Daniel Göler: Rückzug aus der nördlichen Peripherie Russlands? Jüngere räumliche Entwicklungen im Hohen Norden Ostsibiriens und des Fernen Ostens. Ein Beitrag zur peripheren Transformationsforschung. Leipzig 2005 (Forum ifl 3). 160 S.

Der Autor beschäftigt sich in dieser Studie mit einem aktuellen Problem, nämlich mit dem seit rund anderthalb Jahrzehnten ablaufenden Transformationsprozess im Bereich der ehemaligen Sowjetunion und in Osteuropa. Während dieser von der Staats- zur Marktwirtschaft führende Prozess im Allgemeinen zu einem Anstieg der Wirtschaftsleistung und einer Verbesserung der Lebensbedingungen führt, ist im untersuchten Peripherieraum eine praktisch entgegengesetzte Entwicklung zu beobachten, die zu Deindustrialisierung und Depopulation führt.

Ein besonderes Verdienst des Autors ist es, dass er diese Entwicklung nicht nur auf der Basis der offiziellen Statistiken nachvollzogen hat, sondern sich direkt in die betroffenen Regionen begeben hat, um den Prozess vor Ort zu studieren - ein Vorhaben, das (wie der Rezensent aus eigener Erfahrung bestätigen kann) mit großen organisatorischen Schwierigkeiten verbunden ist und viel Improvisationstalent erfordert. Auf der Grundlage von Kartierungen, Befragungen in Ämtern und Interviews der betroffenen Bevölkerung sind dabei wertvolle Fallstudien aus einem Extremraum entstanden, wie sie bisher noch kaum vorliegen. Im Mittelpunkt steht dabei die demographische Entwicklung, in der sich der wirtschaftliche Niedergang am deutlichsten widerspiegelt. Im ersten Kapitel (A) werden die theoretischen Grundlagen zur Untersuchung dargelegt, worauf in den Kapiteln B und C eine Zuwendung zum Raum erfolgt, auf den die entsprechenden Fragestellungen zur Anwendung kommen sollen. Im Kapitel D werden die konkreten Fallstudien aus dem Norden Jakutiens vorgestellt, wobei die Siedlungen Sangar und Cerskij eine zentrale Rolle spielen. In zwei Abschlusskapiteln werden schließlich die Ergebnisse zusammengefasst und in den großen überregionalen Zusammenhang eingeordnet. Die Arbeit ist reich an Materialien aus einer schwer zugänglichen Region und besitzt damit einen besonderen Wert. Zu bemängeln sind die für eine geographische Studie nicht unbedingt ausreichenden topographischen Kartengrundlagen zu den Fallbeispielen Sangar und Cerski (keine Karten des nur verbal dargestellten Umlandes) sowie die aufgrund einer falschen Legendenbezeichnung (‚Wanderungen' anstatt ‚Migrationssalden') schwere Verständlichkeit der an sich hervorragenden thematischen Karte in Abb. 13. Abgesehen von diesen Mängeln handelt es sich um eine wertvolle Studie, die eine Lücke im Bereich der Transformationsforschung wie auch der Regionalforschung im asiatischen Teil Russlands schließt.

Autor: Norbert Wein

Quelle: Die Erde, 136. Jahrgang, 2005, Heft 2, S. 152