Pádraig Carmody: Globalization in Africa. Recolonization or Renaissance? Boulder, CO & London 2010. S.
Philipp Gieg: Great Game um Afrika? Europa, China und die USA auf dem Schwarzen Kontinent. Baden-Baden 2010. 140 S.
Ian Taylor: China’s New Role in Africa. Boulder, CO & London 2009. 227 S.
Es entbehrt nicht der Signifikanz, dass auch in Analysen, die sich vorab mit den Auswirkungen der Globalisierung auf Afrika oder aber mit der Bedeutung des Kontinents innerhalb eines Kräftedreiecks befassen, die Rolle der VR China zur zentralen Frage wird. Dennoch ist der Horizont der drei hier vorzustellenden Beiträge sehr unterschiedlich.
Pádraig Carmody fasst ein breites Spektrum neuerer Veränderungen ins Auge, das von der Dynamik afrikanischer Konsumentenmärkte über Rohstofffragen bis zur Bedeutung von Mobiltelefonen für die aktuelle Lage und die Perspektiven des Kontinents reicht, und nimmt damit eine durchaus afrikanische Perspektive ein. Philipp Gieg hingegen kümmert sich in erster Linie um die jeweiligen Strategien der USA, Chinas und der EU
vorwiegend aus europäischer und USamerikanischer Perspektive. Schließlich unternimmt Ian Taylor den ambitionierten Versuch, sowohl chinesische wie afrikanische Perspektiven miteinander zu verknüpfen.
Mit unterschiedlicher Gewichtung verweisen alle drei Autoren auf die neue strategische Bedeutung, die zumindest einige Regionen Afrikas südlich der Sahara – und nur darum geht es hier – gewonnen haben. Wie Carmody und Taylor betonen, steht die neue Rolle dieser Regionen als Rohstoffl ieferant in engem Zusammenhang mit der enormen wirtschaftlichen Expansion Chinas. Sie ebenso wie der Aufstieg anderer Schwellenländer haben entscheidend dazu beigetragen, dass nicht nur die Preise für Rohstoffe stiegen, sondern dass nationale Strategien zur Sicherung knapper werdender Ressourcen an Bedeutung gewannen. Die viel kommentierte Expansion Chinas nach Afrika ordnet sich in erster Linie hier ein. Ähnliches gilt jedoch auch für die Anstrengungen der USA und europäischer Länder. Während freilich Taylor und auch Gieg fast ausschließlich auf die Bedeutung der Erdöl-Versorgung abheben, wobei für China Angola und der Sudan, für die USA dagegen verschiedene westafrikanische Staaten, allen voran Nigeria, aber auch Angola und Äquatorialguinea am wichtigsten sind, macht Carmody deutlich, dass vor allem aus der Perspektive afrikanischer Länder und Regionen weitere Rohstoffe ebenfalls wichtig sind und eine Renaissance erlebt haben. Exemplarisch zeigt sich dies an dem neuerlichen Kupfer-Boom, der sich nachdrücklich auf Zambia ausgewirkt hat – nicht zuletzt durch eine wesentliche Rolle Chinas beim Erwerb von Bergwerken, im Hinblick auf fragwürdige Arbeitsverhältnisse, aber auch bei der Schaffung einer High-Tech-Industriezone. Ferner nimmt Carmody stärker weitere Einfl üsse in den Blick, die gegenwärtig eine Rolle spielen. Neben der wachsenden Bedeutung Indiens ist dies unvermeidlich die Expansion Südafrikas, die seit 1994 in zumindest einigen Bereichen den Kontinent stark verändert hat. Festzuhalten bleibt, dass alle drei Autoren ungeachtet der Konkurrenzsituationen, die sie aus ihren unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten, keine ernsthaften Gründe erkennen können, aus denen sich der Wettlauf um Ressourcen zu ernsthaften Konfrontationen, geschweige denn zu größeren Kriegen ausweiten könnte. Das Kriegsgeschehen in Afrika, zumal in der Region der Großen Seen, bleibt dabei merkwürdig unterbelichtet.
