Arno Brandt, Stefan Krätke, Claudia Hahn und Renate Borst: Metropolregionen und Wissensvernetzung. Eine Netzwerkanalyse innovationsbezogener Kooperation in der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen. Berlin (Beiträge zur europäischen Stadt- und Regionalforschung 6) 2008. 208 S.

Quantitative Netzwerkanalysen erleben seit einigen Jahren in der wirtschaftsgeographischen Forschung zunehmende Anwendung und entwickeln sich zu einem beliebten empirischen Instrument zur Untersuchung regionaler Wertschöpfungssysteme, zwischenbetrieblicher Kooperationsstrukturen und Wissensflüsse innerhalb und zwischen Regionen.

Das vorliegende Werk „Metropolregionen und Wissensvernetzung“ bringt eine Netzwerkanalyse auf Basis einer umfangreichen empirischen Erhebung zur Anwendung, um die wissensbasierten Verbindungen zwischen Forschungseinrichtungen und innovativen Unternehmen in der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen darzustellen und die Netzwerkeigenschaften unterschiedlicher Branchen (Mobilitätswirtschaft, Produktions- und Verfahrenstechnik, Life Science, Informations- und Kommunikationswirtschaft, Energie und Umwelt, Planen und Bauen, Agrar- und Forstwirtschaft) systematisch miteinander zu vergleichen.
Im Mittelpunkt der durchgeführten Netzwerkanalysen stehen Unternehmen und Forschungsorganisationen. Der Aufbau des Buches stellt sich wie folgt dar: Nach der Darstellung der Motivation und Zielsetzung des Vorhabens ordnen die Autoren die Bedeutung von Metropolregionen innerhalb der wissensbasierten Ökonomie in kompakter Weise hinsichtlich ihrer allgemeinen Funktion sowie aus nationaler und europäischen Perspektive ein. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen stellt Kapitel 3 die Innovationspotentiale in der Untersuchungsregion Hannover-Braunschweig-Göttingen unter Verwendung von nationalen Vergleichsindikatoren der Wirtschaftsstruktur (z.B. Anteil wissensintensiver Wirtschaftszweige an der Gesamtbeschäftigung) und Innovationsaktivitäten (z.B. FuE-Intensität, Patentanmeldungen) dar und schlägt zudem eine wichtige theoretische Brücke zur Wissensvernetzung in metropolitanen Innovationssystemen. Kapitel 4 liefert die umfangreiche empirische Analyse, differenziert nach überregionalen Netzwerkverbindungen (Makro-Analyse), Ego-Netzen ausgewählter regionaler Akteure (Mikro-Analyse) und die regionale Vernetzung der Akteure (Meso-Analyse). Auch eine ausführliche Beschreibung der methodischen Vorgehensweise der Analyse der regionalen Wissensvernetzung mit Hilfe der Netzwerkanalyse und ihrer Relevanz als Forschungsinstrument findet hier berechtigterweise Platz. Basierend auf den weitreichenden Einblicken in die regionalen Netzwerkstrukturen innerhalb der verschiedenen Branchen leiten die Autoren im letzten Kapitel teils sehr konkrete (z.B. Schließung von identifizierten Netzwerklücken) teils eher allgemeine Handlungsempfehlungen (z.B. Förderung von Hochschulkooperationen) für das regionale Wissensmanagement ab. Schließlich präsentieren sie in den Grundzügen zusätzliche Empfehlungen für die organisatorische Implementierung einer „Strategie der Wissensvernetzung“ innerhalb der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen. Mit Hilfe von Netzwerkdiagrammen und Analyseparametern der Netzwerkgröße, -dichte, -zentralität und -kohäsion ermitteln die Autoren folgende zentrale Ergebnisse: Die Wissensvernetzung der Forschungseinrichtungen untereinander als auch mit den innovationsorientierten Unternehmen in der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen erweist sich als generell recht gut entwickelt, geprägt durch intensive intrasowie überregionale Netzwerkbeziehungen. Allerdings stellt sich die Qualität der Vernetzung im intersektoralen Vergleich als sehr unterschiedlich dar: Während sich beispielsweise die Mobilitätswirtschaft durch eine sehr hohe Vernetzungsdichte im regionalen, überregionalen und internationalen Maßstab auszeichnet, erweisen sich insbesondere „jüngere“ Branchen, wie z.B. Life Science oder Informations- und Kommunikationswirtschaft, als verhältnismäßig schwächer vernetzt. Zudem macht die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit – über die einzelnen Branchen hinweg – einen geringen Anteil an den gesamten Kooperationsbeziehungen innerhalb der Metropolregion aus. Eine zentrale Errungenschaft des vorliegenden Buches ist die sehr umfangreiche und systematische empirische Analyse der regionalen und überregionalen Netzwerkstrukturen mit 1138 erfassten Akteuren aus Wissenschaft (453), Wirtschaft (613) und sonstigen Akteuren (72; z.B. Verbände, Netzwerkinitiativen etc.).
Wie Coulon (2005) in einer Literaturanalyse aufzeigt, beläuft sich der Umfang der Primärerhebung in Netzwerkanalysen auf Unternehmens- und Organisationsebene zumeist nur auf 10 bis 250 Akteure. Diese Studie konnte zudem eine sehr hohe Rücklaufquote erzielen (Wissenschaft: 81 %; innovationsorientierte Unternehmen: 68 %) – eine Grundvoraussetzung für die Aussagekraft und Validität der Netzwerkanalyse. So gelingt es den Autoren, die multiplen Beziehungen und die Komplexität kollaborativer Netzwerke durch gelungene Visualisierungen aufzuzeigen sowie Aussagen über die Intensität der Beziehungen sowie die Kooperationsformen zu treffen. In Summe tragen die Autoren durch dieses Vorgehen zu einem weiteren Öffnen der Blackbox „Region“ in der wirtschaftsgeographischen Innovationsforschung bei und liefern eine wertvolle Erweiterung zu den vielfältig vorliegenden rhetorisch reichhaltigen Deskriptionen regionaler Wissensnetzwerke. Trotz der sehr hohen Rücklaufquoten bleibt zu bedenken, dass die gesamte Struktur des räumlichen Innovationsnetzwerkes nur sehr schwierig aufzeigbar und die Intensität von Wissensflüssen nur approximativ zu erheben ist. Wie auch in zahlreichen anderen Studien deckt die vorgenommene Netzwerkanalyse Partialnetze auf, von denen nur unter großen Restriktionen Rückschlüsse auf das Gesamtnetzwerk möglich sind (vgl. ter Wal und Boschma 2009).

