Erwin Hepperle et al. (Hg.): Kernthemen der Bodenpolitik: Nachhaltige Entwicklung und Interessenausgleich. Zürich 2011.
Das vorliegende, von Erwin Hepperle et al. herausgegebene Buch stellt eine umfassende, ertragreiche und interdisziplinäre Untersuchung zu den mannigfaltigen Fragen der jüngsten nachhaltigen Entwicklung des kontinentaleuropäischen Raumes dar.
Das auf 404 Seiten angewachsene Kompendium, welches die deutsch- und englischsprachigen Beiträge des 36. und 37. Symposiums der Europäischen Fakultät (nunmehr: Akademie) für Bodenordnung zusammenfasst, ist übersichtlich aufgebaut und durchweg sehr gut lesbar. Die Internationalität, die unterschiedliche fachliche Herkunft und das Spektrum der behandelten Themen machen zweifellos die Attraktivität des Buches aus. Die AutorInnen spannen hierbei den Bogen von Boden und nachhaltiger Entwicklung, Landreformen (z. B. in Slowenien, Litauen und Russland), informationellen Instrumenten zur Raumentwicklung, Risikomanagement (z. B. Hochwasserschutz; Naturgefahren), Leerstandsmanagement, Enteignungs- und Unternehmensflurbereinigungsfragen hin zu Aspekten des Wohnungseigentums – pointiert formuliert: «It’s all about land», mit deutsch- und englischsprachigen Beiträgen. Dem Verfasser dieser Rezension ist seit langem klar: Bodenpolitik – internationale zumal – ist ein ungemein spannendes und vielschichtiges Gebiet, was erst recht für die damit verwobene Implementation zutrifft. Trotzdem wird der Themenbereich Bodenpolitik von der breiten Öffentlichkeit eigenartigerweise unterschätzt. Dass sich dies in naher Zukunft ändern könnte, wäre nicht zuletzt ein Verdienst der Publikationen der Europäischen Akademie für Bodenordnung, deren englische Bezeichnung «European Academy of Land Use and Development» (EALD) die Aktivitäten und Forschungsgegenstände der Akademie m. E. nach weit besser zum Ausdruck bringt als ihr deutscher Name. Die Monographie widmet sich folgenden übergeordneten Fragestellungen: Durch welche Instrumentarien können Private dazu gebracht werden, dass sie sich sozial- und naturverträglich verhalten zu Gunsten einer besseren Innenentwicklung in Stadt und Dorf, zum Schutz der Biodiversität oder zum Klima- und Hochwasserschutz? Welche Wege der Baulandproduktion und -verteilung sind sinnvoll und also nachhaltig: mehr Staat oder mehr Privat (oder nichts von beidem)? Wie können private Grundstückseigentümer stärker für Risikofrüherkennung etwa im Hinblick auf einen verbesserten Hochwasserschutz sensibilisiert werden? Dem aufmerksamen und verständigen Leser wird rasch klar, wer die Hauptverantwortung für den Boden- und Agrarflächenschutz trägt: Es sind dies die privaten und öffentlichen Grundstückseigentümer. Die (Über-)Nutzung von Pedo-, Lithound Hydrosphäre steht stets im permanenten und ungelösten Spannungsfeld zwischen Privat- und Gemeineigentum und ergo im Interessenausgleich. Sie befindet sich vor allem im Fokus einer Property-Rights-Analyse, die die unterschiedlichsten Formen von Eigentum (Privateigentum, Gemeineigentum,Open-Access-Situationen) mit einbezieht. In der Umweltpolitik ist die Diskussion über Regelungen zur Nutzung von Kollektivgütern anhand der Diskussion um die Handelbarkeit der Verschmutzungsrechte für die Atmosphäre seit einiger Zeit entbrannt. Bodenpolitik muss diesen Ansatz aufgreifen, denn Boden ist und bleibt ein essenzielles Kollektivgut. Bodenpolitik verkörpert somit auch und vor allem Verteilungspolitik, die Sozialkapital und «Humanzuträglichkeit» (s. Beitrag H. Lenk) sowohl zu Gunsten der Individuen als auch der Allgemeinheit erzeugt. Brillant und angemessen kritisch sind die Beiträge von N. Volovitch et al., die sich mit der privaten Nachfrage nach Boden und der intransparenten Verwaltung öffentlicher Assets in Russland beschäftigen. Die wertvollen Erkenntnisse, die sich aus diesen Texten gewinnen lassen, haben in zahllosen Staaten der Erde uneingeschränkt Gültigkeit – man blicke etwa über die Grenzen von Kontinentaleuropa hinweg in die Schwellen- und Entwicklungsländer Asiens. Von einer nachhaltigen Landnutzung, geschweige denn von Armuts- und Konflikt minimierenden Bodenpolitiken ist man weltweit gegenwärtig weiter denn e entfernt. Zum Kernthema der globalen Boden- und Eigentumspolitik – nämlich die Zuspitzung auf die Frage und Entscheidung: Grund und Boden – Privat oder Öffentlich? – hätte ich mir von den AutorInnen klare(re) und durchaus auch provozierende Statements jenseits des bekannten «sowohl als auch» gewünscht. Denn privates Grundstückseigentum ist fraglos nur höchst selten «humanzuträglich » im Sinne der Hans Lenk’schen Massstäbe; diese Diagnose vermag jeder Raumplaner und Landmanager in der täglichen Arbeit zu bestätigen. Von jener Einschränkung abgesehen, ist das Buch dennoch durch seine Vielseitigkeit, Verständlichkeit und Aktualität sehr zur Lektüre empfohlen.
Fabian Thiel
Quelle: disP 185, 2/2011, S. 88
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