiten auf, die mit der Problematik der Markenfindung bei regionalen Kulturgütern verbunden sind. Tatsushi Hirano, Sven Saaler und Stefan Säbel zeigen in ihrem aufschlussreichen Beitrag die Widrigkeiten auf, die mit Versuchen einhergehen, in peripheren Regionen eine eigene lokale Identität über Erhaltung und Restaurierung von Objekten, die mit historischen Begebenheiten verknüpft sind, zu etablieren. Zwei Varia-Beiträge sind dem Themenschwerpunkt des Bandes angefügt. Im ersten analysieren Andrew De Wit und Tatsuhiko Tani die Gründe, warum Japan bei der Energie- und der Klimapolitik nicht an führender Stelle zu finden ist, und fordern, dass die japanische Regierung über konkrete Aktivitäten eine Vorreiterrolle einnehmen soll. Im zweiten Varia-Beitrag diskutieren Susanne Brucksch und Carolina Grünschloss, wie eine „corporate social responsibility“ in japanischen Unternehmen aufgekommen, akzeptiert und implantiert wurde. Beide Artikel sind gleichermaßen lehrreich und anregend. Einige Rezensionen schließen den Band ab. Insgesamt haben wir also ein ganz ausgezeichnetes und sehr empfehlenswertes Jahrbuch des Deutschen Instituts für Japanstudien vorliegen, in dem die Leser viel Wissenswertes erfahren und durch das viele Diskussionen belebt werden können.
Helmuth Toepfer
Quelle: Erdkunde, 63. Jahrgang, 2009, Heft 3, S. 393-394