Petra Dobner: Wasserpolitik. Zur politischen Theorie, Praxis und Kritik globaler Governance. Berlin 2010. 400 S.

Die Habilitationsschrift untersucht am Beispiel der globalen Wasserpolitik den räumlichen und akteursbezogenen Wandel politischen Handelns hin zu einer globalen Governance und bewertet ihn aus demokratietheoretischer Perspektive. Verf. beginnt mit einer Darstellung der globalen Trinkwasserkrise, als deren zentrale Dimensionen sie chronische Wasserknappheit, Wasserverschmutzung und Katastrophen wie Überschwemmungen oder Dürren identifiziert.

Anhand der Geschichte der internationalen Umwelt- bzw. Wasserkonferenzen zeichnet sie die "inhaltliche und institutionelle Neuausrichtung der globalen Wasserpolitik" (103) nach. War die UN-Konferenz über die menschliche Umwelt 1972 in Stockholm noch von einer staatszentrierten Steuerungseuphorie geprägt, so setzte sich seit der Wasserkonferenz in Dublin 1992 eine zunehmend marktförmige Politik durch. In deren Abschlusserklärung wurde Wasser erstmals als "ökonomisches Gut" bezeichnet und die Rolle von Staaten in der Wasserversorgung zugunsten privater Akteure relativiert. Im Zuge dieser Ökonomisierung, die allerdings stets umkämpft war, ging die globale wasserpolitische Initiative von den UN zunehmend auf öffentlich-private Netzwerke über (schon die Dubliner Konferenz selbst war keine klassische UN-Konferenz mehr, sondern eine "Expertenkonferenz"). Seit Dublin reklamieren Netzwerke aus Ministerialbürokratien, multilateren Organisationen wie der Weltbank und transnationalen Konzernen mit wachsendem Erfolg für sich, das globale wasserpolitische Allgemeininteresse zu vertreten.

Entsprechend wurde die Wasserversorgung seit den 1990er Jahren vielerorts privatisiert. Entgegen anderslautender Versprechungen wurde dadurch jedoch weder sorgsamer und effizienter mit Wasser umgegangen noch wurden veraltete Infrastrukturen erneuert oder die Anschlussquoten in Entwicklungsländern erhöht. Eine Studie der Weltbank resümierte 2005, "dass es keinen signifikanten statistischen Nachweis für eine unterschiedliche Effizienz privater und öffentlicher Betreiber gibt" (178). Nicht selten wurde die Wasserversorgung aufgrund gesellschaftlicher Konflikte wieder von öffentlichen Trägern übernommen. Dennoch "hat die Privatisierungspolitik der 1990er Jahre Fakten geschaffen, die sich nicht einfach revidieren lassen" (170).

Zur Erklärung dieser Entwicklung greift Verf. u.a. auf das marxsche Konzept der sog. ursprünglichen Akkumulation zurück, die sie nicht als historisch einmaligen, sondern als fortgesetzten Prozess begreift (ohne auf die einschlägige, v.a. von David Harvey angestoßene Diskussion einzugehen). Aus der sogenannten Allmende-Debatte (Elinor Ostrom u.a.), die empirische Argumente für kollektive Formen der Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen liefert, leitet sie "Anforderungen an globale Institutionen zur Regulierung von Trinkwasserressourcen " ab. So soll das Trinkwasser als Gemeingut institutionell abgesichert werden und globale Regulierungen sollen so gestaltet sein, dass sie eine Vielfalt lokaler Institutionen ermöglichen, die den je besonderen Bedingungen Rechnung tragen (208f).

Anschließend wird die politikwissenschaftliche Debatte um Steuerung, Governance und Politiknetzwerke machttheoretisch erweitert. Ausgehend von der Beobachtung, dass nationalstaatliche Politik unter den Bedingungen einer "pazifizierenden polity" stattfinde, Machtkämpfe auf globaler Ebene dagegen "weit archaischer" ausgetragen würden, formuliert Verf. die aus ihrer Sicht zentrale machtanalytische Frage, wie sich der "Umschlagspunkt von globaler in [national]staatliche Politik" genau gestaltet (291). Eine zentrale Rolle spielt dabei das globale wasserpolitische Netzwerk, an dem Verf. exemplarisch die demokratiepolitischen Defizite der oft mit Partizipation, Offenheit und Horizontalität verbundenen Global Governance herausarbeitet und zeigt, wie sich unter dem Deckmantel der Partizipation eine Ökonomisierung des Politischen bis zur lokalen Ebene durchsetzt.

Ein Problem des Buches liegt darin, dass es viele theoretisch-konzeptionelle Fährten legt, jedoch kaum die Spannungen zwischen den verschiedenen Ansätzen erörtert. Die rezipierten kritischen Autor/innen (neben Marx unter anderem Foucault und Gramsci) werden eher als machttheoretische Ergänzung von Governance-Konzepten denn als systematische Herausforderung derselben behandelt. Das führt etwa dort zu argumentativen Inkonsistenzen, wo Verf. fordert, dass "globale Regulierungen [...] Resistenzen gegen egoistische Aneignungsstrategien entwickeln" (209) müssen. Aus einer normativen Global-Governance-Perspektive wäre dies plausibel. Eine systematische Reflexion der rezipierten Macht- und Herrschaftstheorien würde aber die Grenzen globaler politischer Regulierungen aufzeigen, die in tief sedimentierten gesellschaftlichen Verhältnissen begründet sind, von denen der Staat als "politische Form" - auch auf dieses Konzept bezieht sich Verf., ohne es näher zu erörtern (254) - selbst ein Teil ist. Ein zweites Problem ist, dass der oft vielversprechenden Analyse immer wieder die Schärfe genommen wird. So zeigt Verf. die Macht- und Verteilungsaspekte der Wasserkrise auf (Kap. 1), nimmt dies aber nicht zum Anlass, die zugrunde liegenden Geschlechter-, Klassen- oder Nord-Süd-Verhältnisse eingehender zu untersuchen. Stattdessen schlussfolgert sie verblüffend technokratisch, die Lösung der globalen Trinkwasserkrise erfordere "Geld, Wissen und eine verbesserte Steuerungsfähigkeit" (92). Die Ökonomisierung der Wasserpolitik wird zwar detailliert beschrieben und bewertet, die kritische Durchdringung des Gegenstandes aber zu früh abgebrochen. So hätte eingehender untersucht werden können, warum es öffentlich-privaten Netzwerken seit den 1990er Jahren gelang, das wasserpolitische Allgemeininteresse zu definieren und die Privatisierung voranzutreiben.

Schließlich zeigen sich auch bei der Einschätzung des Staates Ungereimtheiten. Wo Verf. als Ziel formuliert, "Möglichkeiten einer politischen Gestaltung des vor allem ökonomischen Projekts der Globalisierung zu gewinnen" (293), wo sie eine "Auswanderung" der Trinkwasserpolitik "aus dem Staat" (15) konstatiert oder feststellt, dass "Regierungen und Staaten" nur mehr "einen Platz in der zweiten Reihe" hätten (331), hängt sie einem dichotomischen Verständnis des Verhältnisses von Politik und Ökonomie an, das mit ihren empirischen Befunden und den rezipierten kritischen Ansätzen nur schwer in Einklang zu bringen ist.
Markus Wissen (Wien)

Quelle: Das Argument, 53. Jahrgang, 2011, S. 481-482

 

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