Wie angedeutet, verbindet die übergreifende Thematik doch recht unterschiedliche Bücher. Philipp Gieg fragt ausdrücklich nach der Perspektive der Auseinandersetzungen der drei von ihm untersuchten Akteure und kommt zu der klaren Aussage, dass die zuweilen behauptete Analogie zum Great Game, bei dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Großbritannien und Russland im Kampf um die Kontrolle Zentralasiens des öfteren durchaus vor kriegerischen Auseinandersetzungen standen, verfehlt sei. Im Übrigen zeichnet er anhand der außenpolitischen Dokumente die Afrika-Strategien der USA, Chinas und der EU nach. Dabei zeigt sich, dass die USA seit dem Ende des Kalten Krieges nur in Ansätzen eine solche Strategie formuliert haben, wogegen sich das chinesische Vorgehen in die Leitkonzepte des „friedlichen Aufstiegs“ (heping jueqi) und der „friedlichen Entwicklung“ (heping fazhan) einordnet, die Taylor (4f) jedoch weit differenzierter erläutert. Das 2000 initiierte Forum on China-Africa Cooperation (FOCAC) stellt Gieg in den Kontext einer chinesischen „Charmeoffensive“ zur „Propagierung von ‘Win-Win’-Partnerschaften“ (68f). Er verweist ferner neben den problematischen Seiten des Waffenhandels auf die zunehmende Rolle Chinas im Bereich des Peacekeeping, die bis zur Beteiligung an der Bekämpfung der Piraterie vor der somalischen Küste reicht. Die EU nimmt er nur soweit in den Blick, wie sie als Einheit auftritt. Dabei betont er die Tendenz zur Ausweitung ihrer Rolle und zur „Politisierung“ ihrer Afrikapolitik. Wesentliche Bedeutung kommt jedoch den sukzessiven Abkommen von Yaoundé, Lomé und Cotonou sowie den noch laufenden Auseinandersetzungen über die Economic Partnership Agreements (EPA) zu, die Gieg allerdings nur sehr kursorisch behandelt, wobei er die von afrikanischer Seite ebenso wie von europäischen NGO formulierte scharfe Kritik bestenfalls andeutet. Dafür skizziert er sehr allgemein die Perspektive eines gemeinsamen Vorgehens der EU und afrikanischer Staaten in der „Asyl- und Migrationspolitik“ als Bestandteil einer „strategischen Partnerschaft“ (112f), ohne auch nur ein Wort über die Gründe „illegaler Einwanderung“ (113) zu verlieren oder nach der Kohärenz der Realität des „Grenzschutzes“ auf dem Mittelmeer mit der Menschenrechtspolitik zu fragen. Insgesamt fragt sich, ob eine Würdigung der EU als Akteur in Afrika möglich ist, ohne die Politik und die historische Rolle ihrer Gliedstaaten zu behandeln. Auch sonst fällt die Darstellung gegenüber den beiden anderen Büchern deutlich ab und erweckt – mangels irgendwelcher Hinweise auf Autor und Entstehungszusammenhang – eher den Eindruck eines wenig erweiterten Forschungsberichtes mit vor allem im Hinblick auf die EU starker Tendenz zu einer eher vordergründigen Politikberatung.
Dem lässt sich zunächst der Zugriff Ian Taylors gegenüberstellen. Ihm gebührt das Verdienst, die Akteure zumindest ansatzweise zu dekonstruieren. Möglicherweise sogar überpointiert arbeitet er insbesondere die Vielfalt chinesischer Akteure heraus, die neben der Regierung etwa die drei staatlichen, zuweilen miteinander konkurrierenden Erdölkonzerne, Betriebe im Besitz von Kommunal- und Provinzverwaltungen, aber auch einzelne größere oder kleinere Händler sowie deren Netzwerke umfassen. Zu letzteren gehören auch zahlreiche Afrikaner. Taylor zieht daraus den einleuchtenden Schluss, das Konstrukt Chinas als eines einheitlichen, gar monolithischen Akteurs sei irreführend. Er schließt sich der Formulierung von Kenneth Lieberthal vom „fragmentierten Autoritarismus“ an (5, 163). Die verbreitete Annahme einer übergreifenden chinesischen Strategie, die etwa über die allgemeine Orientierung an der Sicherung von Rohstoffen hinausginge, verfehlt diesen Sachverhalt. Taylor versucht dann, nacheinander die Klagen über Chinas Erdölpolitik, die Überschwemmung Afrikas mit billigen chinesischen Waren, die Kritik an Chinas