Die Nutzung von Patentdaten als komplementäre Quelle wäre daher eine sinnvolle Option für die vorliegende Analyse gewesen, um die Analyse multipler Typen von Verbindungen zu ermöglichen und nicht nur einen „Snapshot“ der Netzwerkbeziehungen in der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen aufzuzeigen. Schließlich sollten die dieser Analyse zugrunde gelegten Kausalmechanismen, z.B. dass eine „hohe [Netzwerk-] Dichte […] von einem hohen Maß an Wissensaustausch [zeugt], so dass die bestehenden regionalen, überregionalen und internationalen Wissensressourcen, Kompetenzen und Innovationsimpulse […] vergleichsweise stark genutzt werden“ (S. 4) vorsichtig interpretiert werden, da aus der durchgeführten Netzwerkanalyse nicht ohne Weiteres die Qualität und Quantität des transferierten Wissens ersichtlich wird. Zweifellos bleibt die Grundaussage, dass vernetzte Wissensressourcen bedeutsame Innovationsimpulse generieren können, unberührt; sie ist in der Innovationsforschung weitgehend bestätigt. Festzuhalten bleibt abschließend: Durch die exemplarische Analyse der regionalen Wissensvernetzung am Beispiel der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen erweitert das vorliegende Buch nicht nur die Erkenntnisse über das Ausmaß und die Intensität der Netzwerkbeziehungen in der Region, sondern liefert ebenso wertvolle Einblicke in die Anwendung und das analytische Potential von regionalen Netzwerkanalysen in der wirtschaftsgeographischen Forschung.

Literatur:
Coulon,F. 2005: The Uses of Social Network Analysis in Innovation Research. A Literature Review.
Lund ter Wal, A. and R.A. Boschma 2009: Applying Social Network Analysis in Economic Geography. Framing some Key Analytic Issues. The Annals of Regional Science 43 (3): 739-756

Javier Revilla Diez

Quelle: Die Erde, 141. Jahrgang, 2010, Heft 1-2, S. 154-156