Bastian Lange, Ares Kalandides, Birgit Stöber, Inga Wellmann (Hg.) 2009: Governance der Kreativwirtschaft. Diagnosen und Handlungsoptionen. Bielefeld. 340 S.
Die Kreativwirtschaft ist angesichts der positiven Dynamik dieser Branche in den letzten Jahren zurzeit eines der zentralen Themen, nicht nur in Grossstädten wie Berlin oder Singapur, sondern wie Studien etwa zu Offenbach oder Darmstadt zeigen, auch in Mittelzentren und in Stadtteilen von Metropolregionen. Zahlreiche Städte verbinden mit dieser Wirtschaftsbranche eine hoffnungsvolle Zukunft. Wenn dies heute noch so ist, was für die verschiedenen Märkte und für jede Stadt im Kontext ihrer Rahmenbedingungen zu analysieren wäre, dann stellt sich in den Städten und Regionen die Frage: «Ist die Kreativwirtschaft steuerbar und wenn ja, wie und durch wen?».
Die Herausgeber Bastian Lange, Ares Kalandides, Birgit Stöber und Inga Wellmann, die in den letzten Jahren Studien zu vielfältigen Aspekte der Kreativwirtschaft etwa in Berlin, Leipzig und im Rahmen von Projekten sowie europäischen Forschungsverbünden durchgeführt haben, haben für die Beantwortung dieser Frage 24 Autorinnen und Autoren aus Deutschland und aus dem Ausland gewonnen, darunter aus Kopenhagen und Singapur. Der Sammelband enthält Ergebnisse aus Forschungsprojekten, Aufsätze; Erfahrungsberichte und Interviews, einige davon in Englisch. Die Themenfelder der Beiträge reichen von integrierten raumbezogenen Ansätzen zu Kreativwirtschaft und Wissensindustrien, über grundlegende Fragen zum Verhältnis von Staat und Markt im Kulturbereich (einem zukünftig zentralen Aspekte, der leider in den Schlussfolgerungen kaum wieder aufgegriffen wird) und den erforderlichen Kompetenzen in dieser Branche, bis zu spezifischen Aspekten der Popkulturförderung in Mannheim sowie Beiträgen zur Steuerung der Kreativwirtschaft. Die Beiträge, von denen sich nicht wenige auf die Situation von Berlin beziehen, sind daher auch von sehr unterschiedlicher Aussagequalität. Die Publikation ist in dieser thematischen Breite vor allem für Leser/innen von Interesse, die sich mit dem Thema schon beschäftigt haben, aber sich noch intensiver mit den vielfältigen Entwicklungsaspekten dieser Wirtschaftsbranche auseinandersetzen möchten.
Inhaltliche Klammer zur Beantwortung der Frage zur Steuerbarkeit der Kreativwirtschaft ist der Governanceansatz. Begründet wird dieser von den Herausgeber/innen als diskussionswürdig angesehene «Steuerungsansatz» vor allem mit dem Verweis auf die Stellung vieler Künstler/innen, Musiker/innen etc. zwischen Markt und künstlerischer Autonomie. Was Letzteres heute bedeuten könnte, wird leider nicht näher erläutert. In diesem Kontext werden dann in einigen Beiträgen aktuell diskutierte Management- und Steuerungsansätze aufgegriffen. Dabei wird nicht immer deutlich, ob diese für die gesamte Kreativwirtschaft oder nur für bestimmte Branchen bzw. Teilmärkte geeignet sind und wenn ja, für welche. Eine Abgrenzung und Strukturierung der Kreativwirtschaft, sei sie noch so vorläufig, wäre hier hilfreich gewesen.
Mit der Verknüpfung von Kreativwirtschaft und Ansätzen der Governanceforschung wird konzeptionell Neuland betreten. Jedoch sind die bislang in diesem Rahmen gewonnenen Ergebnisse und Schlussfolgerungen noch sehr auf einer Metaebene angesiedelt. Sie dürften damit für viele handelnden und steuernden Akteure der Kreativwirtschaft noch wenig greifbar sein. Vor dem Hintergrund persönlicher Erfahrungen scheint die Entwicklungs- und Steuerungspraxis auch weiter zu sein. Beispielsweise ist sie heute weniger top-down und stärker kommunikativ ausgerichtet, als an der einen oder anderen Stelle in den Beiträgen zum Ausdruck kommt.
Ein Grund für diese etwas rudimentäre Bodenhaftung besteht darin, dass wenig systematische Bezüge zu den Mängeln und Unzulänglichkeiten aktueller Steuerungsansätze in der Kreativwirtschaft und den heute bereits eingesetzten Instrumenten hergestellt werden. Dabei wäre etwa zwischen den Handlungs- und Steuerungsmöglichkeiten je nach Grösse der Städte und unterschiedlichen Politikfeldern der Wirtschaftsförderung, der Stadtentwicklungsplanung, der Kulturpolitik, aber auch der Bildungspolitik etc. zu differenzieren. Zum anderen wird den teilweise sehr heterogenen Markt- und Rahmenbedingungen in der Kreativwirtschaft noch zu wenig Rechnung getragen. Für Künstler/innen stellen sich diese nun einmal grundsätzlich anders dar als für die «Kreativen» der Werbewirtschaft oder der Gamesbranche (Letztere benötigen aufgrund des höheren Investitionsrisikos u.a. mehr Kapital). Gelingt es, die hier angeführten Aspekte im Kontext der genannten Governance-Formen in der weiteren Arbeit stärker zu integrieren, dann dürften auch die in zehn Thesen zusammengefassten Schlussfolgerungen zur Entwicklung und Steuerung der Kreativwirtschaft für viele Akteure handlungsleitend sein.
Ralf Ebert
Quelle: disP 181, 2/2010, S. 126-127