Menschenrechtspolitik, seine Rolle beim Waffenhandel und beim Peacekeeping zurechtzurücken. Die zentrale und insgesamt chwer bestreitbare Aussage besagt, dass die „chinesischen Wirtschaftsstrategien zwar zuweilen durchaus neomerkantilistisch, grundsätzlich aber kapitalistisch sind“ (178). Taylor führt Batterien von Argumenten an, die Rolle Chinas zu entdramatisieren – etwa dass der Niedergang der afrikanischen Textil- und Bekleidungsindustrie bereits vor dem Beginn massenhafter chinesischer Billigimporte eingesetzt habe, dass der Waffenhandel Chinas als Ausdruck des schlechten Zustandes der chinesischen Rüstungsindustrie wenig geeignet sei, ernsthaft destabilisierend zu wirken, oder dass die chinesische Regierungspolitik sich weitgehend an die offi zielle Interpretation der Menschenrechte halte, die kollektive und soziale vor personellen und bürgerlichen Rechten privilegiert. Allein da, wo afrikanische Regime wie etwa in Zimbabwe „Entwicklung“ als die Garantie für die Einlösung der kollektiven Rechte selbst konterkarieren, sieht Taylor die chinesische Politik im Gegensatz zu den Menschenrechten. Dabei erspart er sich freilich eine Auseinandersetzung sowohl mit der Debatte über die Einheit der Menschenrechte als auch mit den Demokratie-Bewegungen, die in Afrika ebenso wie in China selbst kulturrelativistische Argumente der jeweiligen Regierungen nachdrücklich in Frage stellen. Taylor sieht die VR China aufgrund ihrer fortschreitenden Integration in das internationale System in Gestalt internationaler Institutionen und wirtschaftlicher Verflechtungen sowie ihres damit verknüpften Strebens nach Anerkennung als verantwortungsvolle Großmacht zunehmend auf international vorherrschende Diskurse einschwenken. Diese Tendenz zeichnet er vor allem im Hinblick auf die zunehmenden Peacekeeping-Engagements Chinas nach, wobei ihm die Bereitschaft zur Intervention als Maßstab des Fortschreitens im postulierten Integrationsprozess dient. Im Zentrum steht dabei die Relativierung der in der Argumentation der chinesischen Regierung zunächst absolut gesetzten staatlichen Souveränität. Die internationale Debatte über Intervention, die Verschiebung von der humanitären Intervention zum Krieg gegen den Terror und peace support spielt dabei offenbar keine Rolle, wird jedenfalls nicht erwähnt. Durchgängig argumentiert Taylor mit der Eigenverantwortlichkeit afrikanischer Regime. Dem stellt er die Strategie gegenüber, die Folgen neopatrimonialer Herrschaft nd administrativer Ineffi zienz China als Sündenbock anzulasten. Freilich bleibt die Analyse dieser Herrschaftsform einmal mehr bruchstückhaft, und man reibt sich verwundert die Augen, wenn „schwache Rechtsstaatlichkeit, endemische Korruption und bürokratische Tendenzen uf allen staatlichen Ebenen“ die Verhältnisse in China charakterisieren sollen (179). Zumindest wäre zu fragen, warum dort diese Charakteristika des „Neopatrimonialismus“ offenbar kein ernsthaftes Hemmnis für wirtschaftliches Wachstum darstellen, während sie in Afrika dafür verantwortlich gemacht werden. Schließlich ist festzuhalten, dass Taylor sich auf eine beeindruckende Fülle von Interviews stützt, die er an vielen Orten in Afrika, in China und in den USA geführt hat. Es ist verständlich, dass die Interviewpartner oft anonym bleiben, doch hätte man sich ein wenig Auskunft über die Methodologie, insbesondere die Auswertung gewünscht und fragt sich beispielsweise, wieso die Aussage eines „Beamten der Afrikanischen Union“ als Beleg dafür gelten soll, dass Industrialisierungsstrategien, die der Schwerindustrie Vorrang vor der Leichtindustrie gaben, „durchwegs gescheitert sind“ (65). Das Heranziehen wirtschaftshistorischer oder entwicklungsgeschichtlicher Standardliteratur hätte hier näher gelegen. Dennoch liefert dieses Buch informierte Argumente aus einer Perspektive langjähriger Auseinandersetzung mit beiden Seiten der afrikanisch-chinesischen Beziehungen.
