Lars Meier: Das Einpassen in den Ort. Der Alltag deutscher Finanzmanager in London und Singapur. Bielefeld 2009. 297 S.

Es gibt inzwischen unzählige Arbeiten, die sich mit dem Phänomen der Globalisierung aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auseinandersetzen. Dabei gibt es aber kaum eine Arbeit, die sich in einer vergleichbar spannenden Form mit dem Aspekt der Alltagsbewältigung einer ausgewählten Gruppe von Expatriates – nämlich der deutschen, männlichen, weißen, globalen Elite in Form der hoch qualifizierten Finanzmanager – in zwei ausgewählten Global Cities – nämlich in London und Singapur – beschäftigt wie die Dissertation des Soziologen und Geographen Lars Meier. Meier geht es im Kern um die Unterschiede in der Alltagsbewältigung dieser ausländischen Manager zwischen den beiden Untersuchungsorten London und Singapur.

Damit wird die im  Graduiertenkolleg „Technisierung und Gesellschaft" an der TU Darmstadt verfasste Dissertation zu einer ausgesprochen anregenden Lektüre auch für alle Humangeographen, die sich mit Globalisierung und Stadtforschung bzw. mit Wanderungsforschung und Identitätsbildung beschäftigen.

Lars Meier geht es in seiner Arbeit um die Besonderheiten der beiden spezifischen Orte London und Singapur. Ohne dass der Begriff der Eigenlogik in seiner Arbeit fällt, der im Umfeld seiner Dissertation in den vergangenen Jahren Karriere gemacht hat, ist es sein Ziel, die Spezifika dieser beiden Orte für den Alltag der deutschen Finanzmanager in den beiden wohl ausgewählten Global Cities herauszuarbeiten. Der Schlüsselbegriff der Dissertation ist der des „Einpassens". Darunter versteht Meier das „identitätsgebundene alltägliche Handeln in Wechselwirkung mit der gegebenen Struktur des Ortes und mit den diesen Orten entgegengebrachten Images" (S. 9). Mit der „Struktur des Ortes" verbindet Meier sowohl die materielle Ausstattung beispielsweise in Form der Architektur als auch natürliche Ressourcen wie etwa das Klima, die soziale Struktur, den Tagesrhythmus und die Atmosphäre in den jeweiligen Städten. Mit den „Images" erfasst er die Zuschreibungen der Finanzmanager, mit denen sie diesen Orten begegnen. Der zentrale
Gedanke der Dissertation, der beispielsweise auf Seite 11 in dem Satz formuliert ist, „Das Einpassen kennzeichnet somit eine bestimmte Art des Fühlens, des Blickens und des Handelns der Finanzmanager, die in Abhängigkeit zu dem spezifischen städtischen Ort und ihren eigenen Identitäten steht", wird über die gesamte Arbeit hinweg konsequent und zielstrebig verfolgt und in der eigenen Empirie entfaltet.

Der Anspruch der Arbeit ist es, das eigene Konzept des „Einpassens" auf die deutschen Finanzmanager in London und Singapur zu beziehen. Dabei geht es Meier bewusst gerade nicht darum, für seine Untersuchungsgruppe verallgemeinerbare Erkenntnisse der Alltagsbewältigung in Global Cities zu finden, sondern sein Erkenntnisinteresse ist es, die unterschiedlichen Handlungsmuster in London und Singapur herauszuarbeiten. Dabei stehen die spezifische Struktur des Ortes und die Images, die seine  Untersuchungsgruppe von dem jeweiligen Ort hat, in einem besonderen Fokus.

