Andreas Zach: Standortproblematik von Regional Headquarters mit Steuerungs- kompetenz. Eine Studie über die IT-Branche am Standort Wien. Wien 2010. 202 S.
Beim vorliegenden Werk von Andreas Zach, Absolvent der Wirtschaftsuniversität Wien, handelt es sich äusserlich um eine Studie über die IT-Branche am Standort Wien – unter dem Titel der Standortproblematik von Regional Headquarters – ein Begriff, welcher der Erläuterung bedarf, weil er nicht (oder noch nicht) sehr verbreitet ist, auch wenn das Phänomen von unternehmerischen Zentralen des planenden Managements mit Steuerungskompetenzen und -effekten über den Standort hinaus, in die Weite des Raumes, durchaus vertraut ist.
Die Publikation ist nicht in erster Linie mit Blick auf die Standortfaktoren Wiens anzuzeigen, die reich an Illustrationskraft sind, sondern deshalb, weil sie eine systematische Einführung in die Standortproblematik von Regional Headquarters vermittelt, verbunden mit einer Fülle übersichtsstark präsentierter Informationen zur Stadt als Standort solcher Einheiten.
Im Fokus des einleitenden Kapitels steht, gemäss der Disposition der Arbeit, die Stadt als Wirtschaftsstandort. Dabei fällt vorweg auf, wie ausholend der Begriff der Stadt – im Zeitalter der Globalisierung – in den präsentierten Theorien gefasst wird, von der klassischen als zentraler Ort und als Teil des nationalen Städtegefüges bis hin zur Global City mit ihren spezifischen und reichhaltigen Angeboten. Erwartet werden von der Stadt, auf welcher Stufe auch immer, «zentrale Steuerungsfunktionen», verstanden als Leistungen an «Subsysteme» (in der Terminologie einer der zit. Theorien). Diese Sicht erlaubt, umgekehrt und als Beispiel erwähnt, die Stadt als «Steuerungszentrale» zu definieren, welche die ihr zufallende volkswirtschaftlich fassbare Region («massgebend»?) beeinflusst. Aus der Sicht des Rezensenten bleiben dazu Fragezeichen haften, weil auch die «Region» die Stadt als Zentrum beeinflusst, mindestens nicht unmassgeblich. Ob die relevanten Funktionen der Städte, die beschrieben und von den nach einem Standort Suchenden gewichtet werden, letztlich messbar sind, kann kritisch bedacht werden. Sie sind auf jeden Fall erfahrbar. Spannend an dieser Arbeit sind ohnehin nicht die besonderen Folgerungen, lesenswert sind die ausgebreiteten Theorien, vornehmlich, so scheint es, Kinder der Wirtschaftsgeographie.
Die Regional Headquarters der Wirtschaft sind im Kern ihrer Aufgaben nichts anderes als Unternehmenseinheiten, welche für ihr Unternehmen und seine Untereinheiten – organisatorisch und/oder marktseitig – Zentralfunktionen des Planens, des Koordinierens, der Aufsicht, der Finanzierung, des Marketings usw. zugunsten der massgebenden Region resp. der in ihr tätigen Unternehmen wahrnehmen. Dass sie ihren Sitz präferenzseitig in jener Stadt aufschlagen, die den für ihren Geschäftsbereich interessanten Raum anspricht, wird erwartet, gar vorausgesetzt. Die Dimensionen reichen bis in weltweite und/oder kontinentale Räume, wobei es nicht oder nicht nur um das solitäre Hauptquartier, das «Headquarter», gehen muss, es können auch mehrere dezentral eingesetzte «Regional Headquarters» in Frage stehen. Die Arbeit verweist aufdas unterschiedliche Verständnis dieser Einheiten, dann aber auch auf diverse Modelle ihrer Ausformung, so auf dynamische, strukturierte, managementorientierte, vertikale, horizontale usw. Daran schliessen sich in der Folge eingehende Ausführungen zur Standortwohl für die Regional Headquarters an. Dass diese als Dienstleistungsbetriebe gerade für Städte an Bedeutung gewinnen, leuchtet ein. Sie verdienen allein schon deshalb qualifizierte Aufmerksamkeit, weil sie sich in der Regel volkswirtschaftlich unmittelbarer einbringen und auswirken als eine möglicherweise abgehobene Zentrale. Daraus folgt: Sogar Konkurrenz zwischen den Städten um solche Regional Headquarters kann sich aufbauen. Die theoretischen und praktischen Hintergründe der behördlichen Standortpolitik mit Blick auf solche Einheiten hätten, nebenbei gesagt, eine vertiefte Bearbeitung, gar ein eigenes Kapitel verdient, auch wenn sie in der Fallstudie, mindestens indirekt, ausreichend zur Sprache kommen.
Mit diesen ausgewählten Hinweisen ist natürlich nicht der Kern der Publikation getroffen. Ihr geht es letztlich um die Standortwahl, resp. um die massgebenden Faktoren, und um die Erfahrungen mit dem Standort Wien. Der an der Makro- und Mikroebene interessierte Leser findet ohne weiteres den Zutritt im angekündigten Werk. Für ihn sind auch die Schlussfolgerungen der Arbeit nicht unwichtig, denn sie beflügeln die Fantasie. Und diese erleichtert eigene Entscheidungen.
Das, was hier anzusprechen war, das ist die Relation der «Regional Headquarters» zum Standort «Stadt» in einer zur Globalisierung neigenden Welt mit einer international werdenden und gleichzeitig häufig örtlich verhafteten Wirtschaft.
Martin Lendi
Quelle: disP 185, 2/2011, S. 87
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