Die Perspektive Pádraig Carmodys stimmt in vieler Hinsicht mit der Taylors überein. Freilich sieht er eher Fortschritte im Bereich der Regierungsführung in Afrika und bemüht sich als einziger der hier besprochenen Autoren um eine theoretische Reflektion seiner Ergebnisse. Er fasst sie in der These „kreuzförmiger Souveränität“ (cruciform sovereignty, bes. 63ff) zusammen. Genauer müsse freilich von einer T-förmigen Struktur gesprochen werden (831): Es gehe darum, dass Länder des Nordens „horizontal“, d.h. auf Basis der Gleichberechtigung, Souveränität in und mit supranationalen Organisationen teilten, während sie den Ländern des Südens „nur Hilfe geben, anstatt Souveränität zu teilen“ (66). Hier bestehe ein vertikales Verhältnis, in dem „Zustimmung erzwungen“ (66) und „Gesellschaft normalisiert“ werde (68). Aus dieser Perspektive sieht Carmody etwa Poverty Reduction Strategy Papers oder die Paris Declaration sehr viel kritischer als viele Autoren, die hierin einen Zugewinn an Autonomie erblicken. Gegenüber dieser „Form eines Kautskyanischen ‘Ultraimperialismus’“ (66) praktiziere China im Zuge seiner „institutionellen Absorption in den globalen Kernbereich“ (81) gegenüber der „Entwicklungs-Welt“ eine von Giovanni Arrighi apostrophierte „Dominanz ohne Hegemonie“ oder Flexigemonie“, die insbesondere auf die Normalisierung bestehender Institutionen verzichte (82). Freilich fragt sich, ob der deklarierte Verzicht auf „imperialistische“ Praxis den Realitäten standhält. Carmodys Fallstudie über Zambias Chancen, dem „Ressourcen-Fluch“ zu entgehen (Kap. 5), gibt dazu eine bestenfalls zwiespältige Antwort. Sie unterstreicht vielmehr seine Kernthese, „dass der Ressourcen-Fluch in Wirklichkeit in Afrika eine Form der Regierungsführung ist“, die „auf einem impliziten transnationalen Vertrag der
Extraversion [Außenorientierung] zwischen den einheimischen politischen Eliten in Afrika und westlichen oder östlichen Regierungen sowie transnationalen Konzernen beruht“ (5). Eindeutig über die spezielle Rolle Chinas hinaus weist daher Carmodys bschließende Perspektive. Er sieht zum einen die Problematik eines vom Norden inspirierten „Armutsregimes“, in dem Armut „verwaltet statt beseitigt wird“, ein „umgekehrtes ubuntu auf der Grundlage nicht von Solidarität, sondern des Abfl usses gesellschaftlichen Überschusses nach oben“. Zugleich habe das „chinesische Engagement in afrikanischen Staaten bisher anscheinend autoritäre und patrimoniale Tendenzen verstärkt“ und so die säkulare Tendenz zur Außenorientierung vertieft (141). Letztlich fehlten den meisten afrikanischen Staaten „Klassenstrukturen und Institutionen“, um die aus Ressourcenextraktion erlösten Renten sinnvoll zu nutzen (142), was etwa in Venezuela oder Chile jedoch gelungen sei. Eine solche Perspektive könnte etwa in einer Stärkung gewerkschaftlicher Organisationen im Zuge eines fortgesetzten wirtschaftlichen Aufschwungs liegen, wobei Carmody sich am Muster wichtiger Unabhängigkeitsbewegungen Mitte des 20. Jahrhunderts orientiert. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen relativiert sich die aktuelle Bedeutung Chinas für Afrika. Immerhin ist zu bedenken, dass Taylor den gewaltigen Zuwachs an chinesischen Importen damit belegt, dass diese von 2,5 % der gesamten Einfuhren Afrikas 1996 auf 7,4 % im Jahr 2005 gestiegen sind (63), was mit den 7,2 % korrespondiert, die China 2005 am Welt-Gesamtexport hielt (66). Dies verweist darauf, dass auf dem Stand von 2005 immerhin über 90 % der Importe nach Afrika aus anderen Quellen als China kamen. Leider wird diesem Umstand in den besprochenen Publikationen nicht ausreichend Rechnung getragen.1 Nur unter dieser Voraussetzung aber lässt sich hoffen, zu einem adäquaten Bild der Wirtschafts- und Machtbeziehungen auf dem Kontinent zu gelangen.
Reinhart Kößler
Anmerkung
1) s. dazu aber Southall, Roger, & Henning Melber (Hg.). A New Scramble for Africa? Imperialism, Investment and Development. Scottsville 2009.
Quelle: Peripherie, 31. Jahrgang, 2011, Heft 120, S. 120-124
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