Albrecht Steinecke: Themenwelten im Tourismus. München 2009. 362 S.
Nach wie vor zählt der Tourismus zu den globalen Wachstumsbranchen. So geht die World Tourism Organization (WTO) der UN für das Jahr 2025 von weltweit 1,6 Mrd. Ankünften, inklusive der Geschäftsreisen (aber ohne den Binnentourismus mitzurechnen) im internationalen Reiseverkehr aus, was im Vergleich zu heute in etwa einer Verdoppelung gleichkäme. Lag 1971 der Anteil der fünf Top-Destinationen noch bei ca. 70 %, entfielen allerdings im Jahr 2008 nur mehr 31 % der grenzüberschreitenden Reisebewegungen auf die führenden fünf Staaten.
Der Wettbewerb wächst und reife Destinationen verlieren zusehends an Boden. Als eine Reaktion darauf kann gerade für Tourismusregionen, welche am Ende ihres Destinationslebenszyklus stehen, die Etablierung
kommerzieller Themenwelten im Speziellen betrachtet werden. Auch allgemein ist die Thematisierung des Raumes durch Nutzung endogener Potenziale und in der Regel begleitet von darauf abgestellten Events (vgl. z.B. die ostschweizerische Ferienregion „Heidiland“, die die große Popularität der Heidi-Romane von Johanna Spyri zur Etablierung ihrer Dachmarke nutzt) ein Fakt, der damit in Zusammenhang steht. Freilich ist neben einer gerade in unseren Breiten unzweifelhaften Marktsättigung die generelle Emotionalisierung des Konsums und die Erlebnisorientierung der Freizeitgesellschaft ebenfalls mit verantwortlich dafür zu machen. Denn Tourismus ist ein von der Nachfrage getriebenes Geschäft.
Nun sind die teilweise als Kommerztempel scharf kritisierten künstlichen Themenwelten gar nicht so neu. Denn illusionär gestaltete Gebäudlichkeiten finden sich nicht nur, und dort besonders konzentriert, entlang des Strip im jungen Las Vegas. Seit mehr als 200 Jahren gehören sie zum architektonischen Fundus der europäischen Kulturgeschichte. Beredtes Beispiel hierfür ist etwa die im Münchner Schlosspark zu Nymphenburg anzutreffende Magdalenenklause, welche im Jahr 1725 als bewohnbare Ruine errichtet wurde. Trotzdem ist sowohl die Dimension und Marktstellung als auch die räumliche Verbreitung touristischer Themenwelten und den darin anzutreffenden Inszenierungstechniken heutzutage so prominent, dass es höchste Zeit für eine Monographie wie die vorliegende auch in deutscher Sprache und mit bevorzugt mitteleuropäischen Fallbeispielen bedurfte. Dabei bezieht der Autor durchaus die internationale Literatur zum Thema kenntnisreich mit ein.
Der Verfasser folgt einer vornehmlich auf Fallstudien bezogenen Betrachtung und legt die jeweiligen spezifischen Charakteristiken ausgewählter Themenwelttypen zu folgenden Sachverhalten kompetent dar:
– Freizeit- und Themenparks (wie z.B. das Disney Resort Paris oder der Europa-Park Rust als mit Abstand meistbesuchter Themenpark Deutschlands);
– Themenhotels und -restaurants (wie z.B. die „Irish Pubs“ eines irischen Brauereikonzerns oder die „Hard Rock Cafés“);
– Urban Entertainment Center (wie z.B. das Centro Oberhausen als größtes innerhalb Deutschlands);
– Markenerlebniswelten oder „brand parks“(wie z.B. die Autowelt Wolfsburg oder das Legoland im bayerisch-schwäbischen Günzburg);
– Zoologische Gärten/Aquarien (wie z.B. der Erlebniszoo Hannover).
Dabei dekliniert der Autor die betreffenden Kapitel seines Werks jeweils mit einer einleitenden Definition, der historischen Entwicklung, den Merkmalen und international festzustellenden aktuellen Trends durch. Das Werk benennt nicht nur gelungene Vorhaben, sondern bezieht auch gescheiterte Projekte und Gründe für derenMisserfolg mit ein (41). Hierbei ist eine wesentliche Vorbedingung für den Erfolg von Themenwelten eine hohe Bevölkerungsdichte im Umfeld (Erreichbarkeitsradius von 1,5 – 2 Stunden Fahrzeit) und Nachfragepotenzial. Auch andere für Raumwissenschaftler zentrale Standortbedingungen werden angeführt (74, 151). Gut gefällt dem Rezensenten, dass nach jedem Abschnitt Zwischenfazits als Kastentexte die zentralen Botschaften zusammenfassen. Hierbei sind die vielschichtig präsentierten Inhalte nicht allein für Freizeit- und Tourismusforscher lesenswert, sondern auch für Stadt- und teilweise auch Handelsgeographen interessant (252 ff.). Das Buch erscheint insofern in jeder Hinsicht lesenswert, auch wenn man die am Schluss stehende gewagte Hypothese des Verfassers „Mit dieser Entwicklung werden die Grenzen zwischen (angeblich) künstlichen Themenwelten und den (angeblich) authentischen Realwelten hinfällig.“ (282) nicht unbedingt teilen muss.
Hubert Job, Würzburg
Quelle: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie Jg. 56 (2012) Heft 1-2, S. 115-116
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