Christian Vandermotten, Pierre Marissal: La production des espaces économiques. Tome II. Bruxelles 2003. 295 S.

In bewusster Abgrenzung sowohl zu den Modellen der Neoklassik wie auch zu idiographischen und akteursbezogenen Ansätzen der Wirtschaftsgeographie treten die Autoren mit dem nicht unbescheidenen Anspruch an, die Funktionsweise des Weltwirtschaftsraums in Gänze zu erklären (" [...] l'ouvrage propose une méthodologie pour comprendre l'espace globale", s. Klappentext).

Der vorliegende zweite Band widmet sich - nach einem theoriegeleiteten Kapitel zur historischen Entwicklung des US-amerikanischen Wirtschaftsraums - zunächst den sozio-ökonomischen Verhältnissen in peripheren Regionen sowie dem Zusammenhang zwischen demographischer und wirtschaftlicher Entwicklung. Sodann wird im Hauptteil des Werkes die Konstituierung eines Weltwirtschaftssystems beleuchtet. Die Analyse setzt im Zeitalter des merkantilistischen Imperialismus ein und geht auch für die weiteren betrachteten Epochen (Industrialisierung, Zwischenkriegszeit, Fordismus, Post-Fordismus) jeweils ihren Implikationen hinsichtlich der Interdependenzen zwischen globalen Zentren und Peripherien nach. Die Abschnitte sind reichhaltig und ansprechend illustriert und greifen auf überwiegend aktuelles Datenmaterial zurück. Dabei werden nicht nur alle Erdteile gestreift, sondern auch Sonderfälle wie etwa die Situation sozialistischer Planwirtschaften in der Phase des Fordismus problematisiert. An gegebener Stelle werden die eher empirisch gestützten Ausführungen durch konzeptionelle Exkurse ergänzt. Der Hauptteil endet mit einer Diskussion gegenwärtiger Transnationalisierungsprozesse und ihrer Kompatibilität mit Postulaten gängiger Entwicklungsmodelle (etwa 5. Kondratieff). Das abschließende Kapitel beschäftigt sich nochmals ausdrücklich mit den spezifischen Strukturen peripherer Länder und den damit verbundenen Problemen ihrer Einbindung in die Weltwirtschaft. Ohne sich einseitigen Argumentationsmustern der Dependenztheorien anzuschließen, beziehen die Verfasser hier dezidiert Gegenposition zu neoklassischen Gleichgewichtsmodellen und Modernisierungshypothesen. Die einzelfallspezifische Betrachtung politischer, kultureller und sozio-ökonomischer Kontexte in den betrachteten Teilräumen erklärt bestimmte Persistenzen und veranlasst die Autoren zu pessimistischen Prognosen hinsichtlich der langfristigen Entwicklung großräumiger Disparitäten. Jedes Kapitel des Bandes schließt mit einer kommentierten Bibliographie, die weiterführende Literatur aus dem englischen und französischen Sprachraum empfiehlt. Deshalb, und aufgrund der gelungenen Illustrationen (s.o.), eignet er sich durchaus als ergänzendes Lehrbuch zu Veranstaltungen im Bereich Globalisierung und Weltwirtschaft, aber auch zu entwicklungstheoretischen Themen.

Autor: Christian Schulz

Quelle: Die Erde, 136. Jahrgang, 2005, Heft 1, S. 42-44