Kurt Scharr und Rudolf Gräf: Rumänien. Geschichte und Geographie. Wien 2008. 262 S.
Der rumänische Staat, seit 2007 Mitglied der Europäischen Union, wird durch Besonderheiten geprägt wie verschiedene Ethnien, Sprachen, Religionen, Identitäten sowie große regionale Unterschiede. Diese beeinflussen die gegenwärtigen tief greifenden Veränderungen der politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnisse. Die Autoren beleuchten ausgewählte historische Ereignisse und Aspekte zum Verständnis der gegenwärtigen gesellschaftlichen Prozesse.
Vorangestellt wird die Klärung des Rumänentums: Wo liegen die Kerngebiete, wann erfolgte die Ausbreitung der Siedlungsgebiete, unter welchen Bedingungen kam es zur Staatsbildung und zur Entstehung von Großrumänien. Betont wird dabei die geopolitische Lage im Südosten Europas, wo sich Habsburger, Ungarn, Osmanisches Reich und die Russen über Jahrhunderte um Einflussnahme bemühten. Dabei haben sich Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher Herkunft und Kultur in diesem Raum angesiedelt. Von besonderer Auswirkung war die Ansiedlung von Kolonisten aus deutschsprachigen Regionen in Siebenbürgen, Banat, Bukowina, Bessarabien und der Dobrudscha zur politischen Stabilisierung und zur wirtschaftlichen Entwicklung. Dies erklärt die sehr verschiedenen Ethnien, Sprachen, Religionen, Identitäten und die großen wirtschaftlichen Unterschiede, die heute noch die Gesellschaft Rumäniens prägen. Herausgestellt wird die Kulturleistung der „Siebenbürger Sachsen“ im Gebiet des Karpatenbogens: die städtischen Siedlungen mit ihren besonderen Rechtsverhältnissen und ihren wirtschaftlichen Erfolgen. Das Kapitel „Der Traum vom Nationalstaat“ behandelt das Thema Rumänentum, nationale Identität, Rumänisierungsmaßnahmen. Die von der Sowjetunion gesteuerte Plan- und Zentralverwaltungswirtschaft und die Entwicklung der besonderen politischen Eigenständigkeit Rumäniens unter Ceaucsescu, sein Personenkult und das Sicherheitssystem markieren die „Totalität des Staates 1948-1989“. Die Entwicklung nach der Revolution von 1989 wird als „Aufbruch in die Wirklichkeit der Demokratie“ bezeichnet. Ein kurzer Text und eine Übersichtschronik listen die politischen Ereignisse auf, von den ersten Unruhen in Timisoara bis zum EU-Beitritt am 1.1.2007. Einzelne Kapitel, insbesondere der Abschnitt 8 „Rumänien. Der Raum und seine Regionen“, behandeln die fünf Großregionen aus historischer Sicht; die dabei angesprochenen geographischen Aspekte zeigen bereits bekanntes Orientierungswissen. Aktuelle geographische Themen wie städtische und ländliche Raumstrukturen, ihre Akteure und Prozesse oder die Raumgestaltung während der kommunistischen Planwirtschaft und die spannenden Transformationsprozesse seit 1990 werden nicht angesprochen. Eine entsprechende Darstellung wäre notwendig. Angesichts der anstehenden Reformen im EU-Mitgliedsland Rumänien liefert das UTB-Buch auf 260 Seiten eine hilfreiche Hintergrundinformation. Der Text ist gut lesbar und problemorientiert gestaltet.
Roland Hahn