Lars Meier hat sich sehr intensiv auf die Untersuchungsgruppe der deutschen Finanzmanager im Ausland eingelassen. Er hat „vor Ort" jeweils 19 episodische Interviews mit den Managern geführt und ergänzend in Experteninterviews die spezifischen Rahmenbedingungen geklärt. Außerdem hat er eigene Beobachtungen des Alltags seiner Untersuchungsgruppe durchgeführt und dies in Fotos und Feldnotizen festgehalten. Die vielfältigen Aussagen aus den Interviews dienen ihm in seinem empirischen Teil in kleinen Textpassagen als Illustrationen für seine Interpretationen. Mit über 60 eigenen interessanten Fotos aus der Alltagswelt veranschaulicht er zudem seine Aussagen. Seine eigenen Feldbeobachtungen hat er an einigen Stellen in Texte gefasst, in denen er ausgewählte Aufenthaltsorte der Manager in ihrer jeweiligen Atmosphäre aus einer durchaus bewusst subjektiv gefassten Perspektive beschreibt.

Seine empirischen Ergebnisse stellt Lars Meier in zwei ausführlichen Abschnitten zunächst jeweils getrennt für London und Singapur vor. In einem ersten Schritt charakterisiert er auf diese Weise jeweils die Arbeitswelt in der City of London bzw. im CBD in Singapur aus Sicht der deutschen Finanzmanager und vergleicht anschließend das unterschiedliche Einpassen in die beiden jeweiligen Orte. Dabei wird die City of London als ein Ort der Konkurrenz und der Forderung charakterisiert, während der CBD in Singapur als ein Ort der aufregenden sozialen Begegnung mit dem Anderen beschrieben wird. In einem zweiten Zugang setzt sich LARS MEIER dann mit den Wohnwelten der deutschen Finanzmanager in London – genauer in der deutschen Community Richmond und den Docklands – bzw. in Singapur in zwei vergleichbaren Wohnsituationen auseinander. Hier wird deutlich, dass es in London um das Arrangement in einer als chaotisch empfundenen Global City, in Singapur aber um das Wohnen in einer sozialen
Harmonie geht.

Auf diese Weise zeigt die Dissertation von Lars Meier eindrucksvoll, dass es sich lohnt, sich nicht nur auf seine Untersuchungsgruppe, sondern auch auf den spezifischen Ort einzulassen und diese Einflüsse genauer in den Blick zu nehmen. Deutlich wird dabei, dass sich eine recht homogene Gruppe an den verschiedenen Orten unterschiedlich verhält. Die lokalen Besonderheiten der beiden Global Cities für die deutschen Finanzmanager werden dabei offensichtlich.

Wenn es denn an der Dissertation etwas auszusetzen gibt, dann betrifft dies den fünften Punkt der Aspekte, die Meier in seiner Einleitung für das Einpassen in den jeweiligen Ort formuliert (S. 12f.). Die ersten vier Aspekte – zum ersten die Images der deutschen Finanzmanager in London und Singapur aufzuzeigen, zum zweiten die Wirkung der Stadt und des Ortes auf ihr Handeln zu beschreiben, zum dritten die beiden Orte zu vergleichen sowie zum vierten die jeweiligen Identitätsbildungen als Deutsche, als Männer, als Weiße und als globale Elite zu betrachten – werden im empirischen Teil sehr schön herausgearbeitet. Der fünfte Aspekt, den „Ort in seiner sozialen Umkämpftheit" sichtbar zu machen, der auch im methodischen Teil noch einmal etwas diffus angesprochen wird (S. 51f.), hat sich mir beim Studium der Arbeit nicht recht erschlossen.

Trotz dieser Kritik kann die Arbeit überzeugen, weil sie das „Konzept des Einpassens" mit sehr gründlichen eigenen empirischen Untersuchungen verbindet und für die Gruppe der deutschen Finanzmanager, die über einen längeren Zeitraum in London bzw. Singapur arbeiten, außerordentlich interessante Erkenntnisse bringt. Gleichzeitig wird der Leser angeregt, das „Konzept des Einpassens" auch auf eigene Forschungskontexte zu beziehen. Die Arbeit ist also besonders den Lesern zu empfehlen, die sich mit hochmobilen Expatriates beschäftigen, ist aber auch für alle Humangeographen von Interesse, die an empirischen Ergebnissen zur Bedeutung von Ortsspezifika interessiert sind.
Claus-C. Wiegandt

Quelle: Erdkunde, 64. Jahrgang, 2010, Heft 1, S. 77-79

 

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